Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

AFRIKA/1284: Uganda - Erste Wanderausstellung über die Konflikte seit der Unabhängigkeit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Juni 2014

Uganda: Erste Wanderausstellung über die Konflikte seit der Unabhängigkeit

von Amy Fallon



Kampala, 19. Juni (IPS) - Der verstorbene malische Schriftsteller und Ethnologe Amadou Hampâté Bâ hat einmal gesagt: "Wenn in Afrika ein alter Mensch stirbt, geht eine ganze Bibliothek in Flammen auf." Denn so groß ist der Verlust der mündlich überlieferten Geschichten und Informationen.

Das Zitat trifft auch für die ethnische Gruppe der Acholi zu, Opfer des Krieges im Norden Ugandas. "In unserer Kultur glaubt man, dass ein Grab dazu da ist, den Verlust eines Menschen zu bezeugen. Nun müssen wir hinter die Gräber blicken", meint der Acholi-Chief Rwoth Achoro.

Genau das tut seit neun Monaten das Projekt für Flüchtlingsrecht (RLP) der ugandischen Makerere-Universität. Eine Wanderausstellung durchreiste alle Gebiete, in denen es seit der Unabhängigkeit 1962 zu Kriegen und Konflikten gekommen ist und sammelte Objekte, Informationen und Erfahrungen von Menschen, die dabei waren und noch immer von den Erinnerungen an die damalige Zeit heimgesucht werden. 44 unterschiedliche bewaffnete Gruppierungen wurden registriert.

Die Wanderausstellung nennt sich 'Reisende Zeitzeugen' ('Travelling Testimonies'). Sie hat bereits Kitgum, Kasese, Arua, West Nile und Luwero durchlaufen und Zeugenaussagen von Kriegsveteranen, ehemaligen Kämpfern und Zivilisten aufgenommen. Auch Gegenstände, die mit dem Konflikt in Verbindung stehen, wurden zusammengetragen.


Symbolkraft

Unter diesen Dingen befindet sich auch eine Decke, die eine Frau in Erinnerung an ihren verschleppten Sohn aufbewahrt hatte. "Die Übergabe der Decke war ein symbolischer Akt zum Gedenken des eigenen Kindes und aller anderen Opfer", meint die Anthropologin und Kuratorin der Ausstellung, Kara Blackmore.

Zu den Ausstellungsgegenständen gehören Dinge wie ein Sack des Welternährungsprogramms für ein Flüchtlingslager, das Stück einer Propellergranate und eine Schale, die während einer Versöhnungsszeremonie verwendet wurde. So unspektakulär die Erinnerungsstücke auch sein mögen - für die Menschen selbst sind sie von einem hohen persönlichen Wert.

"Auf den Wanderausstellungen kommt jeder zu Wort - vom Waffenhändler bis zum Überlebenden einer Landminenexplosion oder einer Witwe", meinte Blackmore kürzlich während einer Ausstellung in Luwero.

Eine Umfrage im Jahr 2007, die in den kriegsbetroffenen Gebieten durchgeführt worden war, brachte Erstaunliches zutage. So sprachen sich 95 Prozent der Befragten dafür aus, eine Möglichkeit zu schaffen, um den Konflikten zu gedenken.

Das RLP baut derzeit an einer Nationalen Gedächtnis- und Friedensdokumentationsstätte (NMPDC) in Kitgum. Man werde eine "aggressive" Fundraising-Kampagne starten, um die erforderlichen Gelder für die Fertigstellung der Gedenkstätte zusammen zu bringen.

'Travelling Testimonies' ist die erste Wanderausstellung im Lande und die erste, die auf sämtliche Konflikte des ostafrikanischen Landes eingeht. Die Menschen seien sehr kooperativ und es reiche aus, ihnen zu sagen, worum es gehe, um sie zum Mitmachen zu gewinnen.


Vermächtnis für die Jugend

Die meisten Menschen sprechen bereitwillig über die Kriegserfahrungen, manche reagieren sehr emotional. "Es gibt Menschen, die werden traurig. Dennoch hat man das Gefühl, dass es allen gleichermaßen darum geht, die Erinnerung an diese Zeit dem kollektiven Gedächtnis zuzuführen", sagt Blackmore. "Vor allem junge Leute sollen mit dieser Konflikterfahrung vertraut gemacht werden."

Bis Ende Juli wird die Ausstellung in der Kunsthalle der Makarere-Universität in Kampala gezeigt. Dann geht sie zum NMPDC zurück. Doch zu sehen wird sie auch in den entlegenen Gebieten sein. Denn das RLP hat für diese Regionen ein Digitalarchiv mit Fotos der Zeugen und den bereitgestellten Objekten zusammengestellt. "Das schafft", so Blackmore, "innerhalb der kleinen Gemeinden ein Gefühl von Ownership an der eigenen Geschichte". (Ende/IPS/kb/2014)


Links:

http://www.ipsnews.net/2014/06/travelling-testimonies-ugandas-first-mobile-exhibition-to-document-conflicts-other-than-the-lra-war/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 19. Juni 2014
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juni 2014