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AFRIKA/1189: Sudan - Rebellen auf dem Kriegspfad, gesamtsudanesische Lösung gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Mai 2013

Sudan: Rebellen auf dem Kriegspfad - Gesamtsudanesische Lösung gefordert

von William Lloyd-George


Bild: © Jared Ferrie/IPS

SPLM-N-Rebellen reinigen Waffen, die sie angeblich aus Beständen der Regierung haben
Bild: © Jared Ferrie/IPS

Addis Abeba, 6. Mai (IPS) - Im Sudan hat eine Allianz aus Rebellengruppen keine Woche nach einem Angriff auf die Armee im Bundesstaat Nord-Kordofan der Regierung in Khartoum den Krieg erklärt.

"Im neuen Süden des Sudans ist ein voll ausgebrochener Krieg im Gang", sagte Yasir Arman, der Führer einer der bewaffneten Bündnisgruppen im Gespräch mit IPS, und fügte hinzu, dass die Rebellen bereits einen südlichen Teil des Landes in ihren Besitz gebracht hätten.

Zuvor hatten sich die Rebellenaktivitäten auf den südlichen und östlichen Teil des Sudans beschränkt. Doch am 27. April führte die Sudanesische Befreiungsfront (SRF) eine Offensive im zentralsudanesischen Nord-Kordofan in nur 482 Kilometer Nähe zur Hauptstadt Khartoum durch.


"Unter einem Kommando"

"Wir kämpfen nun unter einem Kommando und einer gemeinsamen Führung", betonte Arman, der Generalsekretär der Sudanesischen Volksbefreiungsfront-Nord (SPLM-N), im IPS-Interview in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba.

Die SRF besteht aus Rebellengruppen aus der westsudanesischen Region Darfur wie der Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit (JEM) und den beiden Fraktionen der Sudanesischen Befreiungsbewegung. Die SPLM-N, die ebenfalls Teil der SRF ist, hat ihre Wurzeln in den Bundesstaaten Süd-Kordofan and Blauer Nil im Süden des Sudans.

Lange Zeit hatten die Gruppen relativ unabhängig voneinander gekämpft. Größtes Hindernis bei der Bildung des Bündnisses war die Forderung der Darfur-Rebellen nach einem islamischen Staat. Als die SPLM-N der JEM aber dann die Bildung eines säkularen Staates im Falle eines Sturzes des sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir anbot, wurde die Allianz im November 2011 gebildet. Seither gewinnt das Bündnis immer mehr an Stärke.

Der SRF geht es vor allem um eine neue Übergangsregierung der nationalen Einheit, ein Ende der Marginalisierung der Randgebiete und die Bildung eines dezentralisierten föderalen Systems auf der Grundlage einer säkularen Verfassung. Zudem betont das Bündnis die Notwendigkeit nach Landrechten und die Unterstützung der Hirten.

Am 5. Januar unterzeichnete die SRF mit Oppositionsparteien und zivilgesellschaftlichen Gruppen ein Abkommen in der ugandischen Hauptstadt Kampala, in dem sie einen inklusiven Übergang fordern.

"Wir glauben, dass die internationale Gemeinschaft Mechanismen unterstützen sollte, die zu einem Ende der Kriege im Sudan führen können. Kein Stückwerk. Wenn die Nationale Kongresspartei (die sudanesische Regierungspartei) weiter macht wie bisher, wird es nie stabile Verhältnisse geben. Stabilität lässt sich nur mit einem Fahrplan erreichen, der die größten Probleme im Sudan angeht", sagte Arman.

Bild: © William Lloyd-George/IPS

Yasir Arman, Generalsekretär der SPLM-N-Rebellen, die sich mit anderen Gruppierungen im Sudan zusammengeschlossen haben
Bild: © William Lloyd-George/IPS

Nach der Sezession des Südsudans im Juli 2011 blieb Süd-Kordofan Teil des Sudans. Allerdings wurde ein Abkommen geschlossen, das den Bewohnern in Aussicht stellt, über ihr Schicksal selbst zu entscheiden.

Im Juli 2011 griff die SPLM-N zu den Waffen. Den Vorstoß begründete die Organisation damit, dass es bei der Wahl des Gouverneurs und des Parlaments von Süd-Kordofan im Mai 2011 zu Wahlbetrug gekommen sei. Ziel der Wahlfälschung sei es gewesen, den von der sudanesischen Regierung handverlesenen Kandidaten Ahmed Haroun zum Gouverneur des Bundesstaates zu machen.

Zum Zeitpunkt des Interviews mit IPS hatten sich Arman und SPLM-N-Unterhändler in Addis Abeba zu Gesprächen zwischen der Rebellengruppe und der sudanesischen Regierung getroffen. Doch die Verhandlungen endeten in der Sackgasse. Arman zufolge ist Khartoum nicht an einer umfassenden Lösung der Konflikte interessiert, sondern versucht die verschiedenen Gruppen in das politische System des Staates einzubinden. Doch das System werde von den Rebellenorganisationen abgelehnt.

"Sie verfügen über keinen strategischen Friedensplan", sagte der Rebellenführer. "Sie bieten uns lediglich Arbeitsplätze an und die Zusammenarbeit unter der derzeitigen Verfassung. Doch damit sind wir nicht einverstanden. Wir wollen keine Jobs sondern einen inklusiven Übergang, der alle gesellschaftlichen Akteure einbindet."


Rebellenallianz als Chance

Wie aus einem im Februar veröffentlichten Bericht des internationalen Konfliktforschungsinstituts 'International Crisis Group' (ICG) hervorgeht, "konfrontiert die Gründung der SRF die internatonalen Akteure mit ihrer Unfähigkeit (oder ihrem Unwillen), die sudanesischen Krisen als Ganzes anzugehen".

Die meisten Diplomaten verfolgten auch weiterhin politische Teillösungen. Doch solche schnellen Reparaturversuche seien zum Scheitern verurteilt und würden nur den Ruf nach Selbstbestimmung lauter werden lassen, warnte die ICG. Dem Bericht zufolge bietet die SRF die große Chance, die lokalen Verhandlungen auf die nationale Ebene zu ziehen und dadurch die Ursachen der sudanesischen Konflikte anzugehen.

Das größte Friedenshindernis stellt nach Ansicht von Arman der fehlende Wille der sudanesischen Regierung dar, sich mit allen Rebellenverbänden und den Ursachen der Konflikte auseinanderzusetzen. Solange keine Seite nachgebe und kein Kompromiss gefunden werde, würden die Kämpfe zwischen beiden Seiten weitergehen.

Arman zufolge befinden sich die SRF-Truppen immer noch in Nord-Kordofan und bereiten sich für weitere Angriffe vor. "Ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Truppen in den kommenden zwei Wochen noch mehr Land gewinnen werden", erklärte er. Während die sudanesische Regierung ihre Truppen aus allen Teilen des Landes zusammenziehe, treffe auch die SRF Vorkehrungen. "Khartoum sollte klar sein, dass die SRF die neue Kraft ist, mit der sie es zu tun bekommt."

Nach Ansicht von James Copnall, Sudan-Experte und Autor des Buches 'A Poisonous Thorn in Our Hearts: Sudan and South Sudan's Bitter and Incomplete Divorce' (Der giftige Stachel in unseren Herzen: die schmerzhafte und unvollständige Scheidung des Sudans und des Südsudans') ist der jüngste Kriegsschauplatz vor allem deshalb so bedeutungsvoll, weil er auf der Straße zwischen Al Obaid, der Hauptstadt von Nord-Kordofan, und der sudanesischen Hauptstadt Khartoum lag.


Machtdemonstration

"Es sieht ganz danach aus, als wurde er ausgewählt, um Khartoum die Stärke der Rebellen vor Augen zu führen", sagte Copnall gegenüber IPS. "Das ist die Art von Angriff, die vielen Menschen zeigen soll, dass sich der Krieg nicht länger auf die Peripherien beschränkt."

Der SRF gehe es darum, den Krieg auszuweiten. Das sei auch der Grund für den Angriff in Nord-Kordofan gewesen, meinte der Experte. Die wichtigste Frage sei jedoch nun, ob die Rebellenallianz in der Lage sein werde, an mehreren Kriegsschauplätzen gleichzeitig zu kämpfen. Das gelte aber auch für die sudanesischen Streitkräfte.

Ähnlich denkt Jonah Leff vom Kleinwaffenforschungsinstitut 'Small Arms Survey'. "Ich habe keinen Zweifel daran, dass die SRF über die Kapazitäten verfügt, bis nach Khartoum zu marschieren", meint er. "Doch glaube ich nicht, dass sie stark genug sind, gegenüber dem vergleichsweise starken Sicherheitsapparat zu bestehen."

Angesichts der neuen Kriegsfront in Nord-Kordofan warnen Hilfsorganisationen davor, dass die lokale Zivilgesellschaft nun die Leidtragende der zu erwartenden militärischen Gegenmaßnahmen der Regierungstruppen sein wird. (Ende/IPS/kb/2013)


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/05/sudanese-rebels-prepare-for-war/

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IPS-Tagesdienst vom 6. Mai 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2013