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AFRIKA/1091: Angola - Hohe Generäle verklagt (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 6, November/Dezember 2011

Hohe Generäle verklagt
Rafael Marques wirft angolanischen Generälen Menschenrechtsverletzungen vor

Interview von Firoze Manji, "Pambazuka News"


Der angolanische Journalist Rafael Marques de Morais hat gegen hohe Generäle Angolas Strafanzeige gestellt. Sie sind Anteilseigner von drei Privatunternehmen im Diamantenbergbau. Marques wirft ihnen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor - und hat sich damit wieder einmal mit den mächtigsten Generälen des Landes angelegt. In einem Interview mit Firoze Manji von "Pambazuka News" erläutert er die Hintergründe für sein Vorgehen.


PAMBAZUKA NEWS: Sie haben kürzlich gegen eine Reihe von Generälen und Personen, die einen beträchtlichen ökonomischen und politischen Einfluss in Angola haben, wegen mutmaßlichen Verbrechens gegen die Menschlichkeit geklagt. Wer sind diese Personen und welche Vergehen werfen Sie ihnen vor?

RAFAEL MARQUES: Ich habe eine Strafanzeige gegen Anteilseigner dreier Privatunternehmen eingereicht, die im Diamantenbergbau in der Lunda-Nord-Provinz im Nordosten Angolas tätig sind. An zwei dieser Firmen, Lumanhe und Teleservice, besitzen die einflussreichsten Generäle des Landes Anteile. Sie gehören zu den größten Plünderern des Landes und gerieren sich nun als Geschäftsleute. Höchste Figur bei Lamanhe ist der Staatsminister und Chef des Militärbüros des Präsidenten, General Manuel Hélder Vieira Dias Júnior 'Kopelipa'. Er ist die rechte Hand des Präsidenten und ist für die angolanische Armee, den Staatssicherheitsapparat und die Präsidialgarde zuständig.

Dann gibt es da General Carlos Hendrick Vaal da Silva, Generalinspektor des Generalstabs der Armee, General Armando da Cruz Neto, Gouverneur der Benguela-Provinz, General João Babtista de Matos, früherer Chef des Generalstabs der Armee, General Adriano Makevela Mackenzie, Chef des Abteilung für Ausbildung und Erziehung der Armee, und die Brüder Faceira, die Generäle Luís und António, die Personalchef der Armee bzw. Chef der Spezialeinheiten waren.

PAMBAZUKA NEWS: Worauf gründen Ihre Beweise?

RAFAEL MARQUES: In den vergangenen fünf Jahren habe ich Fälle von Massenmord, Folter und anderen abscheulichen Verbrechen dokumentiert, die von Diamantenfirmen und privaten Sicherheitsfirmen begangen wurden, die sie angeheuert haben, um ihre Geschäftsinteressen zu schützen. Am 15. September habe ich in Portugal ein Buch vorgestellt, in dem die Übergriffe von Juni 2009 bis Anfang März 2011 (Diamantes de Sangue - Corrupção e Tortura em Angola) aufgeführt werden. Darin sind über 100 Mordfälle und über 500 Fälle von Folter und andere grausame Taten dokumentiert. Zudem halten sich die meisten Opfer weiterhin in dem Gebiet auf. Sie sind bereit, erneut auszusagen, diesmal gegenüber den Behörden.

PAMBAZUKA NEWS: Warum haben Sie die Anzeige als Privatperson eingereicht? Gibt es keine angolanische Organisation, die das übernehmen kann? Gibt es keine Möglichkeit für eine Sammelklage?

RAFAEL MARQUES: Es ist mein Grundrecht als Privatperson, wenn ich über Beweise von Menschenrechtsverletzungen und anderen illegalen Handlungen verfüge. Dieses Recht ist in der angolanischen Verfassung verankert. Außerdem ist es ein Weg, den Opfern Mut zu machen, dass es nicht gefährlich sein muss, vor den Behörden auszusagen. So haben sich zehn Personen, deren Menschenrechte verletzt wurden, meiner Klage angeschlossen.

Es gibt in Angola eine Menge zivilgesellschaftliche Organisationen, doch keine widmet sich den Menschenrechtsverletzungen und informiert regelmäßig die Öffentlichkeit darüber. Keine einzige Organisation ist hier zumindest auf dem Diamantengebiet aktiv.

Soll ich Däumchen drehen, nur weil die zivilgesellschaftlichen Organisationen ihren Job nicht gemacht haben? Soll ich meine Hände in die Hosentaschen stecken, nur weil die Geber in diesem Land woanders hinschauen und Leuten, die darauf bestehen, solche Wahrheiten ans Tageslicht zu bringen, eher Ärger bereiten?

PAMBAZUKA NEWS: Sollten diese Fälle angesichts der Schwere ihrer Anschuldigungen nicht besser von der Staatsanwaltschaft statt von Ihnen als Privatperson verfolgt werden?

RAFAEL MARQUES: Ich habe die Anklage bei der Generalstaatsanwaltschaft der Republik eingereicht und reiche sie damit an den Staatsanwalt weiter, der Teil der Generalstaatsanwaltschaft der Republik und ihrer Repräsentanten ist.

Als ich das erste Mal, am 1. April 2006, Anzeige gestellt hatte, haben die Behörde sie zurückgestellt, ohne sie ernsthaft weiterzuverfolgen. Ich habe der Polizei einfach die Beweise ausgehändigt und mich wieder verabschiedet. Das wird diesmal nicht wieder passieren. Ich werde mit Feder und Stimme gegen das ankämpfen, was ich als Verbrechen gegen die Menschlichkeit dokumentiert habe, was tagtäglich in den Lunda-Provinzen begangen wird.

Ich habe auf Jobs, grundlegende Arbeitsbedingungen und finanzielle Sicherheit verzichtet, um andere zu ermutigen oder damit es die Behörden in ihrer Besessenheit einfacher haben, mir die Lebensgrundlagen zu entziehen. Doch ich kann meine moralischen und Bürgerpflichten nicht aufgeben, nachdem ich so viele Opfer der Habgier der angolanischen Generäle, sich mit Gewalt und Grausamkeiten ständig selbst zu bereichern, gesehen, als Zeuge gehört und interviewt habe.

PAMBAZUKA NEWS: Sie haben eine Menge Exposés über die Geheimabsprachen von Armee, Regierungsmitgliedern und Unternehmen veröffentlicht. Können Sie uns erklären, welche Verbindungen es zwischen diesen verschiedenen Parteien gibt?

RAFAEL MARQUES: Das fängt alles beim Präsidenten an, der ganz offen und auf illegale Weise Staatsvermögen und Geschäftskonzessionen an seine Familie, Topgeneräle und Regierungsmitglieder austeilt. Alle Investitionen, die fünf Mio. US-Dollar übersteigen, müssen vom Ministerrat genehmigt werden. Ausländische Investoren sind verpflichtet, lokale Partner zu beteiligen, die über die Klientelpolitik des Präsidenten vorgeschoben werden. Der Staatssicherheitsdienst unterhält eine Abteilung, die dem Präsidenten vorschlägt, wer Anteile bei welchen Firmen-Ventures bekommt. Damit wird die Klientelpolitik des Regimes zementiert.

PAMBAZUKA NEWS: Bringen Sie sich mit ihrem Vorgehen nicht selbst in Gefahr, besonders, wo Sie zuvor schon belästigt und bedroht worden sind?

RAFAEL MARQUES: Schweigen ist die größte Bedrohung für die eigene Würde als Bürger und Mensch. Außerdem ist es meine moralische und bürgerliche Pflicht, gegen die Angst anzugehen, die die angolanische Gesellschaft für Jahrzehnte paralysiert hat. Es wird Zeit, dass die Führer Angst vor ihren Taten haben.

PAMBAZUKA NEWS: Wie wird Ihrer Meinung nach die Sache ausgehen? Glauben Sie, dass die Justiz unabhängig und mutig genug ist, einen Prozess zu wagen?

RAFAEL MARQUES: In erster Linie wird es ein pädagogisches Ergebnis geben. Diese Initiative soll Bürgerinnen und Bürger ermutigen, die Justiz zu fordern. Sie soll einen Umschwung einleiten, in dem die Bürgerinnen und Bürger sich dafür einsetzen, die Staatsinstitutionen dem Missbrauch durch den Präsidenten und seine Generäle zu entziehen.

Die Justiz ist alles andere als unabhängig. Doch sie kann herausgefordert werden. Das ist meines Erachtens die dringlichste Aufgabe, um die Probleme des arabischen Frühlings zu vermeiden. Die Angolaner können die Staatsinstitutionen retten, damit sie ihre Aufgabenbereiche so auszufüllen, dass sich alle Bürger einschließlich des Präsidenten und der Generäle geschützt fühlen und einen fairen Prozess verdienen.

PAMBAZUKA NEWS: Gibt es einen besonderen Grund dafür, diese Fälle gerade jetzt aufzugreifen?

RAFAEL MARQUES: Ja. Vor Veröffentlichung des Buches im September habe ich im Februar die von mir gesammelten Beweisfälle den relevanten Stellen übergeben, damit sie tätig werden. In der Annahme, dass sich wohl fast jeder um das Schicksal dieser Gemeinden Sorgen machen würde, dachte ich, dass die Regierung positiv reagieren und Maßnahmen ergreifen würde, diese sinnlose Gewalt zu stoppen. Dann erfuhr ich, dass fast alle in der Regierung Angst vor der Macht der Generäle, die diese vor allem über den Präsidenten ausüben, haben. Also habe ich das Buch in Lissabon herausgegeben. Als ich zwei Monate später nach Angola zurückkam, musste ich erfahren, dass die Gewalt unvermindert weiter ging.

Die Leute vor Ort fragten mich, wann denn der Zeitpunkt erreicht sei, wo ich sie im Stich lassen würde oder vom System kooptiert oder, genauer gesagt, korrumpiert werden würde. Es ist für sie schwer, mein Risiko richtig einzuschätzen, genauso wie für mich das ihrige, als sie mir ihre Geschichten erzählten. Einmal hatte ich sogar einen Vater und seinen Schwiegersohn vor mir, die mir offen sagten, wie die Garde von Teleservice, einer privaten Sicherheitsfirma, die auch den Generälen gehört, sie gezwungen haben, gegenseitig Analverkehr zu haben, um über ihre Verwandtschaft Auskunft zu bekommen.

PAMBAZUKA NEWS: Wenn Sie von der Klageeinreichung kein zufrieden stellendes Ergebnis bekommen, welche Pläne haben Sie dann? Werden Sie den Fall dann an Regionalgerichte geben oder gar auf internationaler Ebene weiterverfolgen?

RAFAEL MARQUES: Als Privatperson. Ich mache einen Schritt nach dem anderen.

PAMBAZUKA NEWS: Mal angenommen, die Justiz lässt die Klage zu. Welche Auswirkung wird das haben angesichts der Tatsache, dass diese Leute eng mit der Regierung verbunden sind?

RAFAEL MARQUES: Sie würde zunächst einmal nur ihren Job tun, nicht mehr und nicht weniger. Das ist das Mindeste, was man von der Justiz erwarten kann. Es gab Fälle, bei denen Regierungsbeamte vom Rechnungshof der Korruption überführt worden sind, aber dann vom Präsidenten befördert wurden.

Das Streben nach Gerechtigkeit gilt es zu bewahren.

PAMBAZUKA NEWS: Wie werden die Medien über Ihr Anliegen berichten?

RAFAEL MARQUES: Es liegt im Interesse des kleinen Rests unabhängiger Medien in Angola, die Öffentlichkeit über eine heikle Angelegenheit zu informieren, über die zu berichten nur sehr wenige bereit sind.

PAMBAZUKA NEWS: Welche Organisationen in Angola, auf dem Kontinent oder international werden Sie kontaktieren und was für eine Unterstützung erwarten Sie?

RAFAEL MARQUES: Ich erwarte keine internationale Unterstützung. Was Menschenrechte und Demokratisierung anbetrifft, bleibt Angola für die Internationale Gemeinschaft ein marginaler Fall.

Ganz wichtig dagegen ist, den Angolanern klar zu machen, dass sie nicht erwarten können, dass eine Kavallerie zu ihrer Rettung kommt. Es liegt nach 36 Jahren unter den selben Herrschern nun an den Bürgerinnen und Bürgern, sich zusammen zu tun und Druck auszuüben für Rechtsstaatlichkeit, Gerechtigkeit und Wandel. Ich habe zu Hause und im Ausland unglaubliche Menschen getroffen, deren persönliche Unterstützung mir geholfen hat, meine Arbeit weiter zu führen, gegen alle Widrigkeiten. Das ist es, was zählt!


Aus: Pambazuka News, Issue 558, 16.11.2011


Rafael Marques de Morais
Der angolanische Journalist und Schriftsteller Rafael Marques de Morais setzt sich seit vielen Jahren für Gerechtigkeit und Einhaltung von Menschenrechten in seinem Land ein. 2000 wurde er von der Nationalen Vereinigung Schwarzer Journalisten der USA mit dem angesehenen Percy Qoboza Award für "herausragenden Mut" ausgezeichnet. Im Jahr 2006 erhielt er den Preis für Zivilcourage von der "The Train Foundation". Seinem im September in Portugal vorgestellten Buch "Diamantes de Sangue: Corrupção e Tortura em Angola" sind drei Studien aus den Jahren 2005 bis 2008 vorangegangen, in denen er Korruption und Menschenrechtsverletzungen in den Lunda-Provinzen Angolas dokumentiert hat.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 6, November/Dezember 2011, S. 26 - 27
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Februar 2012