Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → SPD

UMWELT/971: Deutschland in Doha in schlechtester Rolle jemals


Pressemitteilung der SPD-Bundestagsfraktion - 9. Dezember 2012

Arbeitsgruppe: Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Deutschland in Doha in schlechtester Rolle jemals



Zum Ergebnis der Klimakonferenz in Doha erklärt der klimaschutzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion MdB Frank Schwabe:

"Die Weltgemeinschaft hat fundamental missverstanden, worum es geht. Die Herausforderung ist so groß, dass sich dieses Maß an Taktiererei, das auch die Verhandlungen in Doha wieder geprägt hat, verbietet. Es geht nicht um ein Pokerspiel, sondern es geht darum Verantwortung für diese Welt zu übernehmen. Niemand ist so naiv zu glauben, dass in dem Moment, in dem Deutschland und Europa wieder in eine europäische Führungsrolle zurückfinden, sofort alle Probleme gelöst wären. Aber klar ist, mit diesem Spiel "wenn Du dich nicht bewegst, bewege ich mich auch nicht", kommen wir keinen Schritt weiter. Wir müssten einen Berg bewegen, aber schieben stattdessen Sandhäuflein hin und her.

Die EU hat sich in Doha aufgrund interner Probleme am Rande der Handlungsfähigkeit präsentiert. Dabei ist es falsch Polen den alleinigen schwarzen Peter zuzuspielen. Für die polnische Frage gäbe es bei ausreichendem Willen geeignete Lösungen. Das Grundproblem ist, dass das wirtschaftlich stärkste Land seit geraumer Zeit nicht mehr führen will. Gemeint ist Deutschland. Dass Deutschland in Europa führen kann, wenn es denn will, zeigt die Kanzlerin, wenn auch oft in die falsche Richtung, in der europäischen Finanzkrise. Jedenfalls kann man nicht erst auf dem Gipfel, und dann auch noch in letzter Minute, die EU-interne Position klären. Der gefundene Kompromiss zu den überzähligen Zertifikaten öffnet außerdem Tür und Tor für eine weitere Verwässerung der Klimaschutzmechanismen und er stellt bereits jetzt schon wieder eine hohe Bürde für ein zukünftiges Klimaschutzabkommen dar.

Freundlichkeit ist eine wichtige Tugend und sie hilft ganz zweifellos auch im politischen Prozess. Und eine gewisse Hemdsärmeligkeit und Offenherzigkeit ist sympathisch. All das reicht aber nicht. Bundesumweltminister Altmaier war in der Königsdisziplin aller Umweltminister, vor allem aber eines deutschen, gefordert. Er dachte aber, er könnte ein Pflichtprogramm im Vorbeigehen absolvieren. Seine Taktik war durch Fehleinschätzungen geprägt. Er hat die Aufgabe schlicht unterschätzt und erst im Laufe des Freitags die Dimension der Herausforderung verstanden und dann durchaus respektabel im Rahmen seiner Koordinationsaufgabe agiert.

So kam es letztlich aber zur schlechtesten Rolle Deutschlands bei einer Klimakonferenz bisher, inhaltlich ebenso wie im Auftritt. Die im Wesentlichen bloße Benennung deutscher Haushaltsmittel - aber immerhin - war richtig, ging aber in Doha unter. Inwieweit die Mittel tatsächlich durchfinanziert sind, werden wir bei der Regierung auf Punkt und Komma abfragen.

Eigentlich geht es aber bei alledem nicht um Altmaier. Sein Handlungsspielraum ist begrenzt (den hätte er aber natürlich effektiver nutzen können). Im Kern geht es um Kanzlerin Angela Merkel. Es ist ihr präsidialer Stil ohne klare Linie, die Altmaier als ein "gerupftes Huhn" nach Hause fahren lässt. Wer Konflikte zum Beispiel zur Stabilisierung des europäischen Emissionshandels im eigenen Kabinett monate- und jahrelang ungeklärt lässt und Deutschland zur Handlungsunfähigkeit bringt, während der Emissionshandel im Ableben begriffen ist, muss sich über die jetzige Konsequenz nicht wundern. Der Klimaschutz in Europa und damit auch in Deutschland ist im Stillstandsmodus. Das internationale Ansehen beider mindestens in Klimaschutzfragen ist ramponiert. Und das obwohl man, mit einer - wenn auch national inkonsistenten und verstolperten Energiewende - international punkten könnte. Der Auftritt in Doha wirkt aber zum eigenen postulierten Anspruch international geradezu verstörend. Die Regierung ist aufgefordert sich zu erklären - zur Verhandlungsführung in Doha und zur Rolle des Klimaschutzes in der nächsten Bundestagswoche, aber auch generell zum Umsetzungsstand der Energiewende und des Altmaierschen 10-Punkte-Programms vom Sommer. Nachlesen lohnt sich, man kommt aus dem Staunen nicht mehr raus.

Am Format der Klimakonferenzen liegt es übrigens nicht. Die Debatten darüber werden aus reiner Hilflosigkeit geführt. Natürlich ist es notwendig, dass woanders, ob bei G8 oder G20 oder anderswo, grundlegende Beschlüsse getroffen werden. Und mit ganz neuen Länderallianzen muss "von unten" neuer Druck aufgebaut werden, aber das Format Weltklimakonferenz wird gebraucht. Wo sind denn sonst all die kleinen Länder, all die Umweltorganisation und all die Mitglieder indigener Gemeinschaften beispielsweise überhaupt vertreten? Und wo sollte am Ende in der Zeit neuer stärkerer Handlungsbereitschaft ein Abkommen in all seinen Einzelheiten überhaupt beschlossen werden? Wo wäre ein Klimaprozess transparenter? Ja, dass alljährliche Drama ist alles andere als schön, aber es muss sein.

Ein letztes: der Deutsche Bundestag entscheidet keine Klimakonferenz, er verhandelt nicht mal. Aber er hat die Gelegenheit die Regierung ebenso unterstützend wir kritisch zu begleiten. Und er weiß, was er hinterher ratifizieren soll. Wer diese wichtige Anwesenheit auf einer solchen Konferenz nicht begreift, ist naiv und die Einschätzung der Bedeutung von Delegationsreisen ist falsch. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben Gespräche geführt mit Umweltministern aus El Salvador, Kolumbien, Peru und Belize, mit Parlamentarierdelegationen des Europaparlaments, aus Brasilien, Bolivien, Dänemark, Italien, der Niederlande und Großbritanniens und mit Vertretern der Zivilgesellschaft aus Indien, Russland und der Ukraine sowie Vertreterinnen und Vertretern der indigenen Völker sowie der AOSIS-Staaten, mit den deutschen Nichtregierungsorganisationen und "Carbon Market Watch". Dazu nahmen sie als Gäste und Referenten an so genannten Side Events teil."

Copyright 2012 SPD-Bundestagsfraktion

*

Quelle:
Pressemitteilung Nr. 1381 vom 9. Dezember 2012
SPD-Bundestagsfraktion, Pressestelle
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: 030/227-5 22 82, Fax: 030/227-5 68 69
E-Mail: presse@spdfraktion.de
Internet: www.spdfraktion.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Dezember 2012