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AFRIKA/830: Mali - Privatisierte Staatsbetriebe lassen Arbeiter im Stich (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Juli 2010

Mali: Ohne Löhne und Sozialplan - Privatisierte Staatsbetriebe lassen Arbeiter im Stich

Von Soumaila T. Diarra


Bamako, 27. Juli (IPS) - Bei der Privatisierung von Staatsbetrieben in Mali lässt man die Arbeitskräfte im Regen stehen. In dem westafrikanischen Land warten viele Betroffene nach dem Verlust ihrer Stellen vergeblich auf ausstehende Löhne, Abfindungen und versprochene Sozialpläne. Führende Oppositionspolitiker und zivile Organisationen klagen über die erdrückende soziale Last der Wirtschaftsliberalisierung in ihrem Land.

In Malis Hauptstadt Bamako halten 264 ehemalige Arbeiter der Ölmühle HUICOMA (L'Huilerie cotonnière du Mali), die Baumwollsamen zu Speiseöl und Viehfutter verarbeitet, seit November 2009 die städtische Arbeitsagentur besetzt. Sie hatten 2007 bei der Übernahme des Unternehmens durch die einheimische Holding Tomota ihre Jobs verloren. Sibiri Diarra, einer der Besetzer, berichtet: "Über einen Sozialplan wird immer noch verhandelt. Auch von einer Abfindung haben weder die entlassenen Arbeiter noch deren Kollegen, die den Betrieb freiwillig verlassen haben, bislang etwas gesehen."

Im Gespräch mit IPS erklärte Bakary Berthé, Betriebsratsvorsitzender bei HUICOMA: "Seit mehr als acht Monaten leben wir in diesem Gebäude unter schwierigen Bedingungen. Selbst die Beschaffung von Lebensmitteln ist problematisch. Doch das alles ertragen wir, denn wir wollen unser Recht."

Die Probleme hatten 2005 mit der Privatisierung des 1979 etablierten Staatsbetriebes begonnen. Einen Sozialplan gab es damals nicht. Zwei Jahre später entließ der neue Besitzer Tomota 400 Arbeitskräfte, weil es nicht genügend Baumwollsamen zu verarbeiten gab.

"Der Staat, dessen Aufgabe es ist, die Arbeiter zu schützen, hat versagt", kritisierte Diarra. Sein Kollege Moussa Doumbia, einer der betroffenen Arbeiter, stellte fest: "Beim Verkauf eines Betriebes ist der Käufer verpflichtet, innerhalb von 60 Tagen nach der Privatisierung einen Sozialplan aufzustellen. Wenn er es versäumt, droht ihm ein Bußgeld in Höhe von zehn Prozent der Lohnsumme Doch diese Frist ist längst verstrichen."

Moussa Koné von der lokalen Nichtregierungsorganisation Union zum Schutz entlassener Arbeitskräfte sagte IPS: "Alle privatisierten Staatsbetriebe sind pleite. Jetzt stellt sich die Frage, wie man sie retten kann."


"Privatisierte Betriebe rentabel machen"

Die sozialen Folgen der Privatisierung haben etliche zivile Organisationen auf den Plan gebracht. So organisierte das lokale Netzwerk 'Coalition des alternatives africaines - Dettes et développement' (CAD-Mali) im Juni Protestdemonstrationen gegen die von Malis Regierung eingeleitete liberale Wirtschaftspolitik.

Es gebe bislang zwar keine offizielle Bewertung der Privatisierung, doch zweifellos ziehe sie wie alle Maßnahmen zur Strukturveränderung erhebliche soziale Probleme nach sich, erklärte Issa Sacko, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität von Bamako. "Nach der Übernahme bleibt dem Käufer oft nichts anderes übrig, als einen Teil der Belegschaft zu entlassen, damit das Unternehmen rentabel bleibt", betonte er.

Anfang Juli forderte der Oppositionspolitiker Oumar Mariko den Wirtschafts- und Industrieminister Amadou Abdoulaye Diallo auf, die Privatisierung von HUICOMA rückgängig zu machen und den Betrieb wieder aus der Tomota-Gruppe herauszunehmen. "Die Regierung ist nicht in der Lage, eine nationale Wirtschaft aufzubauen, wenn sie Staatsbetriebe privatisiert und davon allein die Industrieunternehmen profitieren", begründete er seine Forderung.


Für ausländisches Kapital attraktiv werden

Nach Ansicht der Regierung haben weder die Opposition noch zivile Gruppen bislang überzeugende Beweise für ihre Kritik an der Privatisierung. "Es stimmt nicht, dass wir keine nationale Wirtschaft aufbauen. Wir wollen ausländisches Kapital in unsere Unternehmen bringen und damit die Privatwirtschaft zum Motor des Wirtschaftswachstums machen", erklärte der Wirtschaftsminister.

"Wir sind ein Rechtsstaat", fügte er hinzu. "Das Parlament hat für die Privatisierungspolitik gestimmt. Wir können privatisierte Unternehmen nicht wieder verstaatlichen. Für entsprechende Gesetzesänderungen ist die Nationalversammlung zuständig."

Einige Analysten verteidigen die Privatisierungspolitik. "Man darf das Kind nicht mit dem Bade ausschütten", meinte der Wirtschaftsprofessor Sacko. "Nicht alle Unternehmen wurden nach der Privatisierung an die Wand gefahren. Einige waren durchaus erfolgreich, wie etwa die 'Banque internationale pour le Mali' (BIM) oder Malis Telefongesellschaft SOTELMA."

Nachdem in Mali, einem der weltweit 25 ärmsten Länder, bislang gut 20 Staatsbetriebe privatisiert wurden, steht jetzt auch dem staatlichen Textil-Großunternehmen 'Compagnie malienne de développement du textile' (CDMT) eine Übernahme durch die Privatwirtschaft bevor.

Die politische Entscheidung für eine Wirtschaftsliberalisierung sei für Mali keine leichte Wahl gewesen, betonen Experten. "Die verantwortlichen Politiker mussten mit der Globalisierung der wirtschaftlichen Deregulierungspolitik rechnen", stellte Moumine Traoré von der wirtschafts- und betriebswissenschaftlichen Fakultät der Universität von Bamako im Gespräch mit IPS fest. "Wir haben erlebt, wie die Privatisierungswelle aus den USA in Europa ankam und als wirtschaftliches Allheilmittel angekündigt wurde." (Ende/IPS/mp/2010)


Links:
http://www.cadmali.org/
http://www.ipsinternational.org/fr/_note.asp?idnews=5992

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IPS-Tagesdienst vom 27. Juli 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juli 2010