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AFRIKA/854: Südliches Afrika - Hände weg von EPA! (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 2, April / Mai / Juni 2010

Hände weg von EPA!


Die Verhandlungen über Wirtschaftspartnerschaften (EPA) mit der Europäischen Union verlaufen für die afrikanischen Länder destruktiv. Die Regierungen sollten die Notbremse ziehen, die Gespräche aussetzen und erst ihr eigenes Haus in Ordnung bringen, ehe sie sich auf Verhandlungen mit einem übermächtigen und durchsetzungswilligen Partner einlassen.

Ein Interview mit dem ugandischen Wirtschaftswissenschaftler Yash Tandon. Dieser leitet das "Southern and Eastern African Trade Information and Negotiations Institute" (Seatini) am Südzentrum in Genf. Das Gespräch führte Patricia Handley für Pambazuka.

PATRICIA HANDLEY: Yash Tandon. Warum sprechen Sie im Zusammenhang mit den Abkommen über Wirtschaftspartnerschaften von einem destruktiven Kurs?

YASH TANDON: Diese Abkommen sind vornehmlich im Interesse Europas. Es ist eine asymmetrische Verhandlung, die da geführt wird. Auf der einen Seite sitzt die Macht in Europa, auf der anderen Seite haben wir schwache afrikanische Regierungen, die abhängig sind von Wirtschaftshilfen aus Europa und den Zugang zum europäischen Markt. Es ist eine sehr ungleiche Beziehung.

Darüber hinaus führen die Verhandlungen, wie sich sich derzeit abzeichnen, zu einer Fragmentierung Afrikas. Nehmen wir ein Beispiel aus dem Südlichen Afrika: Namibia und Südafrika weigern sich, ein Interim-EPA in der vorliegen Form zu unterzeichnen; Botswana, Lesotho, Swasiland und Mosambik haben es getan. Diese Länder könnten Güter aus Europa zu niedrigeren Tarifen importieren, die dann über die Zollunion SACU nach Südafrika gelangen können.

Südafrika könnte dem einen Riegel vorschieben. Doch das bedeutete das Ende der Zollunion. Ich hoffe, Südafrika tut das nicht; denn das wäre schlicht und einfach die Umsetzung dessen, was Europa beabsichtigt. Europa will Afrika teilen und beherrschen.

Ein weiteres Beispiel: Sambia und Simbabwe, beides Gründungsmitglieder der Southern African Development Community (SADC), gehören nicht einmal zur Verhandlungsgruppe der SADC mit der europäischen Union. Sie verhandeln im ostafrikanischen Block. Hier zeigt sich wieder der Bruch der SADC und die Kreation eines neuen Blocks unter Einschluss Sambias und Simbabwes. Das widerspricht dem Vertrag von Abuja in Nigeria von 1991, in dem die kontinentale Einheit vertraglich vereinbart wurde.

PATRICIA HANDLEY: Was wäre die Alternative?

YASH TANDON: Zwei Schritte sind zu tun. Als erstes müssen wir eine Sperre mit der EU verhängen, bis wir unser eigenes Haus wieder in Ordnung gebracht haben. Solange die EU Druck auf uns ausübt und einzelne Länder zwingt, Separatverträge abzuschließen, hat es keinen Sinn, über Alternativen nachzudenken. Wir haben Zeit, Europa nicht.

Als zweites schlage ich ein Treffen der Staatschefs der SADC und der ostafrikanischen Länder vor. Dort erteilen sie ihren Handelsministern das Mandat, Verhandlungen über eine Art Zollunion aufzunehmen, der Comesa (Common Market for Eastern and Southern Africa), SADC und EAC (East African Community) angehören sollten, worauf man sich bereits 2008 geeinigt hatte. Die Minister sollten einen Zeitplan ausarbeiten, in dessen Rahmen die Zolltarife angepasst werden könnten, ebenso solch komplexe Fragen wie Ursprungsregeln, Erleichterung von Handel und Transport oder der Aufbau eines Informationsnetzes.

Das alles wird Zeit brauchen. Oberstes Ziel muss dabei der Abriss aller Barrieren für Handel und Investitionen sowie für die freie Bewegung der Menschen der Region sein. Erst dann kann sich Afrika für die übrige Welt öffnen. Mit übriger Welt meine ich auch China, Indien, Brasilien und die USA.

Unsere Parlamente müssen sich ihrer Verantwortung bewusst werden. Bisher ist sich kein Parlamentarier klar darüber, was zur Zeit abläuft. Es ist nicht ohne Ironie, dass unsere Parlamentarier jede Zeit lokalen Fragen widmen, aber Fragen globaler Natur einfach nicht wahrnehmen, obwohl diese - abgesehen von den Kosten - große und unumkehrbare Konsequenzen für unsere Länder und die Region haben.

Die parlamentarischen Ausschüsse für Handel und Vertragsfragen müssen durchsetzen, dass die Exekutive den Vertrag dem Parlament zur ausführlichen Diskussion vorlegt, aber auch der breiten Öffentlichkeit und den Medien, damit alle die Implikationen eines solch weitreichenden Vertrages verstehen. Und wenn diese zu dem Schluss kommen, dass der Vertrag negativen Folgen für unsere Bevölkerung haben wird - was sich aus dem jetzigen Verhandlungsstand ergibt -, dann muss eine Ratifizierung abgelehnt werden.

PATRICIA HANDLEY: Ist Ihr Alternativvorschlag durchsetzbar?

YASH TANDON: Das kommt darauf an. Zum einen auf den politischen Willen der Staatslenker, zum anderen, ob ausreichend Druck aufgebaut werden kann von der Bevölkerung, aber auch von den wirtschaftlichen Interessenten, die von EPAs zu verlieren haben. Es ist letztlich eine politische Frage.

In unseren Ländern gibt es Wirtschaftszweige, die exportorientiert sind. Sie fordern ein EPA, das einen besseren Zugang zum europäischen Markt sucht. Aber kleine und mittlere Unternehmen bleiben dabei auf der Strecke; kleine Bekleidungsunternehmen, Firmen, die Lebensmittel für den einheimischen Markt verarbeiten, ganz allgemein kleine Verarbeiter, die für die lokalen, nationalen und regionalen Märkte produzieren.

Diese Firmen wurden bisher kaum oder gar nicht bei der Gestaltung der Verträge konsultiert. Oft wissen sie nicht einmal, wie schwer sie getroffen werden, wenn die afrikanischen Märkte sich Europa öffnen.

Eine Umkehr dieser misslichen Lage lässt sich erreichen, wenn drei Voraussetzungen erfüllt werden. Erstens: Unsere Staatsführungen müssen es politisch wollen. Zweitens: Parlamente und Öffentlichkeit müssen den nötigen Druck auf ihre Regierungen erzeugen, sich mehr den heimischen Bedürfnissen ihrer Länder zuzuwenden. Und drittens. Die wirtschaftlichen und geschäftlichen Interessen unserer Länder, die vornehmlich den nationalen und regionalen Markt bedienen, müssen ihre Interessen gegen die exportorientierten Industrien anmelden.

Quelle: Pambazuka News, 1.4.2010


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 2, April / Mai / Juni 2010, S. 37
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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"afrika süd" erscheint mit 6 Heften im Jahr
Jahresabonnement Euro 35,-


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2010