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SOZIALES/2437: Familien in ihrer Vielfalt stärken - Alleinerziehende besser unterstützen


SPD-Pressemitteilung vom 20. Juni 2015

Beschluss des SPD-Parteikonvents: Familien in ihrer Vielfalt stärken - Alleinerziehende besser unterstützen


Auf seiner heutigen Sitzung hat der SPD-Parteikonvent folgenden Beschluss gefasst:

Das Familienleben in Deutschland ist bunter geworden. Kinder erleben im Laufe ihres Aufwachsens oft mehrere Familienformen. Denn neben der klassischen "Ehe mit Kindern" sind ganz unterschiedliche Modelle getreten, die vorübergehend oder auf lange Zeit gelebt werden: Unverheiratete Paare, Alleinerziehende, Regenbogen- und Patchwork-Familien, binationale, multilokale oder Wahlfamilien - und noch einiges mehr.

Für uns als SPD ist klar:
• Wir wollen Familien in ihrer Vielfalt so unterstützen, wie sie sind.
• Wer sich für Kinder entscheidet und sie verantwortungsvoll erziehen will, verdient dafür gute Rahmenbedingungen.

Dass insbesondere bei der Unterstützung alleinerziehender Eltern großer Nachholbedarf besteht, ist inzwischen breiter Konsens in Wissenschaft und Gesellschaft. Diese Familien bei ihren besonderen Herausforderungen zu unterstützen, ist aus Sicht der SPD eine zentrale familienpolitische Aufgabe.

Alleinerziehende sind eine starke Gruppe. Während der Anteil verheirateter Paare mit Kindern stetig gesunken ist, hat sich der von Müttern oder Vätern, die mit ihren Kindern allein leben, in den letzten 30 Jahren verdoppelt. Jede fünfte Familie besteht inzwischen aus einem Elternteil mit Kind(ern) - in Großstädten wie Berlin ist es bereits jede dritte Familie. Insgesamt sind das zurzeit rund 1,6 Mio. Haushalte mit 2,2 Mio. Kindern.

Aber: Auch wenn 90% der Alleinerziehenden Frauen sind: "die Alleinerziehende" gibt es nicht. Die Vielfalt ihrer Lebenslagen ist noch höher als unter den Paar-Familien. Denn was für einige ein bewusst gewähltes Lebensmodell ist, ist für andere die unfreiwillige Folge einer Trennung, Scheidung oder dem Tod des Partners. Und während es unter den Nachtrennungsfamilien unabhängig vom Wohnort der Kinder jene gibt, wo weiterhin beide Elternteile Verantwortung übernehmen, liegt sie in anderen bei einem Elternteil allein - allzu oft begleitet von jahrelangen Sorge-, Umgangs- und Unterhaltsstreitigkeiten, die allen Beteiligten Zeit und Kraft nehmen.

Allen Elternteilen, die ohne Partner/in mit ihren Kindern leben, ist jedoch gemeinsam, dass sie täglich noch mehr leisten müssen als andere, um ihren Alltag zu organisieren. Alleinerziehende Frauen sind häufiger erwerbstätig als andere Mütter, arbeiten im Mittel fünf Wochenstunden länger als Mütter in Paarfamilien - und überdurchschnittlich oft im Nacht- oder Wochenenddienst. In vielen Fällen schultern sie gleichzeitig ganz oder überwiegend Kindererziehung, Haushalt und Hausaufgabenbetreuung, Arztbesuche und Behördengänge. Damit sind sie in besonderer Weise Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in unserer Gesellschaft.

Was Politik konkret tun kann, um ihnen und ihren Kindern den Alltag leichter zu machen, haben wir in den letzten Wochen die Betroffenen selbst gefragt. In einem Bürgerdialog auf der Plattform alleinerziehende.spd.de haben uns mehr als 200 Frauen und Männer ihre Erfahrungen geschildert und ihre Forderungen an eine bessere Unterstützung von Alleinerziehenden formuliert.

Diese Berichte zeigen erneut sehr deutlich, dass Alleinerziehende mit ihren Kindern noch dringender als andere auf ein gutes Zusammenspiel von Zeit, Geld und Infrastruktur für Familien angewiesen sind:

1. Auf Steuer- und Familienleistungen, die Alleinerziehende nicht zu Familien zweiter Klasse machen.

2. Auf Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder aller Altersgruppen, die qualitativ hochwertig, bezahlbar, zeitlich verlässlich und flexibel sind Und Randzeiten und Ferien umfassen.

3. Auf eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit, die dennoch Raum für Alltagspflichten, Zuwendung und auch Erholung lässt.


SPD-Politik in der Bundesregierung für Alleinerziehende
Weniger Steuern

Die SPD mit Manuela Schwesig als Bundesfamilienministerin hat in den letzten Wochen dafür gekämpft, dass - wie in der Koalitionsvereinbarung mit der Union vorgesehen - zusammen mit dem Kinderfreibetrag und dem Kindergeld auch der steuerliche Entlastungsbetrag für Alleinerziehende deutlich angehoben wird.

Diese Anhebung war überfällig, denn seit seiner Einführung im Jahre 2004 liegt der Freibetrag unverändert bei 1.308 Euro. Der Kinderfreibetrag und das Kindergeld wurden seitdem um fast ein Viertel erhöht. Und für ein Ehepaar mit einem Kind ist die durchschnittliche Steuerentlastung aus dem Ehegattensplitting derzeit etwa fünfmal so hoch wie die Steuerentlastung einer Alleinerziehenden mit einem Kind durch ihren Freibetrag.

Die jetzt beschlossene Anhebung des Entlastungsbetrages um 600 Euro auf 1.908 Euro ist daher ein großer Erfolg.

Flexiblere Betreuungsangebote

Ein bedarfsdeckendes Angebot an Kinderbetreuungsplätzen und Ganztagsschulen bleibt insbesondere für Alleinerziehende die entscheidende Voraussetzung für eigene Erwerbstätigkeit. Hier ist, trotz der erheblichen Fortschritte in den zurückliegenden Jahren, noch viel zu tun. Das gilt in den alten Bundesländern vor allem für das Angebot ganztägiger Betreuung.

Wir haben deshalb auch dafür gesorgt, dass nun mit den zusätzlichen Finanzhilfen, die der Bund ab 2015 für den Kita-Ausbau zur Verfügung stellt, gezielt in die Ganztagsbetreuung investiert wird. Und dass mit einem 100-Mio-Programm zum Ausbau von Randzeiten-Kitas, künftig vor allem Alleinerziehende besser unterstützt werden, die im Schichtdienst, frühmorgens, abends oder nachts arbeiten müssen.

Familienorientierte Arbeitszeiten

Und was schließlich die notwendige Zeit für Familie angeht: die allermeisten Eltern, erst recht wenn sie allein mit ihren Kindern leben, brauchen Zeit für ihre Kinder. In der Elternzeit ist das neue Elterngeld Plus ein gutes Angebot gerade auch für Alleinerziehende, das Teilzeittätigkeiten leichter macht. Aber viele wünschen sich auch zumindest für einige Jahre eine Beschäftigung unterhalb von Vollzeit, um den Spagat zwischen Beruf, Familie und Haushalt leisten zu können.

Damit jedoch familienbedingte Teilzeit nicht zur biographischen Sackgasse wird, werden wir noch in diesem Jahr den Rechtsanspruch auf befristete Arbeitszeitreduzierung auf den Weg bringen, also den Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit um ein Rückkehrrecht zur vorherigen Arbeitszeit ergänzen.


Unsere nächsten Schritte

Bei allem, was wir erreicht haben: es bleibt noch viel zu tun. Politik für Alleinerziehende findet viele Anknüpfungspunkte: Familien- und Arbeitsmarktpolitik, Bildungs- und Rechtspolitik. Aus unserer Sicht geht es zukünftig vor allem um folgende Schwerpunkte:

Ausbau des Unterhaltsvorschusses

Im Bereich der Familienleistungen setzen wir weiter auf eine Flexibilisierung des Unterhaltsvorschusses. Er unterstützt Alleinerziehende, wenn Unterhaltszahlungen für das Kind vom anderen Elternteil ausbleiben. Derzeit ist die Bezugsdauer des Vorschusses auf maximal sechs Jahre, längstens bis zum 12. Geburtstag eines Kindes begrenzt. Viele Betroffene empfinden diese Begrenzung zu Recht als willkürlich und kritisieren den Wegfall der Unterstützung ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo der finanzielle Aufwand für ein Kind mit Beginn der Pubertät noch einmal deutlich steigt. Deshalb muss die Begrenzung auf den 12. Geburtstag um mindestens zwei Jahre angehoben werden.

Alleinerziehende im SGB II beantragen heute den Unterhaltsvorschuss, der mit dem Kinderbedarf vollständig verrechnet wird. Wir plädieren dafür, die Zeiten des Unterhaltsvorschuss-Bezuges im SGB II an den regulären Bezug anzuhängen.

Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung

Wir fordern seit langem, den Rechtsanspruch auf einen Platz in Kita oder Tagespflege ab dem ersten Geburtstag eines Kindes im nächsten Schritt zu einem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung und auf Ganztagsschule für die Kinder von Alleinerziehenden weiter zu entwickeln. Das wäre ein wesentlicher Schritt, um Müttern und Vätern ohne Partner/in verlässliche Rahmenbedingungen für ihre Erwerbstätigkeit zu geben. Alleinerziehenden, vor allem Frauen, sind zudem durch entsprechende Betreuungsangebote gezielt Wege aus dem Arbeitslosengeld II in Beschäftigung zu eröffnen und zu erleichtern.

Geförderte Familienarbeitszeit

Wir arbeiten weiter an einem konkreten Konzept einer Familienarbeitszeit. Wie die Rückmeldungen im Rahmen unseres Bürgerdialogs erneut sehr deutlich gezeigt haben, ist sie die richtige und zeitgemäße Antwort auf ein weit verbreitetes Bedürfnis vor allem von Alleinerziehenden: Für einige Jahre weniger zu arbeiten, sich mit der nötigen Zeit um Kinder kümmern zu können und über einen teilweisen Lohnausgleich dennoch wirtschaftlich abgesichert zu sein.

Familie ist dort, wo Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen.

Für alle, die sich in ihrer Familie um andere kümmern, wollen wir auch künftig Politik machen. Wir wollen ihnen die Unterstützung geben, die sie brauchen. Damit Frauen und Männer ihre Lebensentwürfe verwirklichen und alle Kinder gesund, materiell abgesichert und mit gleichen Teilhabechancen aufwachsen können.

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Quelle:
SPD-Pressemitteilung 134/15 vom 20. Juni 2015
Herausgeber: SPD Parteivorstand, Pressestelle
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Tel.: 030/25 991-300, Fax: 030/25 991-507
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juni 2015

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