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RECHT/406: Keine Mietrechtsreform zu Lasten der Mieter


SPD-Pressemitteilung 313/12 vom 27. September 2012

Keine Mietrechtsreform zu Lasten der Mieter



Zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Mietrechtsänderungsgesetz für "energetische Modernisierungen", das heute im Bundestag in erster Lesung beraten wird, erklärt die Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen Anke Pörksen:

Mietverträge sind wie alle Verträge grundsätzlich für beide Seiten bindend. Sie sollen ein ausgewogenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung darstellen. Die schwarz-gelbe Bundesregierung lässt diesen Gerechtigkeitsgrundsatz außer Acht, indem sie unter dem Deckmantel der Energiewende mit dem von ihr eingebrachten Mietrechtsänderungsgesetz nach Abschluss des Mietvertrages die Leistungspflichten einseitig zu Lasten der Mieter verschiebt.

Das beginnt schon mit den beabsichtigten Regeln zu den vertraglichen Folgen aus der Beeinträchtigung der Mietnutzung während der Bauarbeiten für die Modernisierungsmaßnahme. Solche Bauarbeiten können die Mietwohnung etwa wegen Lärms, fehlender Warmwasserversorgung und Abschaltens der Heizung unbrauchbar machen und führen oft zu einer massiven Beeinträchtigung des Gebrauchswerts. Normalerweise ist der Mieter bei solchen Beeinträchtigung zur Minderung der Miete für die Zeit der Bauarbeiten berechtigt. Gleichwohl soll der Mieter nach dem Willen der Bundesregierung aber für bis zu drei Monate die Miete in voller Höhe weiterzahlen. Der Bundesrat rügt dies zu recht als eine systemwidrige Störung des vertragsimmanenten Prinzips der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung.

Das Hauptanliegen des Gesetzentwurfs liegt darin, den Mieter die Baukosten für die energetische Modernisierung über eine jährliche Mieterhöhung in Höhe von 11 % der Baukosten bezahlen zu lassen. Diese Mieterhöhung geht regelmäßig deutlich über den Betrag hinaus, den der Mieter vielleicht durch die Modernisierungsmaßnahme an Energiekosten spart.

Der Gesetzentwurf nimmt darauf keine Rücksicht. Die Bundesregierung will die Kosten der energetischen Sanierung einseitig und dauerhaft auf den Mieter umlegen.

Mit den Rechtsschutzmöglichkeiten der Mieter nimmt es die Bundesregierung nicht so genau: Das Recht des Mieters, eine Modernisierungsmaßnahme wegen einer unangemessenen Härte ablehnen zu können, soll nunmehr auf einen Zeitraum von einen Monat nach der Ankündigung der Maßnahme befristet werden. Danach kann der Mieter nicht mehr widersprechen, gleichgültig wie hart er betroffen ist. Über diesen Fristablauf muss der Mieter nicht einmal informiert werden. Der Forderung des Bundesrats, den Mieter in der Ankündigung auch auf den Fristablauf hinzuweisen, wie es im Zivilrecht allgemein üblich ist, möchte die Bundesregierung sich nicht anschließen.

Mit dem Änderungsgesetz soll dem Vermieter die Möglichkeit eingeräumt werden, diejenigen Mieter per einstweilige Verfügung vor die Wohnungstür zu setzen, die ihre Miete nicht zahlen können oder wollen. Der damit verbundene Eingriff in die Grundrechte der Art. 2, 13 und 14 GG könnte unverhältnismäßig sein und deshalb vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erkannt werden.

Problematisch ist auch der Vorschlag, dass jeder Beklagte im Zivilprozess eine Sicherheit für diejenigen Teile einer Klageforderung leisten soll, die zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch gar nicht fällig sind, wenn die Klage insoweit hohe Aussicht auf Erfolg hat und eine solche Sicherheitsleistung nach Abwägung der Interessen gerechtfertigt erscheint. Eine solche Regelung würde jedoch dazu animieren, Klage schon vor Fälligkeit einer Forderung zu erheben, wenn der Beklagte noch gar nicht zu einer Zahlung verpflichtet ist. Eine solche Regelung könnte missbraucht werden, um einen wirtschaftlich Unterlegenen zu zwingen, eine rechtlich gar nicht bestehende Schuld dennoch zumindest teilweise anzuerkennen.

Mutwillig übersehen hat die schwarz-gelbe Bundesregierung, wo tatsächlich dringender Reformbedarf im Mietrecht besteht: Bei der Regelung der Miethöhe. Wichtig wäre es, in Mietspiegeln zur Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht nur die Neuabschlüsse der letzten vier Jahre, sondern die Miethöhe aller Verträge in einem Gebiet zu berücksichtigen, für Neuabschlüsse eine wirksame Obergrenze von maximal 10 % über der Vergleichsmiete einzuführen und Mieterhöhungen bis zu dieser Vergleichsmiete auf höchstens 15 % in vier Jahren zu begrenzen. Damit könnte insbesondere in Großstädten der schleichenden Verdrängung von Mietern, die nur geringe Mieten zahlen können, durch Besserverdienende wirksamer begegnet und einer sozialen Entmischung und Gettoisierung entgegengewirkt werden.

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Quelle:
SPD-Pressemitteilung 313/12 vom 27. September 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2012