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AFRIKA/726: Anmerkungen zum sambischen Haushalt 2009 (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 2, März/April 2009

Von Zahlen ist die Rede
Anmerkungen zum sambischen Haushalt 2009

Von Tina Nanyangwe Moyo


Am 30. Januar 2009 hat sambische Finanzminister den Haushalt für das Jahr 2009/10 (von April bis April) vorgelegt. Viele im Lande fragen sich besorgt, welche Auswirkungen er auf die Mehrheit der Armen im Lande und auf jene haben wird, die in die Armut abzusinken drohen. Der Haushalt kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Sambias Wirtschaft aufgrund der Turbulenzen auf dem globalen Finanzmärkten eine kritische Phase durchläuft. Um diese zu überwinden, müssten kühne und einfallsreiche Maßnahmen ergriffen werden, auch beim Staatshaushalt. Die folgende Analyse untersucht den Haushalt nach seinen Prioritäten und Maßnahmen in den Bereichen der sozialen und menschlichen Entwicklung.


Vorab ein knapper Überblick über die soziale Lage und das Ausmaß der Armut in Sambia. Eine letzte Erhebung über die Lebensbedingungen hat das Statistikamt 2006 veröffentlicht. Danach ist die Armut in den 15 Jahren von 1991 bis 2006 lediglich um sechs Prozent zurückgegangen. 73 Prozent der Menschen in Sambia leben immer noch unterhalb der von der Regierung definierten Armutsgrenze. Das ist eine erschreckend hohe Zahl, und die geringen Erfolge bei der Bekämpfung der Armut zeigen, dass gezielte Maßnahmen dringend erforderlich sind. Nach unseren Informationen haben Tiefe und Schwere der Armut zugenommen. Nach dem UNDP-Bericht zur menschlichen Entwicklung von 2008 verfügen 63,8 Prozent der Bevölkerung nicht mal über einen US-Dollar für den Tag. Laut einer Erhebung von 2004 ist die Hälfte der Bevölkerung mit nur 15 Prozent am Reichtum des Landes beteiligt, während zehn Prozent über 48 Prozent verfügen. Der erwähnte UNDP-Bericht gibt für Sambia einen Gini-Koeffizienten von 0,508 an, was auf schwerste gesellschaftliche Verwerfungen hinweist.

Welcher Mitteleinsatz ist nun von jenen Ministerien geplant, in deren Zuständigkeit unmittelbar die soziale und menschliche Entwicklung fällt. Sind die Maßnahmen geeignet und reichen sie aus, die Armut zu reduzieren, den Lebensstandard zu heben und den Alltag für die Menschen zu erleichtern?


Bildungswesen

Bildung und Ausbildung spielen eine zentrale Rolle für der menschlichen Entwicklung. Sie vermitteln die Fertigkeiten, die eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung vorantreiben und allen Bürgerinnen und Bürgern eine Chance bieten an der lokalen und nationalen Entwicklung teilzunehmen. 89 Prozent eines Jahrgangs werden eingeschult, aber nur 26 Prozent machen nach der Grundschule weiter.

Betrachtet man nun angesichts der Bedeutung dieses Sektors die finanziellen Mittel, die dem Bildungsministerium zugewiesen wurden, so lässt sich auf den ersten Blick in den letzten Jahren eine ständige Steigerung feststellen. Im Jahr 2007 betrug Anteil am Haushalt 15 Prozent, ein Jahr später 15,4 Prozent und für das laufende Jahr sind 17,2 Prozent vorgesehen.

Vergleicht man diese Zahlen jedoch mit dem Fünfjahresplan, so haben die Zahlen die Planvorgaben in keinem Jahr erfüllt. Der Plan hatte bereits für 2007 einen Anteil von 17,1 Prozent vorgesehen; ein Jahr später sollte der Anteil auf 17,8 Prozent und jetzt auf 19,5 Prozent angehoben werden. Selbst diese Zahl bleibt hinter den Verpflichtungen des Kairo-Protokolls zurück, mit dem sich die Vertragsstaaten, darunter auch Sambia, auf einen Anteil der Bildungsausgaben von 20 Prozent pro Jahr verpflichtet haben.

Der Haushalt 2009 sieht wie der des vergangenen Jahres Rücklagen für die Neuanstellung von 5.000 Lehrerinnen und Lehrern in Grund- und weiterführenden Schulen vor. Es überrascht, dass hier offensichtlich keine Anstalten getroffen wurden, die Zahl der Lehrkräfte zu erhöhen. Der Posten Sondervergütungen ist gar von 1,401 Mrd. Kwacha auf 840 Mio. Kwacha gesenkt worden. Es ist zudem wenig aufschlussreich, nur die Neuanstellungen anzugeben und nicht den Gesamtbedarf an Lehrkräften. Erst dann ließe sich sagen, ob die Neuanstellungen den Erfordernissen genügen.

Kritisch sehen muss man auch so genannte Rückstellungen bei der Lehrerbesoldung. Aus diesem Topf sollen Bonuszahlungen für Lehrkräfte gezahlt werden, die sich in unterversorgte und abgelegene Gebiete verpflichten oder dort halten lassen. Diese Rücklagen sollen voll von der Europäischen Union und der schwedischen Entwicklungsagentur IDA finanziert werden. Doch diese Agenturen sind von der gegenwärtigen Finanzkrise und dem damit verbundenen Wirtschaftsabschwung nicht unberührt geblieben. Deshalb wäre der Regierung zu empfehlen, sich Gedanken darüber zu machen, wie diese Rücklagen in ausreichendem Maße notfalls auch mit eigenen Mitteln gesichert werden können. Stattdessen sind diese Rücklagen für Schulleiter auf Provinzebene und in ländlichen Gebieten im Haushalt zurückgefahren worden, auf der Provinzebene von 733,8 Mio. Kwacha auf 440,3 Mio. Kwacha, für die ländlichen Gebiete von 3 Mrd. Kwacha auf 1,9 Mrd. Kwacha.

Der Rechenschaftsbericht über das Jahr 2007 des Fünfjahresplans berichtet über eine nur geringfügige Verbesserung im Lehrer-Schüler-Verhältnis in den Grundschulklassen, gegenüber 2006 um 1,6 auf 75 Schüler pro Lehrkraft. Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass mehr in Lehrerausbildung investiert und Bonuszahlungen erhöht werden müssen, um die Qualität der Grundschulbildung zu verbessern. Ein weiterer Faktor, der in unmittelbarem Zusammenhang mit der Lehr- und Lernmotivation von Lehrern und Schülern steht, ist Zugang und Verfügbarkeit von Lehr- und Lernmaterialien. Und gerade hier hat der Haushalt 2009 den Rotstift drastisch angesetzt. Für den Ankauf solcher Materialien für die Lehrerausbildung wurde der Etat von 10,8 Mrd. Kwacha auf 2,79 Mrd. Kwacha zurückgefahren, für weiterführende Schulen von 48,1 Mrd. Kwacha auf 12,7 Mio. Kwacha und für Grundschulen von 249,4 Mio. Kwacha auf 193,9 Mio. Kwacha. Es muss nicht betont werden, dass ohne Lernmaterialien eine qualifizierte Bildung nicht erzielt werden kann.

Zu begrüßen ist dagegen, dass für Ausbau und Ausstattung von weiterführenden Schulen der Etat um 200 Mrd. Kwacha aufgestockt wurde. Aus Erfahrung aber wissen wir, dass die bürokratischen Wege für Ausschreibungen, Vergaben und Durchführungen umständlich und lang sind.


Gesundheitswesen

Die Ausgaben für das Gesundheitswesen sollen von 11,4 Prozent auf 13 Prozent steigen. Das liegt in etwa auf der Linie des Fünfjahresplans, der 13,2 Prozent für 2009 veranschlagt hat. Aber ähnlich wie beim Bildungswesen bleibt auch im Gesundheitswesen die Finanzierung hinter den Zusagen der Abuja-Deklaration zurück, in der sich die Vertragsstaaten auf einen Anteil von 15 Prozent am Gesamthaushalt verständigt hatten. Da stellt sich die Frage, ob unsere Delegierten auf solchen Konferenzen sich nicht trauen, solche Vorgaben abzulehnen, oder ob in unserem Lande die Prioritäten nicht so gesetzt werden, dass den Verpflichtungen nachgekommen werden kann.

Um den Personalstand zu halten, waren im Haushalt 2008 62,6 Mrd. Kwacha eingestellt. Das reichte nicht. Deshalb mussten im Nachtragshaushalt noch einmal 50 Mrd. Kwacha gebilligt werden, also insgesamt ein Volumen von 112,6 Mrd. Kwacha. Da wundert es schon, dass für 2009 lediglich 58 Mio. Kwacha eingestellt wurden, um das Personal bei Stange zu halten.

Merkwürdig ist auch die kräftige Erhöhung bei den Ausgaben für Spezialbehandlungen im Ausland. 2008 betrugen hier die Ausgaben 6,2 Mrd. Kwacha; für 2009 sind 8,4 Mrd. Kwacha vorgesehen. Für Spezialbehandlungen im Lande selbst ist dagegen nur eine geringfügige Steigerung von 1,2 Mrd. auf 1,26 Mrd. Kwacha vorgesehen. Da fragt man sich schon, wer zieht daraus in erster Linie Nutzen. Von den 73 Prozent Armen im Lande wohl kaum jemand. Auch für Medikamente und medizinische Ausrüstung ist 2009 mit 50,7 Mrd. Kwacha deutlich weniger vorgesehen als 2008 mit 67 Mrd. Kwacha.

Wie die Daten zu Bildung und Gesundheit zeigen, liegt die Schwäche des Haushalts 2009 in der Mittelbereitstellung für den sozialen Sektor; für eine ernsthafte Bekämpfung der Armut reichen sie nicht. Das gilt auch für andere Bereiche, die damit in enger Beziehung stehen, wie Wasserversorgung und Förderung der Landwirtschaft.

Schwerer aber wiegt - und darauf weisen viele Experten immer wieder hin - die Korruption. Viele der im Haushalt eingestellten Mittel verschwinden im Laufe ihrer Verwendung in private Taschen. Hier ist die Regierung gefordert, Verantwortung zu zeigen und Transparenz zu schaffen.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
38. Jahrgang, Nr. 2, März/April 2009, S. 24 - 25
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2009