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WIRTSCHAFT/2363: PIN AG enttarnt Versagen der Bundesnetzagentur - PIN hätte nie Lizenz bekommen dürfen


Pressemitteilung der SPD-Bundestagsfraktion - 6. Dezember 2012

Arbeitsgruppe: Wirtschaft und Technologie

PIN AG enttarnt Versagen der Bundesnetzagentur: PIN hätte nie eine Lizenz bekommen dürfen



Zur Klage der PIN Mail AG gegen die Bundesrepublik Deutschland auf fünf Millionen Euro Schadensersatz wegen des gescheiterten Post-Mindestlohns aus dem Jahr 2007 erklärt der stellvertretende wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Klaus Barthel:

Nach dem seit 1998 geltenden Postgesetz bedarf einer Lizenz, wer Briefsendungen gewerbsmäßig befördert. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass die wesentlichen Arbeitsbedingungen, die im lizenzierten Bereich üblich sind, nicht erheblich unterschritten werden. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber im Zuge der Postreform sicherstellen, dass der Wettbewerb im Briefmarkt über Innovation und Qualität stattfindet, nicht aber über Dumpinglöhne. Auch wenn das den Wettbewerbern und den Marktradikalen nie gepasst hat: Schon seit 1998 gilt nach dem Postgesetz ein Post-Mindestlohn, wenn auch nicht in absoluten Zahlen festgelegt, so doch als branchenüblicher Lohn definiert, der nicht massiv unterboten werden darf.

Anders als man das in einem Rechtstaat erwarten könnte, ist die Bundesnetzagentur ihrem eindeutigen gesetzlichen Auftrag, auch diese Lizenzvoraussetzung regelmäßig zu überprüfen, jahrelang nicht nachgekommen. Weder hat sie ermittelt, was die üblichen Arbeitsbedingungen sind, noch hat sie deren Einhaltung vor der Lizenzerteilung geprüft. Erstmals zum 31. Dezember 2007 hat sie - auf massiven Druck des Beirats bei der Bundesnetzagentur - eine Vollerhebung zu den "Arbeitsbedingungen im lizenzierten Bereich" vorgelegt. Damals haben die 166.545 Beschäftigten bei der Deutschen Post AG einen durchschnittlichen Stundenlohn von 13,04 Euro verdient, die 48.411 Beschäftigten bei den Wettbewerbern dagegen nur 7,79 Euro. Der durchschnittliche Stundenlohn aller in der Branche Beschäftigten betrug daher 11,86 Euro. Eine Unterschreitung von mehr als 10 Prozent dieses Durchschnitts muss als erhebliche Abweichung angesehen werden. Damit hätte die Bundesnetzagentur Wettbewerbern, die weniger als 10,67 Euro Stundenlohn bezahlt haben, nach dem Postgesetz überhaupt keine Lizenz erteilen dürfen oder diese entziehen müssen. Inwiefern ein - wenn auch formal nicht korrekt zustande gekommener - Postmindestlohn von 9,80 Euro, der also noch deutlich unter diesem Mindestlohn nach Postgesetz lag, die PIN AG um fünf Millionen Euro geschädigt haben soll, die nach dem Postgesetz gar keine Lizenz für ihre Tätigkeit hätte erhalten dürfen, bleibt das Geheimnis der PIN AG. Im Übrigen entsprechen die von der PIN AG angegebenen 8,60 Euro - sollten sie je gezahlt worden sein - nur 72,5 Prozent des in der Branche üblichen Stundenlohns. Sie bewegen sich damit in der Nähe zum Lohnwucher.

Der Frage nach einer Amtspflichtverletzung muss sich daher in allererster Linie an die Adresse der Bundesnetzagentur richten, die seit Jahren ihrem gesetzlichen Auftrag nicht nachkommt.

Im Übrigen muss der Legendenbildung durch PIN AG und andere, wonach der Postmindestlohn eine konzertierte Aktion von Post AG, ver.di und dem Bundesarbeitsminister der Großen Koalition gegen die Wettbewerber gewesen sein soll, entgegengetreten werden. Anlass für die immer noch anhaltende Diskussion war das massive Abgleiten dieser Branche in Dumpinglöhne, die viele Beschäftigte in massive Schwierigkeiten gebracht haben, ihren Lebensunterhalt ohne Hartz IV-Aufstockung zu bestreiten: Die Erhebung der Bundesnetzagentur hat für 2007 zum Beispiel für die Wettbewerber in Brandenburg einen durchschnittlichen Stundenlohn von 6,05 Euro, für Thüringen von 6,12 und für Mecklenburg-Vorpommern von 6,56 Euro ermittelt. Das Problem ist also nicht, wie von PIN behauptet, die systematische Benachteiligung der privaten Konkurrenz der Post, sondern die systematische Lohndumping-Konkurrenz der Wettbewerber. Wenn jemand einen Grund hätte zu klagen, sind es die Beschäftigten der Branche.

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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 1378 vom 6. Dezember 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Dezember 2012