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AFRIKA/1420: Namibia - Geingob für 2018 gestärkt (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 1, Januar/Februar 2018

Geingob für 2018 gestärkt

von Henning Melber


Das Jahr 2017 war für Namibia durchwachsen. Dennoch konnte Präsident Hage Geingob gestärkt ins neue Jahr wechseln. Trotz massiver Konkurrenz wurde seine Führungsrolle durch den Swapo-Parteikongress konsolidiert.


Die gute Nachricht zuerst: Die gravierende Dürre 2015/16 wurde dank einer ergiebigen Regenzeit beendet, so dass sich die arg gebeutelte Landwirtschaft Namibias etwas erholen und ein Wachstum verzeichnen konnte. Da noch immer ein Großteil der Bevölkerung direkt oder indirekt existenziell von dem kommerziellen wie auch kommunalen Agrarsektor betroffen ist, brachte dies für viele Menschen eine leichte Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. Allerdings blieb die erhoffte gesamtwirtschaftliche Gesundung deutlich hinter den Erwartungen zurück.

Die vollmundigen Prognosen von Regierungspolitikern erwiesen sich als unbegründete Wunschvorstellungen. Nicht zuletzt Präsident Hage Geingob weckte mehrfach Hoffnungen ohne Realitätsbezug. Aber auch der meist pragmatische Finanzminister Calle Schlettwein übte sich in Zweckoptimismus. Dabei verharrte die Wirtschaft schon im zweiten Jahr in einer Rezession und die Staatsverschuldung stieg weiter. Auch die ohnehin bereits hohe Arbeitslosigkeit wuchs.


Ernüchternde Bilanz

Die seit der Amtsübernahme von Präsident Geingob gebetsmühlenartig wiederholten Versprechungen auf Abschaffung der Armut und Wohlstand für Alle kontrastieren weiterhin mit den ernüchternden Wirklichkeiten. Namibia hat als Land mit höherem mittleren Durchschnittseinkommen einen der höchsten Diskrepanzen in der armutsbezogenen Skala menschlicher Entwicklung und rangiert weiterhin unter den Staaten mit den weltweit größten Einkommensunterschieden.

Dass die beiden einflussreichsten globalen finanziellen Kreditratingagenturen Moody's und Fitch im Laufe der zweiten Jahreshälfte die Kreditwürdigkeit des Landes auf Ramschniveau herabstuften, konnte kaum verwundern. Damit war die Zeit beendet, während der sich Namibia damit brüsten konnte, als einziges Land des Kontinents kreditwürdig zu sein und damit potenzielle ausländische Investoren zu beeindrucken. Dass die Herabstufung als ungerecht zurückgewiesen wurde, trug sicher nicht zum guten Eindruck bei. Hinzu kam schließlich Anfang Dezember die unerfreuliche Nachricht, dass Namibia als eines von 17 Ländern durch die EU auf einen Index gesetzt wurde, der Steueroasen identifiziert. Ursache dafür war anscheinend nur ein Missverständnis, das dazu führte, dass eine klärende Stellungnahme des Landes nicht rechtzeitig in Brüssel eingegangen war. Den weiteren Imageschaden mochte das aber nicht mehr verhindern.

Hinzu kamen negative Schlagzeilen in außenpolitischer Hinsicht. Aufregung verursachten Anschuldigungen US-amerikanischer Medien, dass trotz der vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossenen Sanktionen nordkoreanische Firmen weiterhin mit Bauaufträgen im Lande bedacht und entsprechend präsent seien. Zwar wurde dieser Verdacht vom Außenministerium entschieden dementiert (bei gleichzeitiger Betonung, dass die Regierung weiterhin freundschaftliche Beziehungen zu Nordkorea unterhält), konnte aber nicht zweifelsfrei ausgeräumt werden. Zu guter Letzt erwies sich das Abstimmungsverhalten Namibias in der Generalversammlung der Vereinten Nationen als höchst ambivalent. Während die Solidarität mit Palästina und der Westsahara zu den Eckpfeilern einer offiziellen Politik internationaler Solidarität gehört und auch trotz Drohungen der USA mit der Abstimmung zur Bekräftigung des internationalen Status Jerusalems bestätigt wurde, enthielt sich Namibia bei der Verurteilung des Regimes in Myanmar hinsichtlich der ethnischen Säuberungen der Rohingya seiner Stimme.


Der Swapo-Parteitag

So hätte das Jahr in der Gesamtbilanz kaum auf der Positivseite verbucht werden können, wäre da nicht aus Sicht der Regierung Geingob eine zur rechten Zeit kommende Klärung an der Spitze der Swapo mit dem Ergebnis des alle fünf Jahre stattfindenden Parteikongresses erfolgt. Dem im November stattgefundenden Kongress mit fast 800 in den Regionen und Parteiorganisationen gewählten Delegierten kam eine besondere Bedeutung zu. Nicht nur werden dort die Parteiführung (Präsident und Generalsekretär sowie deren Stellvertreter) und die Mitglieder des Zentralkomitees gewählt. Auch ist er damit weichenstellend für die Nominierung des Parteikandidaten für die nächsten nationalen Präsidentschaftswahlen, die parallel zu denen der Nationalversammlung abgehalten werden (zum nächsten Mal im November 2019).

Geingob war zum Zeitpunkt seiner Wahl im November 2014 als nächstes Staatsoberhaupt für die fünfjährige Legislaturperiode von März 2015 bis 2020 der Vizepräsident der Partei. Er löste Hifikepunye Pohamba ab, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr wiedergewählt werden konnte. Unmittelbar danach legte Pohamba dann überraschend auch sein Amt als Parteipräsident nieder, das vom Politbüro an Geingob übertragen wurde. Doch sehen die Parteistatuten der Swapo einen solchen Transfer gar nicht vor. Nach diesen muss der Präsident vom Kongress gewählt werden. Es hätte also eines außerordentlichen Parteikongresses bedurft, der aber nicht abgehalten wurde. Stattdessen nahm Geingob gleich drei Funktionen wahr: Staatspräsident, Parteipräsident und Vizepräsident.

Der Widerspruch in den eigenen Reihen blieb nicht aus, zumal sich Geingob bei seiner Wahl zum Partei-Vizepräsidenten 2012 (und damit als Kandidat zur Nachfolge Pohambas bei den nationalen Wahlen im November 2014) gegen Konkurrenz durchsetzen musste. Zwar konnte er den Machtkampf deutlich für sich und die meisten seiner als "Team Hage" firmierenden Gefolgsleute bei der Wahl in die anderen führenden Ämter entscheiden. Doch es wurde deutlich, dass die Einheit in der Partei gegenüber früheren Machtkämpfen keinesfalls wiederhergestellt war. Geingob versuchte mittels Kooptierung seiner Konkurrenten als Kabinettsmitglieder deren Loyalität zu sichern und damit den Schaden zu begrenzen. Als offizieller Parteipräsident wäre ihm die Bestätigung im Amt beim nächsten Parteikongress nahezu sicher gewesen, da sich bislang kein Swapo-Präsident, der noch eine Wahlzeit als Staatsoberhaupt absolvieren könnte, einer Wiederwahl mit Gegenkandidaten zu stellen hatte.

Team Hage (allen voran der Swapo-Generalsekretär Nagolo Mbumba) reklamierten deshalb auch, dass Geingob von Pohamba das Amt übernommen habe und dieses nicht nur kommissarisch wahrnehme. Dies führte im Vorfeld des Parteikongresses zu eskalierenden Konflikten und der Formierung zweier Gegengruppierungen, die von den Verlierern der letzten Wahlen auf dem Parteikongress 2012 geführt wurden. Sie warfen Team Hage Verletzungen der Parteistatuten vor und reklamierten für sich, die Swapo auf den eigentlichen Kurs zurückführen zu wollen. Geingob wurde als Blender porträtiert, der nur an der eigenen Macht, aber nicht dem Wohlergehen der Partei interessiert sei. Doch das Argumentationsniveau der parteiinternen Opposition ließ kaum ein darüber hinaus gehendes inhaltliches Programm erkennen. Deren Protagonisten - zu denen neben den Rivalen des letzten Parteikongresses auch der aus dem Ruhestand zurückgekehrte frühere Premierminister Nahas Angula gehörte - hatten sich zudem als langjährige Partei- und Regierungskader keinesfalls besonders hervorgetan und als ernsthafte Alternativen pr ofiliert.


Team Hage sezt sich durch

Demgegenüber legte Geingob ein umfassendes Programm vor. Dass dieses wie seine vorherige populistische Rhetorik teilweise mehr Schein als Sein beinhaltete, änderte nichts daran, dass die gesellschaftspolitischen Aussagen deutlich konkreter blieben als die seiner Herausforderer. So gab es im Vorfeld des Kongresses so gut wie keine richtungsweisenden inhaltlich-konstruktiven Diskussionen. Stattdessen bewegten sich die Auseinandersetzungen auf dem Niveau rufschädigender Schlammschlachten, die in wechselseitigen Vorwürfen von Tribalismus gipfelten. Von Einheit in der Vielfalt ("Unity in Diversity") als einem Kernslogan früherer Zeiten konnte keine Rede sein. Auch die teilweise vor Gericht endenden Streitereien über die Wahl der Delegierten in den Regionalbezirken zeugten von einer innerparteilichen Konfrontation, die wenig von gemeinsamer Grundlage spüren ließ.

Während einige der Beobachter ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Team Hage und den beiden Gegenfraktionen erwarteten, die sich in der Endphase zu einem gemeinsamen Wahlkampf als Team Swapo zusammenfanden, fiel das Ergebnis des Kongresses unerwartet deutlich aus: Alle führenden Parteiämter wurden jeweils im ersten Wahlgang mit überwältigender Mehrheit an das Team Hage vergeben. Dessen Gefolgsleute wurden fast alle in das 84-köpfige Zentralkomitee der Partei gewählt, wohingegen seine Opponenten nicht einmal den Sprung dorthin schafften und damit eine deutliche Abfuhr erhielten. Die als Reaktion auf das Ergebnis erwartete Kabinettsumbildung, verbunden mit der Frage, was den Abtrünnigen widerfährt, fand allerdings vor dem Jahreswechsel nicht mehr statt.

So hat Geingob allen Grund, 2017 im persönlichen Rückblick nicht ganz so schlecht zu bewerten wie vermutlich ein Großteil der Bevölkerung. Für den Rest seiner ersten Amtszeit als Staatsoberhaupt wird er daran gemessen werden, was er nach der Konsolidierung seiner Position in der Partei nun in punkto guter Regierungsführung leisten kann. Eine strategische Rücksichtnahme auf parteiinterne Opposition kann er nicht mehr als Entschuldigung geltend machen, wenn die Pfründewirtschaft einer Selbstbedienungsmentalität weiter gedeiht. Ausreden gibt es keine mehr. Jetzt muss er zeigen, was von den Versprechungen ernst gemeint war, und seinen Worten Taten folgen lassen.


Der Autor ist seit 1974 Mitglied der Swapo und u.a. Extraordinary Professor an den Universitäten in Pretoria und des Freistaats in Bloemfontein.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
46. Jahrgang, Nr. 1, Januar/Februar 2018, S. 21-22
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2018

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