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SCHLESWIG-HOLSTEIN/1850: Rost-Fässer im AKW Brunsbüttel - Kontroverse um Atomaufsicht (Landtag)


Der Landtag Schleswig-Holstein
Parlamentszeitung Nr. 04 - April 2012

Rost-Fässer im AKW Brunsbüttel: Kontroverse um Atomaufsicht
Schmalfuss weist Vorwürfe zurück



Die verrosteten Fässer mit radioaktivem Müll, die im Januar auf dem Gelände des Atomkraftwerks Brunsbüttel entdeckt wurden, haben zunächst die Atomaufsicht alarmiert und dann im Landtag für eine heftige Kontroverse zwischen Koalition und Opposition gesorgt. Der für Reaktorsicherheit zuständige Justizminister Emil Schmalfuß (parteilos) griff die Grünen und insbesondere ihren - bei der Landtagssitzung aufgrund einer Erkrankung nicht anwesenden - Fraktionsvorsitzenden Robert Habeck wegen dessen Kritik an der Atomaufsicht scharf an. Habecks "pauschale Unterstellungen" seien "unangemessen und unpassend", so Schmalfuß.


Habeck hatte dem Minister in zwei Pressemitteilungen Anfang März vorgeworfen, eine rechtzeitige Information der Öffentlichkeit "verschlafen" zu haben und ihn aufgerufen, "nicht schlampig zu arbeiten". Im Landtag attackierte der auf FDP-Ticket ins Kabinett berufene Schmalfuß die "hysterischen Kommentierungen" des Vorfalls durch die Grünen. Denn: "Trotz der korrodierenden Fässer waren und sind die Gesundheit des Betriebspersonals und der Bevölkerung zu keinem Zeitpunkt gefährdet."

Detlef Matthiessen untermauerte im Landtag die Grünen-Kritik: "Ist denn nie der Zustand der gelagerten Fässer geprüft worden? Gibt es kein Einlagerungskataster für mittelaktive Abfälle?" Auch Detlef Buder (SPD) erhob Vorwürfe gegen das Schmalfuß-Ministerium. Die Atomaufsicht habe den Kreis Dithmarschen als zuständige Katastrophenschutzbehörde nicht informiert: "Das ist keine verantwortungsvolle Kommunikation mit der betroffenen Bevölkerung." Demgegenüber attestierte Oliver Kumbartzky (FDP) der Atomaufsicht, "umsichtig" zu handeln. Und an die Grünen gerichtet: "Ihnen sind wirklich alle Mittel recht um die Bevölkerung zu verunsichern." Lars Harms (SSW) stellte heraus: "Die Atomaufsicht ist nicht das Problem, sondern das Atomgesetz ist das Problem", weil es dem Land zu wenige Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten einräume.

Breite Kritik an Vattenfall

Einig waren sich alle Redner in ihrer scharfen Kritik am Kraftwerksbetreiber Vattenfall, der das Fass-Problem bereits am 15. Dezember letzten Jahres festgestellt, die Atomaufsicht aber erst nach einer TÜV-Prüfung am 10. Januar informiert hatte. Die Oppositionsforderung, dem schwedischen Unternehmen unverzüglich die Betriebserlaubnis zu entziehen, stieß bei Schwarz-Gelb aber auf Widerstand. Jens Magnussen (CDU) verwies darauf, dass es kaum gelingen werde, einen Nachfolger für das seit 2007 fast durchgehend stillstehende Kraftwerk zu finden: "Wer baut das AKW dann zurück?" Schwarz-Gelb drängte zudem auf eine "zügige Inbetriebnahme" des Endlagers Schacht Konrad in Niedersachsen, wohin die Brunsbütteler Fässer abtransportiert werden sollen. Die Anlage soll nach derzeitigem Stand frühestens 2019 bereit stehen.

Die Linken machten sich dafür stark, auch das Kernkraftwerk Brokdorf "unverzüglich" stillzulegen. Das Kraftwerk, seit 1986 am Netz, soll laut den Plänen zur Energiewende noch bis 2021 Strom liefern. "Das ist in unseren Augen unverantwortlich", mahnte der Abgeordnete Björn Thoroe und verwies auf die jüngst festgestellte Häufung der Krebserkrankungen im nahe gelegenen Wewelsfleth. Vor der Tür des Landeshauses forderten gleichzeitig auch etwa 50 Demonstranten aus der Region, das Kraftwerk abzuschalten.

(Drs. 17/2353neu, /2360, /2382, /2414)

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Quelle:
Der Landtag Schleswig-Holstein, Nr. 04 im April 2012, S. 7
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2012