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AFRIKA/1097: Wider den kleptokratischen Kapitalismus (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 6, November/Dezember 2011

Wider den kleptokratischen Kapitalismus

von Yash Tandon


Afrika ist immer noch ein Kontinent, der auf das Mitleid einer selbstbezogenen internationalen Herrschaftsklasse angewiesen ist, deren Interesse in erster Linie der Profitmaximierung ungeachtet der Allgemeinkosten und der eigenen Positionssicherung gilt. Dabei steht der Kontinent vor gewaltigen Herausforderungen: Klimawandel und Aufbau einer nachhaltigen "grünen Ökonomie". Diese Herausforderungen können nur gemeistert werden, wenn Afrika sich auf seine eigenen Stärken besinnt und der Versuchung widersteht, sich auf externe "Experten" zu verlassen.


Eine der spannendsten Fragen unserer Zeit lautet: Wie können Wachstum und Entwicklung in Afrika verstetigt und gleichzeitig die Umwelt bewahrt werden und das Wachstum einer breiten Bevölkerung und nicht nur einer kleinen Minderheit zugute kommen? Ich möchte hier auf zwei Punkte aufmerksam machen. Der erste ist: Das bisherige Modell für Entwicklung und Wachstum in Afrika weist schwere Mängel auf. Es hat in den letzten 40 bis 50 Jahren nicht dazu geführt, dass sich der Lebensstandard für mehr Menschen verbessert hat. Der zweite Punkt ist eine Warnung an die afrikanischen Staaten und die Afrikanische Union, politische Aufgaben Experten jenseits von Afrika zu überantworten.

In einer Studie der Wirtschaftskommission für Afrika der Vereinten Nationen UNECA (Governing development in Africa) heißt es: Trotz hohem Wachstum in Afrika hat es weder eine Ausweitung der Arbeitsplätze noch eine Verbesserung des Lebensstandards für den Normalbürger gegeben. Die Studie führt als Hauptgrund die Exportabhängigkeit Afrikas ins Feld. Dem ist zuzustimmen, doch meines Erachtens liegt die Hauptursache im globalen System von Produktion und Austausch, in das Afrika eingebunden ist.

Dieses globale System ist gekennzeichnet durch Kleptokratie, primitive (primäre) Akkumulation und Enteignung. Wirtschaftswissenschaftler nennen das "Rendite-Orientierung" und rechtfertigen diese damit, dass ein Überschuss aus ländlichen und agrarischen Bereichen Wachstum und Industrialisierung in Afrika ankurbeln müsse - wie es im Norden geschehen sei. Historisch trifft das zu.

Doch dieses Modell aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert lässt sich nicht auf Afrika von heute übertragen. Wir leben in einer anderen Welt, einer Welt des kleptokratischen Kapitalismus. Manche linke Intellektuelle nennen es finanzialized capitalism - ein System, in dem der Kapitalmarkt die Produktionsebene auf einen hinteren Platz verdrängt hat. Doch mit diesem Begriff wird nur ein einzelnes dominantes Merkmal hervorgehoben. In polit-ökonomischen Begriffen ist der kleptokratische Kapitalismus ein System von Produktion und Austausch, die Schaffung eines virtuellen Reichtums ohne Entsprechung in der realen Produktion und eine politische Steuerung, über die "Beutemacher und Tagediebe" die Kontrolle haben. Es ist die Orientierung auf Rendite seitens der reichen Staaten und in den einzelnen Nationen der reichen wirtschaftlichen und politischen Eliten. Das schafft auf der anderen Seite Enteignung und Machtlosigkeit der breiten Massen.

Das ist letztlich die Wurzel der Aufstände in Tunesien und anderen nordafrikanischen und vorderasiatischen Ländern, eine Welle, die wie ein Tsunami auch andere afrikanische Länder erreichen wird - wenn nicht heute, so dann morgen oder übermorgen. Das ist einfach eine Eigendynamik des kleptokratischen Kapitalismus.

Auf globaler Ebene kennen wir das Ponzi-System. Er steht nicht allein. Das Bankensystem ist im Grunde nichts anderes mehr als ein Ponzi-System, das wie ein von der Justiz als kriminell eingestufter Kettenbrief funktioniert - die Neukunden zahlen die Gewinne der Vorderen. Bis das System dann zusammenbricht. Was gerade im Währungsgebiet des Euro geschieht, liefert ein treffendes Beispiel.

Globalisiertes Kapital (die so genannten ausländischen Direktinvestitionen, FDI) geht mit seinen verschiedenen Erscheinungsformen (Banken, Versicherungen, Spekulanten, Großhandel und Handelsketten) Hand in Hand mit den örtlichen Wirtschafts- und Machteliten in den "Empfänger"-Ländern, und ihr Gott heißt "Akkumulation, Akkumulation, Akkumulation". Selbst China und Indien sind davon angesteckt - die Vertreibung von Menschen von ihrem Land dort sind erschütternde Beispiele. Die Macht dieses globalen Finanzmarktes wird ausgeübt in den Chefetagen einiger Dutzend so genannter big players - darunter JPMorgan Chase, Citygroup, Bank of America, Morgan Stanley, Goldman Sachs und Merrill Lynch. Sie operieren in einem unregulierten Markt, weitgehend außerhalb nationaler Kontrollen, selbst der USA. Wie ein Krake strecken sie ihre Tentakeln in alle Richtungen aus, auch nach China, Indien, Brasilien oder Südafrika.


Die Wühlmäuse Afrikas

Afrika ist eine wichtige Ressource für diesen globalen kleptokratischen Kapitalismus geworden. Über so genannte Entwicklungshilfe und FDIs füttert Afrika das "System". Hilfen sind im Grunde ein gigantisches Kreditsystem, das Berge von Schulden aufhäuft, die Afrika in Form von realen Werten begleicht - Kaffee, Kakao, Baumwolle, Kobalt, Platin, Gold, Chrom, Uran, Titan und andere unentbehrlichen Mineralien. Der Generaldirektor der Organisation für industrielle Entwicklung der Vereinten Nationen ((UNIDO), Kandeh Yumkella, und der südafrikanische Minister für Handel und Industrie, Rob Davis, haben unlängst in einem Artikel dargelegt, dass Afrika zwar über 80 bis 200 Milliarden Barrel an Flüssigbrennstoffen verfügt; doch diese werden fast ausschließlich von Transnationalen Konzernen ausgebeutet. Bei den Titansanden erzielt Afrika 100 US-Dollar pro Tonne, Exporterlöse. Doch jenseits von Afrika bringt eine Tonne 100.000 US-Dollar - ein Verhältnis von 1: 1.000.

Diese umfassende Ausbeutung der afrikanischen Ressourcen wird gestützt durch ein globales Kreditsystem, für das maßgeblich die Weltbank, der Weltwährungsfonds IWF und die Hilfsindustrie verantwortlich sind. "Entwicklungshilfe" ist eine Farce. Was IWF und das deutsch-französische dominierte Banksystem gegen die peripheren Staaten Europas (Griechenland, Irland, Portugal) in den letzten Jahren in Stellung gebracht haben, ist genau das, was IWF und Weltbank sowie die so genannte Geber-Gemeinschaft in den letzten 50 Jahren in Afrika getan haben.

Afrika wiederum hat seine eigene über die Verhältnisse konsumierende Wirtschafts- und Machtelite, die sich ihren imperialen Oberherren angedient haben und mit ihnen die Massen ausbeuten. Eine aktuelle Erscheinungsform ist der ungeheure Landraub, dem die heimischen Plutokraten zuarbeiten. Viele afrikanische Regierungen verkaufen oder verpachten Agrarland an Investoren in Europa, den USA, Indien, China, den Golfstaaten und anderen. Es gibt einen Ansturm auf alle Ressourcen Afrikas, nicht nur auf Land, auch auf den Wald, das ÖL, auf Gold und Diamanten.

Den Preis für den Ausverkauf zahlen die normalen Menschen. Unlängst sind in Südafrika z.B. Tausende von Bergarbeitern vor die Gerichte gezogen und konnten nur geringe oder gar keine Abfindungen erstreiten für ihre Lungenerkrankungen in Asbestminen und anderen toxisch belasteten Arbeitsplätzen. Hunderttausende Landbewohner in Afrika wurden zwangsumgesiedelt und enteignet, um Platz zu schaffen für heimische und ausländische Landräuber, die perfider Weise "Anbau für die Armen" als Motiv ins Feld führen. Sie setzen in hohem Maße Agro-Chemikalien ein und bauen den magischen biologischen Energielieferanten Jatropha an. Diese mit Hinweis auf die klimatischen Veränderungen Vertriebenen drängen überall in Afrika in abgelegenere ländliche Regionen und die Weichbilder der Städte.

AGRA (Alliance for a Green Revolution in Africa) ist nur ein Beispiel dieser Art von Ausbeutung. Sie erfreut sich der Förderung durch prominente afrikanische Wirtschaftler und der Machteliten. Unter dem Vorwand, Afrika auf klima-sensitive Anbauprodukte umzustellen, drängt AGRA mit Geldern aus der Rockefeller- und Gates-Stiftung (mit dem Segen des ehemaligen Generalsekretärs der UN) auf den Anbau von der Agro-Chemie abhängigen Produktion und den Einsatz von genverändertem Saatgut. Das Ergebnis ist unübersehbar: Kontrolle über Afrikas Biomasse, als Profitquelle für Chemie und Saatgutmultis.

Von Mali bis Mosambik leisten die kleinen Bauern und Bäuerinnen Widerstand gegen die Aneignung ihres Landes und der knappen Mittel, es zu bebauen. Doch sie sind zu vereinzelt und verfügen nur über eine schwache politische Organisation, um eine wirkungsvoll Durchschlagskraft zu entwickeln. Wenn der "arabische Frühling" die Städte dieser Länder erreicht hat, was er unweigerlich wird, werden auch diese marginalisierten Millionen sich scharenweise in die "Rebellen-Armeen" einreihen, um die neokolonialen Diktatoren Afrikas von den Thronen zu stürzen.

Als erstes ging es festzuhalten: Afrika wird beherrscht von einem weltweit agierenden kleptokratischen System, das eine winzige Schicht von Eliten in Afrika und Banken wie Konzerne außerhalb bereichert. Am anderen Ende stehen die verarmten Massen Afrikas. Ökonomen nennen das "Rendite orientiert" - es ist schlicht und einfach Plünderung.

Was tun? Eine globale Antwort gibt es nicht. Ich will hier auf zwei gegensätzliche Modelle eingehen, die sich der Problematik annehmen. Das eine ist der zweite Industrial Policy Action Plan (IPAP-2) Südafrikas, der sich an Marktmodellen mit Mega-Projekten orientiert, ein Modell wie gehabt und mit voraussagbarem Ausgang. Das andere ist die Selbstverpflichtung Ruandas auf der 9. Sitzung des Forest Forum, wo es um die Armutsbekämpfung in Waldgebieten ging. Dieses Modell ist auf 25 Jahre angelegt und soll der Zerstörung des Ökosystems entgegenwirken und den Lebensstandard in ländlichen Gegenden verbessern.

Der entscheidende Punk in diesem ruandischen Konzept ist der Schutz des Waldes wie der Dörfer in diesen Wäldern. Umweltschützer betrachten die Wälder vornehmlich unter dem Gesichtspunkt, dass sie Brennstoff liefern und als "Lunge" zur Absorbierung von Kohlendioxyd funktionieren und so der Klimaerwärmung entgegenwirken. Doch da sind nicht nur Wälder, da leben auch Menschen. Das gilt es zusammenzubringen. Jene, die in afrikanischen Regierungen und Parlamenten ein Gespür für die Bedürfnisse der Menschen haben, müssen sich hinter Bewegungen stellen, die beide Ziele vereinen.


Von Konferenz zu Konferenz

Meine zweite Einlassung betrifft ein unmittelbares Problem. Es geht - angesichts der Klima-Konferenzen in Rio, Kopenhagen, Cancún oder jetzt in Durban - darum, aufmerksam die Geldsteuerungen (und Entwicklungshilfen) der Industriestaaten zu analysieren. Sie zielen im Kern auf ein "Teile und Herrsche" ab. Die Spaltung zwischen Interessen von Nord und Süd treten kaum offener zutage als in der Frage des Klimawandels.

Bis 1990 drehten sich die meisten wissenschaftlichen Untersuchungen und diplomatischen Verhandlungen um die globale Erwärmung und die Emissionen. Dieser Tenor lässt sich im Klima-Protokoll von Kyoto 1997 ablesen, das die Handschrift von Entwicklungsländern erkennen lässt. Die United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFFCCC), das sich bis dahin vor allem auf die Emissionen konzentriert hat, hat in diesem Protokoll erstmals die historische Verantwortung der Industriestaaten benannt, die Entwicklungsländer bei der Behebung ihrer Umweltschäden im Zuge einer Industrialisierung zu unterstützen.

Diese historische Verantwortung kommt im Vertrag von Kyoto deutlich zum Ausdruck und verpflichtet folgerichtig die Industriestaaten zur Bereitstellung von neuen Geldern und Technologietransfer, um die Entwicklungsländer instand zu setzen, die Kosten zu tragen und entsprechende Schutzmaßnahmen einzuleiten.

Auf internationaler Bühne haben sich afrikanische Staaten der Gruppe 77 + China angeschlossen. Sie bildet die zentrale Verhandlungsgruppe bei den Klimaverhandlungen. Zu dieser Gruppe zählen auch die OPEC-Länder. Bei einer solch heterogenen Gruppe bestehen natürlich ganz verschiedene Interessen in Bezug auf den Klimawandel. Was Afrika anfällig macht, ist seine Abhängigkeit vom Westen, von dessen "Entwicklungshilfe" und "technischen Experten".

Die wohl größte "Bestechung" ist die Bereitstellung von jährlich 100 Mrd. US-Dollar für die Umsetzung von Emissionssenkungen durch ärmere Länder bis 2020. Darauf zu setzen, ist schlichtweg unrealistisch. Afrika sollte sich darauf nicht verlassen. Und selbst wenn diese Zusage eingehalten wird, dürfte sie mit so einschränkenden Konditionalitäten belastet sein, dass die Souveränität afrikanischer Staaten auf dem Altar eines "Grünen Kapitalismus" oder der "Guten Regierungsführung" auktioniert würde.

Zur Illustration: Anfang 2011 hielt die US-Regierung einen Zuschuss über 350 Mio. US-Dollar an Malawi zurück, die von der Millennium Challenge Corporation ausgezahlt werden sollte, um den Energiesektor effizienter zu machen. Zur Begründung dienten Mängel in der Regierungsführung und bei der Beachtung der Menschenrechte. Der Fond wird von der Weltbank gemanaged, und man darf davon ausgehen, dass er diese Konditionalitäten auch sonst anwenden wird.

Im Februar 2011 veröffentlichte Eurodad, ein Netz von 57 NRO aus 19 europäischen Staaten, einen Bericht Storm on the Horizon? Why World Bank Climate Investment Funds Could Do More Harme than Good. Darin heißt es: Die Weltbank sei nicht die geeignetste Institution, um für eine entwicklungsorientierte und klimafreundliche Finanzarchitektur zu stehen.

Viele europäische NRO in Europa zeigen viel Verständnis für die afrikanischen Vorbehalte gegenüber den wirtschaftlichen Partnerschaften (EPA), die Europa diesen Staaten diktieren will. Sie betonen, die afrikanischen Staaten müssten die politische Zielrichtung selbst bestimmen und vor allem in internationalen Verhandlungen vertreten. Das ist in gewisser Weise wohlfeil, weil hier die Federführung (sicher billiger) nur auf die Experten westlicher NRO umgelenkt wird, da die afrikanischen Staaten ja nicht über die notwendigen Experten und Gelder verfügten.


Entwicklungshilfe behindert Entwicklung

Die offiziellen Hilfsagenturen sind da geschmeidiger, aber auch direkter als die NRO. Sie arbeiten mit Zuckerbrot und Peitsche. Die Behauptung ist nicht neu: "Entwicklungshilfe" hat wenig mit Entwicklung zu tun. Offizielle Hilfen kommen oft als "Barmherzigkeit" daher, werden nicht selten abgewickelt durch NRO, Netzwerke und Stiftungen, die sich in Menschenrechtsfragen und Umwelt engagieren. Die Bill & Melinda Gates Foundation ist ein gutes Beispiel. In Blogs preist sie sich selbst als "geleitet vom Interesse und der Leidenschaft der Gates-Familie". Konkret werden benannt "auf globaler Ebene die Gesundheitsversorgung zu verbessern und die extreme Armut zu verringern sowie den Zugang zur Informationstechnologie" zu ermöglichen. Die Lauterkeit der Gates-Familie steht außer Zweifel. Zu hinterfragen ist jedoch der "Entwicklungsrahmen", in dem Millionen US-Dollar in Afrika verteilt werden und wie diese Gelder - absichtlich oder nicht - lokale Anstrengungen und Innovationen abwürgen.

Das gilt auch bei den Klimaverhandlungen, jetzt in Durban und Rio+20 nächstes Jahr in Brasilien. Dazu müsste die Kommission der Afrikanischen Union einen eigenen Pool von Experten berufen, die afrikanische Länder in technischen und politischen Fragen beraten. Afrika ist vor einem Prozess zu warnen, der von interessierten Seiten des Westens als "technische Beratung" der "armen" afrikanischen Länder gesteuert wird.

Ein solches Instrument ist beispielsweise das Climate and Development Knowledge Network (CDKN). Dieses im März 2010 gegründete Netzwerk besteht aus Beratungsinstitutionen, die Entscheidungsträgern in Entwicklungsländern Pakete zur "klimaverträglichen Entwicklung" bieten. Es will afrikanischen Ländern helfen, Finanzen zu maximieren und Kapazitäten zur Verwaltung der Gelder auszubilden. Es stellt ferner mit der von britischen NRO gesponserten Legal Response Initiative (LRI) den ärmsten Ländern eine Rechtsberatung in Klimafragen zur Seite. Das CDKN bietet den Unterhändlern "eine zeitnahe und freie Beratung" an. Das macht das Netzwerk suspekt. Warum bietet es "freie" Beratung an? Was ist seine Agenda? Wer finanziert es? Man möchte schon gern wissen, wer von der freien Beratung profitiert. Nichts ist umsonst.

Zum Netzwerk gehören global agierende geschäftsberatende Firmen wie PricewaterhouseCoopers, das Overseas Development Institute (ODI), eine britische Denkfabrik in Sachen Entwicklungsfragen, die in Ekuador ansässige Fundacion Futuro Latinoamericano, die nach dem Gipfel von Rio 1992 gegründet wurde, SouthSouthNorth, eine Vereinigung, die zu Armutsbekämpfung im Zusammenhang mit Klimafragen arbeitet und Büros in Südafrika, Brasilien, Tansania, Mosambik und Indonesien unterhält, die in Nepal ansässige private Organisation und Entwicklungsberatung LEAD International und das britische International NGO Training and Research Center (INTRAC). Ich kenne einige persönlich sehr gut. ODI z.B. bezeichnet sich als "unabhängige Denkfabrik zu internationaler Entwicklung und humanitären Fragen". Aus meiner Erfahrung in Sachen Entwicklungshilfe, Handel oder Wirtschaftspartnerschaftsabkommen kann ich ohne zu zögern behaupten, dass ODI ein Arm der britischen Außenpolitik ist - der soft arm der britischen imperialen Diplomatie, während ihr strong arm Instrumente von Zwang, darunter Sanktionen und Krieg, bereithält.

Das Politikgeschäft dürfen afrikanische Regierungen nicht nach außerhalb outsourcen. Es ist unabdingbar für Afrika, seine eigene Expertise zu entwickeln, statt sich in Klimafragen u.a. auf auswärtige zu verlassen. Dabei ist es durchaus so, dass einzelne Staaten nur begrenzte Kapazitäten an entsprechenden Institutionen haben. Doch diese können den Vorteil größerer Institutionen nutzen, bei denen sie Mitglied sind. Afrikanische Länder sind vertreten im Genfer South Centre, das 1995 auf Anregung von Dritte-Welt-Führern wie Julius Nyerere und Mahathir Mohammed gegründet wurde. Das Zentrum hat technische Expertise in einer ganzen Bandbreite von Fragen von Handelsverhandlungen bis zum Klimaschutz.

Wirkliche Kenntnis gewinnt man nicht einfach durch Information, sonder durch ein umfassendes und tiefes Verstehen der afrikanischen Situation. Die fundamentale Realität Afrikas wird bestimmt durch die Einbindung in das globale System des kleptokratischen Kapitalismus wie oben beschrieben. Dieser Kapitalismus ist derzeit in seinen eigenen Widersprüchen verfangen; das bedeutet nicht sein Ende. Bis dahin ist es noch ein langer Weg. Stellt sich Afrika den Herausforderungen einer "Grünen Ökonomie" für eine nachhaltige Entwicklung, dann gilt es eine Balance zu finden zwischen den Menschenrechten und den Bedürfnissen der Massen und unausweichlichen Forderungen des Umweltschutzes. Und hier darf Afrika die politischen Aufgaben nicht auswärtigen "Experten" überantworten, so ehrenwert sie sein mögen. Afrika muss bei den Klimaverhandlungen auch nach Durban 2011 eine gemeinsame Position mit anderen Staaten des Südens finden. Dass das möglich ist, haben die erfolgreichen Widerstände des Südens in Kopenhagen 2009 und in Cancún 2010 gezeigt.

In Zeiten wie diesen ist es wichtig, dass der Normalbürger mal einen kleinen Schritt zurücktritt und dann das ganze Pandämonium und Chaos überblickt, das das kleptokratische System angerichtet hat, und die Klimaverhandlungen nicht isoliert, sondern als eine breitere und tiefer gehende Malaise, der wir als Menschheit gegenüberstehen, betrachtet. Es handelt sich um eine humanitäre Krise. Es ist eine tiefere Krise, in der das Versagen der globalen politischen Elite, in der Klimadebatte moralisch und politisch Flagge zu zeigen, nur ein, wenn auch gravierender, Aspekt ist. Wenn zynische Politiker und globale Bankokraten dieses System zur eigenen Bereicherung und zum Machtvorteil ausbeuten, gewinnt der Ruf nach Gerechtigkeit, Demokratie, Menschenrechten, Umweltschutz und friedlicher Lösung von Konflikten an Legitimität. Es ist ein vielschichtiger Kampf; doch seine Komplexität ist keine Entschuldigung dafür, sich in Geduld zu üben.


Aus: Pambazuka News, Issue 555, 2. Nov. 2011


Der ugandische Autor ist emeritierter Politikwissenschaftler und Gründer von "Alternatives to Neo-Liberalism in Southern Africa".


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 6, November/Dezember 2011, S. 35-37
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2012