Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

AFRIKA/1231: Malis Wähler wollen Frieden (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 34 vom 23. August 2013
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Malis Wähler wollen Frieden
Trotz profitabler Goldvorkommen leben Millionen in Armut, fehlen Trinkwasser und Straßen

von Pierre Poulain



Der von Krisen, Krieg und Abspaltung erschütterte westafrikanische Staat Mali hat einen neuen Präsidenten. Wie erwartet, siegte in der Stichwahl am 11. August der 68-jährige Ibrahim Boubacas Keïta, Chef der Partei "Rassemblement pour la Mali" (RPM - "Sammlung für Mali"), die Mitglied der "Sozialistischen Internationale" ist. Überraschend war nur die Höhe seines Stimmenanteils von 77,61 Prozent, nachdem er im ersten Wahlgang am 28. Juli zwar den ersten Platz unter den 28 Kandidaten, aber nur 22,39 Prozent erreicht hatte. Die Wahlbeteiligung lag bei 45,8 Prozent, was für Mali im Verhältnis zu früheren Wahlen ein überdurchschnittlicher Wert ist. Entgegen den vor der Wahl verbreiteten Vorwürfen massiver Wahlfälschung hat der unterlegene "liberale" Gegenkandidat Cissé, der nur auf 22,39 Prozent kam, schon vor Bekanntgabe des offiziellen Ergebnisses seine Niederlage anerkannt und damit eine akute innenpolitische Krise vermieden.

Die in der globalisierungskritischen Bewegung engagierte ehemalige Kulturministerin Aminata Traoré, die mit ihrem "Forum für ein anderes Mali" 2006 maßgeblich zum Stattfinden des 3. Weltsozialforums in Bamako beigetragen hatte, bewertete den Wahlsieg Keïtas als ein Zeichen, dass die Wähler dadurch ihre Hoffnung auf Veränderung und Frieden ausdrücken wollten. Keïtas Rivale Cissé, früherer Finanzminister und Chef der "Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion" sei von den Wählern nämlich als "Verkörperung der Finanzwelt" wahrgenommen und deshalb abgelehnt worden. Paradoxerweise habe sich dieser Wunsch nach Veränderung aber nun in der Wahl eines "alten Häuptlings der politischen Szene Malis" kristallisiert, hieß es in einem Korrespondentenbericht nach der Wahl. In der Tat ist Keïta ein alter Routinier. Unter dem früheren Staatspräsidenten Konaré war er 1993 Außenminister und von 1994-2000 Premierminister gewesen. Damals machte er sich einen Namen als Mann mit "Durchgriff", als er aufkommende soziale Bewegungen und Studentenproteste mit harter Hand unterdrücken ließ. Bei den Präsidentenwahlen 2002 und 2007 unterlag er dann allerdings zweimal. Doch er blieb als Parlamentspräsident im politischen Spiel, bis er 2012/13 erneut versuchen konnte, die Staatsspitze zu erobern. Seine Kennzeichnung als Sozialdemokrat hinderte ihn nicht, sich als bekennender Moslem zu präsentieren, eine Pilgerreise nach Mekka zu unternehmen und beste Beziehungen zur hohen islamischen Geistlichkeit zu unterhalten, die ihn dann auch kräftig unterstützte. Auch mit dem Teil des Militärs, das 2012 den amtierenden Staatspräsidenten Amadou Touré wegen Unfähigkeit stürzte, unterhielt er gute Beziehungen. Als neuer Staatschef steht Keïta nun allerdings vor enormen Problemen. Laut dem mit den Tuareg-Rebellen der MLNA unterzeichneten Abkommen müssen innerhalb von 60 Tagen Verhandlungen zur Lösung des Konflikts begonnen werden, der mit der Ausrufung einer unabhängigen Republik Azawad im Norden Malis entstanden ist. Keïta hat sich im Wahlkampf als ziemlich strammer Nationalist und Verteidiger der nationalen Einheit des Landes präsentiert. Die Aufständischen verlangen jedoch das Selbstbestimmungsrecht und mindestens eine weitgehende Autonomie in einem neuen Bundesstaat.

Nicht weniger problematisch ist die miserable wirtschaftlich-soziale Situation. Obwohl Mali in den westlichen Hauptstädten lange Zeit als Musterland neoliberaler Wirtschaftspolitik gepriesen wurde, gehört es heute zu den ärmsten Staaten Afrikas. Zehntausende junge Menschen finden keine Jobs. Trotz profitabler Goldvorkommen und anderer Naturreichtümer leben Millionen in Armut, fehlen Trinkwasser und Straßen, wird die Umwelt durch giftige Quecksilber- und Zyankali-Abfälle zerstört. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat zwar einen Kredit von 50 Millionen Euro zugesagt, aber das Geld gibt es natürlich nicht ohne Auflagen.

Es ist kaum anzunehmen, dass die neue Staatsspitze ernsthaft etwas gegen die Ausplünderung des Landes durch ausländische Multis, die neoliberalen Auflagen des IWF und die massive Einflussnahme Frankreichs unternehmen wird.

*

Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 45. Jahrgang, Nr. 34 vom 23. August 2013, Seite 7
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
Anschrift von Verlag und Redaktion:
Hoffnungstraße 18, 45127 Essen
Telefon 0201 / 22 54 47
E-Mail: redaktion@unsere-zeit.de
Internet: www.unsere-zeit.de
 
Die UZ erscheint wöchentlich.
Einzelausgabe: 2,80 Euro
Jahresbezugspreise:
Inland: 126,- Euro, Ausland: 130,-
Ermäßigtes Abo: 72,- Euro
Förder-Abonnement: ab 150 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. September 2013