Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE

SACHSEN-ANHALT/323: ZwischenRuf 4-2014 - Das Magazin des Landtages


ZwischenRuf 4/2014
Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt

Mehr Rechte für Kinder

Parlamentsreform verankert Ansprüche von Kindern und Eltern




INHALT

IM BLICKPUNKT
Reformen wie aus einer Hand
Beim Gesetzgebungsverfahren zur Parlamentsreform verblüfften alle Fraktionen im Landtag mit ihrer Einmütigkeit bei der Entscheidungsfindung.

Verfassungsrichter neu gewählt
Der Landtag bestätigte Winfried Schubert in seinem Amt als Präsident des Landesverfassungsgerichts.

AUS DEM PLENUM
Waagschalen ausgeglichen füllen
Ein Landesprogramm soll die Gleichstellung von Frauen und Männern in Sachsen-Anhalt voranbringen.

Debatte um Fördermittelvergabe
Der mögliche Fördermittelskandal beim Bau der Jahn-Sporthalle in Wolmirstedt war Thema einer hitzigen Aktuellen Debatte im November-Plenum.

Familienförderung unter der Lupe
Wie es um die Familienförderung in Sachsen-Anhalt steht, war Thema einer Großen Anfrage.

Problem ernsthaft angehen
In Leipzig haben Ermittler eine Rekordmenge von 2,9 Tonnen des Grundstoffs der Droge Crystal Meth sichergestellt. Der Landtag diskutierte das Thema.

SACHSEN-ANHALT
Bekenntnis zum Wert des Lebens
Nach einem ökumenischen Gottesdienst im Magdeburger Dom fand im Landtag die zentrale Gedenkstunde zum Volkstrauertag statt.

Der millionenfachen Morde gedenken
Landtagspräsident Detlef Gürth erinnerte an Mord und Zerstörung während der Reichsprogromnacht im November vor 76 Jahren.

RÜCKBLICK
"Endlich raus aus der Meckerecke"
Im Interview blickt Landtagspräsident Detlef Gürth auf die letzten zwölf Monate des politischen Jahres zurück und zieht sein persönliches Resümee.

Spuren der Wende
Jugendliche aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sprachen mit Zeitzeugen über die friedliche Revolution von 1989.

EINBLICK
Jede Menge Verantwortung
Berufe im Landtag: Die Ausschussassistenten des Landtags sorgen für ein gut organisiertes Beratungsumfeld der Abgeordneten.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

VOM "GUTEN TON" - Arbeitsplatz Plenum: Letzter Teil der Artikelserie über die Arbeitsweise des Landtags.

REGION IM WANDEL - Vom Aschenputtel zur Seejungfrau: Bitterfeld-Wolfen ist heute nicht mehr wiederzuerkennen.

HOCHWASSER BÄNDIGEN - Verlängerung der Antragsfristen für Ausgleichszahlungen war Thema in der AG Hochwasserschutz.

*

BODENSTÄNDIGKEIT KOMMT BEIM BÜRGER AN

Mehr als 5.000 Besucher beim Tag der offenen Tür

Strahlender Sonnenschein, gute Stimmung und ein volles Haus - das war der Tag der offenen Tür 2014 im Landtag von Sachsen-Anhalt. Über 5.000 Besucher nutzten am Tag der Deutschen Einheit die Chance, einmal hinter die Kulissen des Landtags zu blicken. Probesitzen im Plenarsaal, ein Blick über die Schulter der Landtagsstenografen, ein Bürgerforum zum Thema Bauen und viele Gespräche mit Landtagsabgeordneten aller Fraktionen - der Landtag hatte jede Menge zu bieten.

Als Besucher mit dabei waren auch Helga und Falk Hofmann aus Hohenwarsleben. Nach dem Rundgang durch den Landtag waren sie voll des Lobes: "Besonders die Offenheit fanden wir gut, es gab keine Kontrollen, es war locker, alle Büroräume waren geöffnet. Es gab keine übertriebene Eleganz, und man bekam nie den Eindruck, dass hier viel Geld für wenig Arbeit ausgegeben wird. Großartig!"

*

Mongolischer Botschafter zu Gast im Landtag

Endlose Steppe, am Horizont eine einsame Jurte und ab und zu eine Rentierherde - dieses Bild prägt auch heute noch unsere Vorstellung von der Mongolei. Dass das Land zwischen China und Russland mittlerweile sehr viel mehr zu bieten hat, war eines der Themen beim Antrittsbesuch des mongolischen Botschafters, S.E. Tsolmon Bolor, im Oktober im Landtag von Sachsen-Anhalt. Der 48-Jährige studierte zwischen 1984 und 1989 am Institut für Internationale Beziehungen in Potsdam und spricht daher sehr gut Deutsch. Danach absolvierte er eine Ausbildung an der Diplomatischen Akademie in Wien. Seit April 2014 ist er Botschafter der Mongolei in Deutschland. Das Land ist mehr als viermal so groß wie Deutschland, hat allerdings nur knapp 3,2 Millionen Einwohner. In diesem Jahr feierte die Mongolei das 40. Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Bundesrepublik Deutschland. Übrigens, die Mongolei ist im nächsten Jahr offizielles Partnerland der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin.

Stefanie Böhme

*

Diplomatischer Besuch aus dem Land der Bären

Wussten Sie, dass in Slowenien mehr Bären pro Quadratkilometer leben als in jedem anderen Land der Erde? Außerdem wurde das älteste Holzrad der Welt in Slowenien gefunden. 1991 wurde das Land vom damaligen Jugoslawien unabhängig und feierte in diesem Jahr seine zehnjährige Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Mehr als die Hälfte des Alpenlandes ist mit Wäldern bedeckt, es profiliert sich mit vielfältigen Naturschutzmaßnahmen. Seit September 2014 hat Slowenien mit Ihrer Exzellenz Marta Kos Marko eine neue Botschafterin in Deutschland. Im Oktober kam sie zu ihrem Antrittsbesuch von der Spree an die Elbe. Landtagspräsident Detlef Gürth empfing sie und den slowenischen Honorarkonsul Martin F. Bergmann zu einem ersten Gespräch in seinem Amtszimmer. Botschafterin Marko studierte in Ljubljana Journalismus und arbeitete zwischen 1990 und 1993 drei Jahre lang als Redakteurin für die Deutsche Welle in Köln. 1997 wurde sie Regierungssprecherin in ihrer Heimat und drei Jahre später Vizepräsidentin der Handwerkskammer in Ljubljana.

Stefanie Böhme

*

KOLUMNE

Immer wieder sonntags ...

Von Kurzen und Kürzen - Parlamentsreform sei Dank!

Einigkeit herrscht unter den Fraktionen im Landtag ja nicht allzu oft. Wenn es aber doch einmal geschieht, kann man davon ausgehen, dass handfeste Entscheidungen getroffen werden. Seit vielen Monaten wird landauf, landab kontinuierlich über Schrumpfungsprozesse und die Verfassung des Landes (also die wirtschaftliche, soziale und kulturelle) gesprochen und geschrieben. Ja, es geht mal wieder um den demographischen Wandel - Weiteres muss man dazu eigentlich nicht mehr sagen. Meint man zumindest. Der Landtag sieht das ein wenig anders und sich in der Pflicht, dieser Entwicklung zu begegnen. Eine Reihe von Reformen wurde jetzt in ein Gesetz gepackt, ein paar davon schauen wir uns mal genauer an.

Seit November stehen erstmals direkte Kinderrechte in der Verfassung! Jedes Kind hat demnach ein Recht auf Achtung seiner Würde als eigenständige Persönlichkeit. Dazu kommt das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Studienrat Degenbruschs Schläge mit dem Tafellineal anno 1912 gehören zwar längst der Vergangenheit an, doch auch den schlagkräftigen Argumenten häuslicher Erziehungsberechtigter soll nun endlich ein Riegel vorgeschoben werden! Aber: Gebannt auf Papier, verbannt nun von hier? Man wird sehen.

In der Reform geht es aber nicht nur um die "Kurzen", sondern auch ums Kürzen. Je zweimal vier Köpfe soll's kosten - welche Dramatik! -, wenn 2016 und 2021 zur Landtagswahl aufgerufen wird. Doch eigentlich werden nur die Wahlkreise beschnitten, sodass am Ende noch 41 von 45 übrigbleiben, also 83 statt der bisherigen 91 Abgeordneten. Aber wir haben doch 105, fragen Sie sich? Ach, wer blickt da durch - Überhang, Ausgleich - da wird wieder gerechnet werden müssen! Dass sich die Zahl der Abgeordneten nach 2006 noch weiter verringert, ist übrigens ein Zugeständnis an unsere schrumpfende Bevölkerung.

Eine Verordnung, jünger zu werden, dürfte wenig Früchte tragen, "die Alten" wird man (zwecks Senkung des Durchschnittsalters) kaum danach fragen dürfen, in ein anderes Bundesland (Bayern vielleicht?) zu ziehen, oder?! Aber ihr jungen Menschen ... wo wir doch jetzt Kinderrechte in der Verfassung haben ... wäre es da nicht möglich, nun ja, ein Gebot der Stunde sogar, mehr Liebe zu verteilen? Denken Sie doch mal drüber nach, was Sie für Ihr Land tun können!

Apropos Wahl: Der Landtag bestimmt zukünftig allein darüber (nicht mehr auf Vorschlag der Landesregierung), wann er neu gewählt werden soll - nach Ablauf der Legislaturperiode oder zwischendurch, wenn er aufgelöst worden ist. In § 9 des Wahlgesetzes steht übrigens: "Wahltag muss ein Sonntag sein." Jetzt müsste man nur noch gutes Wetter ins Gesetz schreiben können, dann wäre eine 45-Prozent-plus-Wahlbeteiligung ja schon so gut wie sichergestellt ...

Dr. Stefan Müller

*

IM BLICKPUNKT

Wo das Zwischenrufen zum "guten Ton" gehört

Parlamentarische Arbeit im Landtag in seiner Vielseitigkeit darzustellen, ist wohl nicht die einfachste Aufgabe, bedenkt man allein die Vielzahl der Fragen, die sich den Besucherinnen und Besuchern bei einem Aufenthalt im Landtag stellen. Einen Überblick über das große Ganze der parlamentarischen Arbeit im Landtag von Sachsen-Anhalt zu schaffen, ist das Anliegen der vierteiligen Artikelreihe des Landtagsmagazins.

Für den ersten Teil wurde im Heft 03/2013 ein Einblick in die Herausforderungen der Wahlkreisarbeit gegeben. In der ZwischenRuf-Ausgabe 04/2013 konnten die Arbeitsprozesse und die Funktion der Fachausschüsse als "Werkstätten des Landtages" dargestellt werden. Den vorletzten Baustein bildete die Fraktionsarbeit unter dem Titel "Vollzeit in vermittelnder Rolle" im Heft 02/2014. Nun führte der letzte Artikel der Reihe ZwischenRuf-Redakteurin Annekatrin Barth für das aktuelle Magazin wieder zum Ursprung der Idee, in den Landtag zu den Geschehnissen vor und während einer Plenarsitzung. Hierfür begleitete sie für einen Tag die Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Prof. Dr. Claudia Dalbert.


Es ist 9 Uhr an einem Donnerstagmorgen im September, als Prof. Dr. Claudia Dalbert, die Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Parlamentsgebäude betritt und ihren Arbeitstag im Landtag von Sachsen-Anhalt beginnt. Im Blick hat sie die Uhr, immerhin hat die Grünen-Politikerin vor Sitzungsbeginn um 10 Uhr noch einiges zu erledigen. In der Geschäftsstelle ihrer Fraktion warten schon der Pressesprecher und Fraktionsreferenten, um noch aktuelle Absprachen zu treffen. "Dazu gehören unter anderem Presseanfragen, auf die noch kurzfristig zu reagieren ist, sowie Absprachen zu den Terminen des Tages", erklärt Claudia Dalbert.

Ab 9.45 Uhr füllt sich allmählich der Plenarsaal mit den Abgeordneten. Dort haben alle 105 Landtagsmitglieder innerhalb der jeweiligen Fraktionsblöcke ihren festgelegten Platz. Es herrscht also eine klare Sitzordnung. Aus Sicht des Redners sitzt die Fraktion DIE LINKE links, daneben befinden sich die Blöcke von SPD- und CDU-Fraktion sowie der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rechts.

Auf insgesamt 100 Besucherplätzen, verteilt auf zwei Zuschauertribünen, können Medienvertreter, Besuchergruppen, aber auch Einzelbesucher die Debatten live verfolgen. "Solche Sitzungstage gehen in der Regel bis 20 Uhr. Das sind intensive und - insbesondere wenn wir noch Abendtermine haben - lange Arbeitstage", so Claudia Dalbert.

Zur Person
Prof. Dr. Claudia Dalbert wurde am 9. August 1954 in Köln geboren. Nach dem Abitur studierte sie Psychologie, promovierte 1987 und habilitierte 1995. Von 1979 bis 1988 war Claudia Dalbert an der Universität Trier beschäftigt, danach bis 1989 als Akademische Rätin im Weiterbildungsstudiengang Gerontologie an der Universität Osnabrück, Abteilung Vechta.
Es folgte eine Anstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Von 1990 bis 1996 übernahm sie eine wissenschaftliche Assistenz an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Anschließend nahm sie eine Vertretungsprofessur an der Universität Kaiserslautern auf. Seit 1998 hat Claudia Dalbert eine Ordentliche Professur für Psychologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg inne.
Seit ihrem Parteieintritt 2007 engagiert sie sich in der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und übernahm 2008 bis 2011 den Landesvorsitz in Sachsen-Anhalt. Mit Beginn der 6. Wahlperiode ist Dalbert Mitglied im Landtag von Sachsen-Anhalt. Ihre Professur ruht seither. Die Psychologin ist seit 2011 Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Außerdem ist sie Mitglied des Ausschusses für Bildung und Kultur sowie Mitglied im Ältestenrat.

Zu Beginn eines Sitzungstages trägt sich jedes Mitglied des Landtags zuerst in eine Anwesenheitsliste im Eingangsbereich des Plenarsaals ein. Hintergrund: Grundsätzlich herrscht im Landtag von Sachsen-Anhalt für alle Volksvertreterinnen und -vertreter Anwesenheitspflicht; Abgeordnete sind verpflichtet, an den Arbeiten des Landtags teilzunehmen. Auch können der Landtag und seine Ausschüsse die Anwesenheit eines jeden Mitglieds der Landesregierung verlangen. "Die Mitglieder der Landesregierung haben die Pflicht, den Sitzungen des Landtags beizuwohnen", verdeutlicht Prof. Dalbert. Ihre Abwesenheit muss unter Angabe von Gründen dem Präsidenten rechtzeitig vor der Sitzung mitgeteilt werden. Ist ein Regierungsmitglied abwesend, kann es sogar zur Landtagssitzung zitiert werden.

Pünktlich um 10 Uhr eröffnet Landtagspräsident Detlef Gürth mit der Feststellung der Beschlussfähigkeit die Plenarsitzung. Hierfür müssen mehr als die Hälfte der Landtagsmitglieder anwesend sein. Sofern die Beschlussfähigkeit vor einer Abstimmung nicht durch mindestens ein Mitglied angezweifelt wird, bleibt der Landtag auch arbeitsfähig, wenn während der Sitzung weniger als die Hälfte der Abgeordneten im Sitzungssaal ist.

Mit der Tagesordnung wird zu Beginn zunächst über die Reihenfolge der einzelnen Themen abgestimmt. Über diese entscheidet am Donnerstag vor jeder Landtagssitzung der Ältestenrat. Dabei folgt das Gremium in der Regel den Vorschlägen, die die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen im Vorfeld untereinander beraten haben.

Der Ältestenrat hat zuvor festgelegt, wie viel Zeit einem Redner für die Aussprache im Plenum zur Verfügung steht. Für die Mehrzahl der Themen verständigen sich die Fraktionen auf eine sogenannte Fünf-Minuten-Debatte. Dabei stehen jeder Fraktion und der Landesregierung jeweils fünf Minuten Redezeit zur Verfügung. Überschreitet ein Mitglied des Landtags die Zeit, folgt eine Ermahnung durch den Präsidenten. Sollte das Landtagsmitglied seine Ausführungen trotzdem nicht beenden, kann der Präsident ihm das Wort entziehen.

Neben der Fünf-Minuten-Debatte gibt es weitere Redezeitstrukturen, die von einer Gesamtdebattendauer pro Tagesordnungspunkt von 15 bis hin zu 360 Minuten gehen können. So hat zum Beispiel bei Aktuellen Debatten die Rednerin beziehungsweise der Redner zehn Minuten Zeit, um den Fraktionsstandpunkt zu Themen des allgemeinen Interesses oder Zeitgeschehens zu verdeutlichen. Jede Fraktion hat das Recht, sechs Mal im Jahr eine Aktuelle Debatte anzumelden.

Zeitunglesen und Blick ins Internet sind kein Privatvergnügen

"Sobald die Tagesordnung und die Redezeiten feststehen, können sich die Fraktionen und die Abgeordneten auf ihre Redebeiträge vorbereiten", erläutert die Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ab diesem Zeitpunkt brüten die Abgeordneten über ihren Reden. "Die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen erarbeiten ihre Reden selbst, immerhin sind sie durch die Ausschusssitzungen umfassend mit ihren Fachthemen vertraut", erklärt Claudia Dalbert.

Bei einer kleinen Fraktion wie den Grünen, die aus nur neun Volksvertretern besteht, entfallen mehrere Reden auf jeden Parlamentarier. Da in allen Fraktionen die gesamte Bandbreite der parlamentarischen Themen nur mit einer Arbeitsteilung effektiv zu bewältigen ist, bedeutet dies natürlich bei einer kleinen Fraktion, dass die Arbeit auf wenige Köpfe verteilt werden muss. Ihr persönlicher Rekord läge, so Claudia Dalbert, bei elf Reden für zwei Sitzungstage.

Wie sich die Politikerinnen und Politiker für ihre jeweiligen Reden präparieren und wie viel Zeit der Einzelne auf das Schreiben der Rede verwendet, ist laut Prof. Dalbert sehr individuell. In der Sitzung herrsche das Prinzip der freien Rede.

Doch nicht nur Redebeiträge müssen gut vorbereitet werden; auch gehört es zu den Aufgaben der Abgeordneten, sich stets - auch an Sitzungstagen des Landtags - umfassend über die Berichterstattung zu informieren. Daher stapeln sich neben den Anwesenheitslisten im Eingangsbereich zum Plenarsaal zum Beispiel aktuelle Tageszeitungen. Zeitunglesen und der Blick ins Internet während der Sitzung stellen sich in diesem Zusammenhang nicht als Privatvergnügen oder Ausdruck allgemeinen Desinteresses dar, sondern dienen der Information über tagesaktuelle politische Themen. "Mir ist es wichtig, während der Sitzung über die aktuellen Meldungen informiert zu sein", betont Dalbert, "das gibt mir die Möglichkeit, mir auch ein umfassendes Bild über die Standpunkte der anderen Fraktionen zu machen."

Eine immer bedeutender werdende Informationsquelle seien jedoch auch die sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter. "Meine Landtagskolleginnen und -kollegen nutzen diese immer häufiger, da es uns natürlich auch wichtig ist, Meinungen und Einschätzungen zu den jeweiligen Themengebieten und Tagesordnungspunkten aufzunehmen und unsere Standpunkte öffentlich zu vertreten", erklärt die Fraktionsvorsitzende.

Wundern sich auch Besuchergruppen immer wieder über das mediale Treiben auf den Landtagstischen, so ist es in diesem Zusammenhang grundsätzlich nicht verwunderlich, dass die mobilen Endgeräte in den letzten Jahren auch im Plenarsaal des Landtags vermehrt Einzug gehalten haben.

Die Plenarsitzung bietet den Mitgliedern des Landtags immer die Möglichkeit, mit verschiedensten Gesprächspartnern zusammenzukommen. "Da trifft man sich auch mal zu Gesprächen mit anderen Politikerinnen und Politikern, Interessenvertretern und Lobbyisten auf einen Kaffee im Landtagsrestaurant", erläutert Claudia Dalbert. In solchen Momenten bleibt der eigene Sitzplatz im Plenum leer, was gelegentlich den Eindruck völliger Abwesenheit vermittelt.

Gesetzentwürfe müssen in zwei Lesungen behandelt werden

Was in zumeist nichtöffentlichen Beratungen von Ausschüssen und Fraktionen fachlich wie politisch vorbereitet wurde, wird im Plenum noch einmal in der Öffentlichkeit erklärt, diskutiert und bewertet. Die Landesregierung gibt dort ihre Regierungserklärungen ab; die Abgeordneten entscheiden als gewählte Mitglieder des Landtags abschließend zum Beispiel über die Landesverfassung und den Landeshaushalt. Sie beschließen Gesetze, fassen Beschlüsse und fordern die Landesregierung per Antrag auf, in bestimmten Bereichen aktiv zu werden.

In der Regel werden Gesetzentwürfe und Anträge nach der Ersten Lesung mit der Stimmenmehrheit der Landtagsmitglieder in einen oder mehrere Fachausschüsse überwiesen. Nach der Diskussion in den Ausschüssen, die häufig auch zu Änderungsvorschlägen führt, kommen die Gesetzentwürfe oder Anträge als Beschlussempfehlung zur Zweiten Lesung zurück ins Plenum. Hier wird nun abermals darüber in der Form der Empfehlung des Ausschusses diskutiert und letztendlich abgestimmt.

Gesetzentwürfe müssen auf jeden Fall in zwei Lesungen behandelt werden. Drei Lesungen sind für Verfassungsänderungen vorgeschrieben. Neben Beschlüssen finden im Plenum auch Wahlen statt. So wählen die Volksvertreter/innen beispielsweise den Ministerpräsidenten, die Mitglieder des Landesverfassungsgerichts und den Landesdatenschutzbeauftragten.

Der wichtigste Grundstein für eine funktionierende Landespolitik ist der Landeshaushalt. Der Haushalt wird in einem parlamentarischen Verfahren verabschiedet, das dem Gesetzgebungsverfahren ähnelt.

Da es in den jeweiligen Fraktionen verschiedene Fachpolitiker - die Spezialisten in unterschiedlichen Themengebieten - gibt, sind für den oder die Einzelne nicht alle Tagesordnungspunkte während der Landtagssitzung von gleichem Interesse. "Bei unseren langen Sitzungstagen kommt es schon mal vor, dass bei Redebeiträgen, die das eigene Spezial gebiet nicht unmittelbar betreffen, die Konzentration besonders gefordert ist", räumt Claudia Dalbert ein. "Die Aufmerksamkeitsspanne auch bei uns Politikerinnen und Politikern ist begrenzt." Wichtig sei es jedoch, die Redebeiträge der eigenen Fraktionskollegen zu unterstützen.

Außerdem gehört laut Claudia Dalbert auch das Hereinrufen von Kommentaren und Äußerungen des Ge- oder Missfallens zum politischen "guten Ton" während der Sitzung. Immerhin versuchen die Fraktionen, die Plenarsitzung dazu zu nutzen, ihre jeweiligen politischen Positionen an die Öffentlichkeit zu tragen.

Nach der Plenarsitzung als Gesprächspartner gefragt

Nachdem pro Sitzung im Schnitt bis zu 15 Tagesordnungspunkte beraten wurden, schließt der Landtagspräsident in der Regel gegen 20 Uhr die Plenarsitzung. Doch damit ist der Arbeitstag für die Mitglieder des Landtags meist noch nicht beendet. Nach einer kurzen Pause sind die Abgeordneten in der Regel als Gesprächspartner bei einer "Parlamentarischen Begegnung" gefordert. Was sich wie ein geselliges Beisammensein anhört, dient der Vermittlung von spezifischen Themen und dem fachlichen Austausch der Abgeordneten mit Vertretern von Verbänden, Vereinen und Interessengruppen. Am Freitagmorgen geht die Landtagssitzung dann um 9 Uhr in gewohnter Weise weiter.

Annekatrin Barth



Das Plenum

Die Zusammenkunft aller Mitglieder des Landtags wird als Plenum bezeichnet. Diese Bezeichnung ist begrifflich auf das lateinische plenum consilium - die vollzählige Versammlung - zurückzuführen.

Das Plenum und die Ausschüsse nehmen unterschiedliche Funktionen wahr: Bereiten in den Ausschüssen fachlich spezialisierte Abgeordnete in oft bis in Detailfragen hinein geführten Beratungen die Beschlüsse zu Gesetzentwürfen, Anträgen und anderen Vorlagen fachlich wie politisch vor, werden sie dann im Plenum vor den Augen der Öffentlichkeit verabschiedet.

Das Plenum ist also der öffentliche Ort, an dem das demokratische Parlament nachvollziehbar durch Mehrheitsentscheidungen festlegt, was künftig für alle Bürgerinnen und Bürger des Landes gelten soll. Im Zentrum der Plenarsitzungen steht dabei nicht mehr die detaillierte fachliche Erörterung von Vorschlägen und ihren Alternativen. Das ist in den Fachausschüssen erledigt worden.

Im Plenum geht es neben der Entscheidung in der davor geführten Debatte vor allem darum, gegenüber der Öffentlichkeit die wesentlichen Entscheidungsgründe transparent zu machen und gegebenenfalls auch zu erklären, warum man eine Alternative bevorzugt.

Sind Entscheidungen umstritten, wird mitunter lange und heftig debattiert. Zu unstrittigen Projekten wird dagegen gelegentlich sogar auf eine Aussprache verzichtet - dennoch könnte sich jedes Mitglied des Landtags unter Berufung auf sein Rederecht zu Wort melden. Man kann das Plenum als das "Schaufenster der Landespolitik" bezeichnen, auch wenn der davon abgeleitete Begriff der Schaufensterrede eher einen negativen Beiklang hat.

*

IM BLICKPUNKT

Reformen wie aus einer Hand

Beim Gesetzgebungsverfahren um ein umfangreiches Reformpaket verblüfften alle im Landtag vertretenen Fraktionen mit ihrer Einmütigkeit bei der Entscheidungsfindung. Zum Teil wurden grundlegende Beschlüsse gefasst.

Der Landtag hat in der November-Sitzungsperiode ein umfassendes Reformpaket verabschiedet, das unter dem Titel Parlamentsreform geführt wird. Das Regelungspaket führt zur Änderung der Landesverfassung, des Wahlgesetzes, des Volksabstimmungsgesetzes, des Abgeordnetengesetzes, des Fraktionsgesetzes und der Geschäftsordnung des Landtags. Der Beschlussempfehlung des Ältestenrats folgten die Mitglieder des Plenums mit großer Mehrheit. Bereits bei der Erstellung und der Annahme von Änderungsanträgen hatte es unter den Fraktionen große Einmütigkeit gegeben.

Langfristiges Ziel der Reform ist es, den demographischen Wandel auch im und durch den Landtag zu gestalten, gleichzeitig aber die Stärke der parlamentarischen Demokratie zu gewährleisten. Im Wahlrecht wurde die zu erzielende Zahl von Abgeordneten bei Landtagswahlen verändert, es geht konkret um die Verkleinerung des Landtags: Aus den bisher 91 Abgeordneten werden in der Legislaturperiode ab 2016 zunächst 87, bei der Landtagswahl 2021 sollen nur noch 83 Abgeordnete gewählt werden. Hinzu kommen allerdings - so notwendig - Überhang- und Ausgleichsmandate, die gemäß den gültigen Zweitstimmen auf die Fraktionen verteilt werden. Die Anzahl der Wahlkreise im Land Sachsen-Anhalt wird ebenfalls in zwei Schritten gemindert. Aus den ehemals 45 Wahlkreisen werden 2016 43, 2021 verbleiben 41.

Allem voran schlagen die Änderungen der Verfassung des Landes zu Buche. Sie haben besonderes Gewicht, sind sie doch nur mit einer Zweidrittelmehrheit des Plenums umzusetzen. Die erste wesentliche Änderung betrifft den Artikel 11 - "Eltern und Kinder". Der veränderte Artikel konzentriert sich nun verstärkt auf die Rechte und das Wohl der Kinder. So heißt es in Absatz 1: "Jedes Kind hat ein Recht auf Achtung seiner Würde als eigenständige Persönlichkeit, auf gewaltfreie Erziehung und auf den besonderen Schutz der Gemeinschaft vor Gewalt sowie körperlicher und seelischer Misshandlung und Vernachlässigung." Der neue Absatz 3 räumt Kindern das Recht auf Erziehung, Bildung und Betreuung sowie Versorgung in einer Tageseinrichtung ein. Kinderarbeit ist nach Absatz 4 verboten.

Mit Artikel 47 der Landesverfassung, der die Bildung von Fraktionen im Landtag regelt, findet ein Systemwechsel statt. Durch Absatz 1 wird das Zusammenspiel von Partei und Fraktion präzisiert: "Fraktionen sind Vereinigungen, zu denen sich Mitglieder des Landtages zusammenschließen können, die derselben Partei angehören oder von derselben Partei als Wahlbewerber aufgestellt worden sind." Parteien, die am Wahltag die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben, können im Parlament - jetzt unabhängig von der tatsächlichen Zahl ihrer Abgeordneten - eine Fraktion bilden.

Für die Entschädigung der Abgeordneten und die Höhe der Kostenpauschale wurde im Artikel 56 eine neue Berechnungsgrundlage eingeführt. Die Höhe der Entschädigung verändert sich in gleichem Maße wie das Bruttoeinkommen von abhängig Beschäftigten; die Veränderung der Kostenpauschale (für die zwei verschiedene Pauschalen zusammengeführt worden sind) orientiert sich an der allgemeinen Preisentwicklung in Sachsen-Anhalt. Näheres dazu ist im novellierten Abgeordnetengesetz (§ 6 und § 8) nachzulesen.

Einen Systemwechsel zieht auch der Artikel 58 der Verfassung nach sich. Er regelt die Belange der Immunität von Abgeordneten. In seiner Neufassung ist er eingekürzt und präzisiert worden: Grundsätzlich ist wie auch zuvor kein/e Abgeordnete/r vor Strafverfolgung "immun". Hatte es zuvor jedoch der Genehmigung des Parlaments bedurft, eine Strafverfolgung gegen ein Mitglied des Landtags einleiten zu dürfen, ist diese für die Ermittlungsbehörden nun nicht mehr notwendig. Die Strafverfolgung kann jedoch auf Verlangen des Parlaments ausgesetzt werden, wenn durch sie die parlamentarische Arbeit beeinträchtigt wird.

Die Anpassungen im Volksabstimmungsgesetz sollen mehr direkte Demokratie ermöglichen und Bürgerinnen und Bürger zu einer stärkeren Einflussnahme auf die Gesetzeslage im Land animieren. Für den Start eines Volksbegehrens sind fortan nur noch 6.000 statt wie bisher 8.000 Unterschriften notwendig. Bevor es schließlich an den Landtag weitergeleitet wird, müssen bei einer Abstimmung künftig nur noch mindestens neun statt elf Prozent der Wahlberechtigten dem Volksbegehren zugestimmt haben.

Im Zuge der Reformen gab es auch eine Reihe von Änderungen - sowohl in der Geschäftsordnung des Landtags als auch in den Verhaltensregeln beziehungsweise im Abgeordnetengesetz. Beide Bereiche sollen zu mehr Transparenz im Parlamentsgeschehen beitragen: Die Abgeordneten sind zur detaillierten Veröffentlichung von Nebentätigkeiten und Nebeneinkünften verpflichtet, um ihr unabhängiges Agieren nachprüfbar zu machen. Etwaige wirtschaftliche Interessenverknüpfungen müssen beispielsweise bei Beratungen/Entscheidungen im Ausschuss angezeigt werden.

Darüber hinaus wird ein neues Lobbyregister eingeführt, durch das erkenntlich werden soll, welche Institutionen von außen wie Einfluss auf die Schaffung von Gesetzen nehmen.

Mit dem neugeschaffenen § 45 des Abgeordnetengesetzes rückt die Ausübung des Mandats noch mehr als bisher in den Fokus. Sie steht laut Gesetz im Mittelpunkt der Tätigkeit der Landtagsmitglieder. Nebentätigkeiten beruflicher und anderer Art sind aber ausdrücklich zulässig und auch erwünscht. So wird den Abgeordneten die Chance gegeben, noch in Teilzeit ihrem herkömmlichen Beruf nachzugehen.

Nach der umfassenden Reform wird der Landtag selbst den Termin für die Landtagswahl festlegen, der Vorschlag kommt vom Präsidenten. Im früheren Wahlgesetz hatte die Landesregierung im Benehmen mit dem Landtagspräsidenten den Wahltag und die Wahlzeit bestimmt. Der Wochentag wurde bereits gesetzlich festgelegt: Gewählt wird an einem Sonntag.

Dr. Stefan Müller

*

IM BLICKPUNKT

Verfassungsrichter neu gewählt

Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat am 14. November die obersten Verfassungshüter des Landes und deren Stellvertreter neu gewählt. Genau einen Monat später endete die siebenjährige Amtsperiode des bisherigen Landesverfassungsgerichts.

Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat am 14. November 2014 die obersten Verfassungshüter des Landes neu gewählt. Einen Monat später endete die siebenjährige Amtsperiode des siebenköpfigen Landesverfassungsgerichts, dessen Mitglieder am 13. Dezember 2007 ihre Ernennungsurkunden erhielten.

Hauptsächlich beschäftigten sich die Verfassungshüter Sachsen-Anhalts in der zurückliegenden Amtsperiode mit der Gemeindegebietsreform. Die hatte ihnen eine Welle von Verfassungsbeschwerden und Anträgen auf Erlass einstweiliger Anordnungen eingebracht. Allein zum Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetz waren etwa 180 Verfahren anhängig, berichtet Frank Straube, Sprecher des Landesverfassungsgerichts.

Gegen die durch Parlamentsentscheid verordnete Neugliederung wehrte sich eine Vielzahl von Kommunen und ließ überprüfen, ob die einzelnen Eingemeindungen verfassungskonform seien. Doch lediglich bei Formfehlern wurde eine Zuordnung aufgehoben. "Bei den kommunalen Neugliederungen hat das Landesverfassungsgericht dem Gesetzgeber einen weiten politischen Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zugebilligt", sagt Gerichtssprecher Frank Straube.

Der Gesetzgeber - der Landtag von Sachsen-Anhalt - hatte als "verfassungsgebende Landesversammlung" 1992 die Verfassung von Sachsen-Anhalt verabschiedet, in der dem Landesverfassungsgericht ein eigener Abschnitt gewidmet worden war. Danach steht das Gericht als Verfassungsorgan gleichwertig neben Landtag und Landesregierung. "Oberstes Gericht", das womöglich andere Landesgerichte kontrolliert, ist dieser unabhängige Gerichtshof jedoch keinesfalls und auch keine Behörde, an die sich jedermann mit x-beliebigen Beschwerden wenden kann. Einzig und allein über die Einhaltung der Landesverfassung wacht das Gericht und hat darum nur die in der Verfassung verankerten Zuständigkeiten.

So hat es unter anderem bei Streitigkeiten über die Durchführung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden zu bestimmen, wenn entweder die Antragsteller selbst oder ein Viertel der Landtagsmitglieder beziehungsweise die Landesregierung dies beantragen.

Auch Städte und Gemeinden können sich an das Landesverfassungsgericht wenden, wenn sie ihr Recht auf Selbstverwaltung durch ein Landesgesetz verletzt sehen.

Anders als in zahlreichen anderen Bundesländern können Bürger in Sachsen-Anhalt Individualverfassungsbeschwerden aber nur gegen Landesgesetze, jedoch nicht gegen gerichtliche oder behördliche Entscheidungen richten.

Ein eigenes Landesgesetz regelt die Zusammensetzung des Landesverfassungsgerichts. Danach besteht es aus sieben Mitgliedern. Für jedes Mitglied wird ein Vertreter gewählt. Drei Mitglieder und ihre Vertreter haben Präsidenten der Gerichte des Landes oder Vorsitzende Richter an den oberen Landesgerichten zu sein. Die weiteren Mitglieder und ihre Vertreter sollen aufgrund ihrer Erfahrung im öffentlichen Leben für das Amt eines Mitglieds des Landesverfassungsgerichts besonders geeignet, und mindestens ein Mitglied und sein Vertreter müssen auf Lebenszeit ernannte Universitätsprofessoren des Rechts sein.

Nach Ablauf der siebenjährigen Amtszeit ist eine Wiederwahl möglich, eine dritte Legislatur als Mitglied des Landesverfassungsgerichts ist jedoch ausgeschlossen. Für die im November 2014 erfolgte Wahl des neben Landtag und Landesregierung dritten Verfassungsorgans hatte der Landtagsausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung einstimmig den Präsidenten des Oberlandesgerichts Naumburg, Winfried Schubert, und den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt, Lothar Franzkowiak, für eine zweite Amtszeit als Präsident und Vizepräsident des Landesverfassungsgerichts nominiert.

Auch für die übrigen fünf Mitglieder und alle Vertreter des Gremiums lag den Abgeordneten ein Vorschlag des Ausschusses vor. Laut Landesverfassung ist für ihre Wahl eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Abgeordneten, mindestens die Mehrheit der Mitglieder des Landtags, erforderlich. Die Ernennung der Gewählten durch den Ministerpräsidenten und ihre Vereidigung vor dem Landtag erfolgt voraussichtlich im Januar 2015.

Gudrun Oelze


Sachsen-Anhalts neue Verfassungsrichter

Winfried Schubert (Präsident)
06618 Naumburg *1951
Präsident des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt

Lothar Franzkowiak (Vizepräsident)
39175 Biederitz *1952
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt

Volker Buchloh (Mitglied)
06110 Halle/Saale *1959
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt

Prof. Dr. Michael Germann (Mitglied)
06114 Halle/Saale *1967
Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, Staatskirchenrecht und Kirchenrecht an der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Traudel Gemmer (Mitglied)
39106 Magdeburg *1949
Selbstständige Steuerberaterin, Wirtschaftsmediatorin und Existenzgründerberaterin

Dr. Friederike Stockmann (Mitglied)
06108 Halle/Saale *1957
Geschäftsführende Gesellschafterin der Friederike Stockmann GmbH

Dr. Detlef Eckert (Mitglied)
38820 Halberstadt *1951
Vorstandsmitglied im Paritätischen Sachsen-Anhalt, Vizepräsident des Behinderten- und Rehabilitations-Sportverbands Sachsen-Anhalt e.V.

Iris Goerke-Berzau (Vertreterin)
06618 Naumburg *1957
Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt

Helmut Engels (Vertreter)
39110 Magdeburg *1963
Präsident des Verwaltungsgerichts Magdeburg

Fritz Burckgard (Vertreter)
06862 Dessau-Roßlau *1960
Vorsitzender Richter am Finanzgericht Sachsen-Anhalt

Prof. Dr. Christian Tietje (Vertreter)
06114 Halle/Saale *1967
Lehrstuhlinhaber Öffentliches Recht, Europarecht und Wirtschaftsrecht an der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Stephan Rether (Vertreter)
39340 Haldensleben *1961
Leiter des Katholischen Büros Sachsen-Anhalt

Tatjana Stoll (Vertreterin)
38855 Wernigerode *1961
Erste Bevollmächtigte und Geschäftsführerin der IG Metall Halberstadt

Jutta Fiedler 8(Vertreterin)
06120 Halle/Saale *1943
Freie Autorin

*

REGIONALFENSTER

Vom Aschenputtel zur Seejungfrau

"Seh'n wir uns nicht in dieser Welt, dann seh'n wir uns in Bitterfeld". Dieser Zweizeiler, mit dem sich einst Kaufleute und Messereisende am Schnittpunkt der alten Handelsstraßen Magdeburg-Leipzig und Berlin-Kassel locker verabredeten, könnte heute Motto von Touristen aus aller Welt sein. Denn längst hat die Region um Bitterfeld ihr einstiges Schmuddel-Image abgestreift und präsentiert sich als moderner Industriestandort mit attraktiven Freizeitmöglichkeiten.

Seit 2007 eine Bindestrich-Kommune, ist Bitterfeld-Wolfen eine der jüngsten Städte in Deutschland, obwohl ihr ältester Ortsteil schon mehr als 800 Jahre alt ist. Durch den Zusammenschluss der beiden ChemieStädte und der Gemeinden Greppin, Holzweißig, Thalheim sowie Bobbau ist Bitterfeld-Wolfen nach Magdeburg, Halle, Dessau und der Lutherstadt Wittenberg mit 45.000 Einwohnern jetzt die fünftgrößte Stadt in Sachsen-Anhalt.

Dabei war ihr Untergang fast besiegelt, als kurz nach dem Mauerfall vor 25 Jahren das Aus für Bergbau, ORWO-Filmfabrik Wolfen und Chemiekombinat Bitterfeld kam. Die von Chemie geprägte und durch Umweltsünden geschundene Region schien keine Zukunft zu haben - und ist dennoch wie Phönix aus der Asche gestiegen. Denn dem Zusammenbruch der Werke, der Stilllegung der Anlagen und dem Verlust zehntausender Arbeitsplätze folgten Visionen, Ausgründungen, Neuinvestitionen und ein einzigartiger Strukturwandel, aus dem dank milliardenschwerer öffentlicher Förderung und privater Investitionen einer der heute bedeutendsten Wachstumsstandorte in Mitteldeutschland hervorging.

"Die Chemie stimmt" - neue Anlagen am alten Standort

Der ChemiePark als verbindendes Element im Zentrum der neuen Stadt Bitterfeld-Wolfen bietet Beschäftigung für mehr als 11.000 Menschen, die auf einem Areal von 1.200 Hektar in rund 350 Unternehmen arbeiten. Zu den namhaften Firmen, die dort investierten, gehört der Bayer-Konzern, der von Bitterfeld aus Tabletten in 50 Länder der Erde liefert, neben dem weltbekannten Aspirin auch andere rezeptfreie Arzneien - insgesamt acht Millionen Tabletten im Jahr.

Die neuen Anlagen am alten Chemiestandort sind umweltschonend und entsprechen dem Slogan "Die Chemie stimmt", Natur und Chemie haben sich ausgesöhnt. Zu den Standortvorteilen, mit dem der ChemiePark zusätzlich punkten kann, gehören ein Stoffverbund, der über ein weitverzweigtes Rohrbrückensystem zwischen verschiedenen Anliegern besteht, sowie die hervorragende infrastrukturelle Anbindung an das Autobahn- und Schienennetz.

Bitterfeld-Wolfens Industriegeschichte begann mit Wildkaninchen. Als Vertreter dieser Spezies Anfang des 19. Jahrhunderts "schwarze Erde" an die Oberfläche wühlten, wurde man auf die Kohle aufmerksam. Die Nachfrage danach war im Zuge der Industrialisierung überall enorm, sodass der Braunkohletagebau Bitterfeld und Wolfen ab 1839 zu einem schnellen Aufschwung verhalf. Auf eine Zeitreise über den wirtschaftlichen Aufbruch eines Landstrichs, der vor knapp 200 Jahren seinen bis dato ländlich geprägten Charakter abstreifte und sich zur größten Industrieregion Mitteldeutschlands wandelte, kann man sich im Industrie- und Filmmuseum Wolfen begeben.

Unweit vom Museum lenkt die Stadtverwaltung die Geschicke des neuen Bitterfeld-Wolfen - in einem im neoklassizistischen Baustil errichteten Gebäude, in dem die Filmfabrik Agfa Wolfen Ende der 1930er Jahre ein wissenschaftliches Zentrallaboratorium und die Werksleitung unterbrachte. Seit 2010 ist der markante Bau Sitz der Oberbürgermeisterin und repräsentatives Rathaus von Bitterfeld-Wolfen.

Das historische Rathaus in Bitterfeld beherbergt heute Standesamt und Bibliothek. Ganz in der Nähe hat das Kreismuseum sein Domizil. Schon 1892 begründet, erzählen die dortigen Sammlungen von der 800-jährigen Geschichte der Stadt. Zu deren Gegenwart und Zukunft ist es vom historischen Zentrum aus nur ein Katzensprung. Dann steht man am "Tor zur Goitzsche", am Stadthafen und an der Wasserfront von Bitterfeld - mit Blick auf einen riesigen See, den es vor wenigen Jahren noch gar nicht gab. Dort, wo der See die Stadt berührt, entstand ein Natur- und Freizeitparadies mit Uferpromenade, Anlegestelle für Fahrgastschiffe, Festplatz und Wasserspielplatz. Die Vision von der grünen Industriestadt am See, die Erholungsuchende aus nah und fern anzieht - in Bitterfeld-Wolfen ist sie Wirklichkeit geworden.

Landschaftspark Goitzsche: Vom Aschenputtel zur Seejungfrau

Die Seenlandschaft Goitzsche entstand, wo vor noch nicht allzu langer Zeit mit "Glück auf!" gegrüßt wurde. Jetzt heißt es auf dem Areal eines ehemaligen Braunkohletagebaus im Bitterfeld-Wolfener Revier eher: "Schiff ahoi!" - an der Goitzsche, einem der größten künstlich erschaffenen Seen in Deutschland, einem Paradies für Wasserratten, Badenixen, Segler und Surfer.

Durch Flutung wurde ein einer Mondlandschaft gleichendes Bergbaurelikt zu einer einzigartigen Landschaft geformt. Für die Verwandlung vom Aschenputtel zur Seejungfrau wurden Böschungen mit einer Gesamtlänge von rund 60 Kilometern gesichert, etwa 50 Millionen Kubikmeter Massen bewegt, zirka 235 Hektar land- und forstwirtschaftliche Flächen hergestellt und eine Wasserfläche von etwa 2.400 Hektar geschaffen - das Meer von Bitterfeld-Wolfen mitten in einem Landschaftspark.

Die Entstehung des der Erholung dienenden Naturraums wurde zum größten Landschaftskunstprojekt der Welt. Es kündet von der Wandlung eines ökologischen Brennpunktes zu einer guten Adresse für Bildung, Naturgenuss und Aktivurlaub. Denn im Landschaftspark Goitzsche gibt es sowohl Natur pur und "Wildnis aus zweiter Hand" als auch Großevents wie Motorboot-Meisterschaften und Musikfestivals. Kunst und Kultur haben auf und an der Goitzsche eine große Bühne. Weithin sichtbar ist der Pegelturm, den man über eine schwimmende Seebrücke erreicht. Über Wendeltreppen geht es zur Spitze des Kunstwerks, von wo sich ein atemberaubender Blick auf das ehemalige Tagebaugebiet bietet. Bei guter Sicht sogar bis Leipzig kann sehen, wer das neue Wahrzeichen von Bitterfeld-Wolfen erklimmt - den Bitterfelder Bogen. Dieses Kunstwerk erinnert an eine große Baggerschaufel und symbolisiert die erfolgreiche Umwandlung der Region, die von sich sagt: "Wir haben den Bogen raus."

Bitterfelder Bernstein: Gelbe Steine aus der Erde

Nicht nur schwarze Kohle, sondern auch gelbe Steine barg die Erde bei Bitterfeld. Schon im 17. Jahrhundert gab es erste Hinweise auf Bernstein. Direkt bei Bitterfeld wurden 1848 erstmals "Honigsteine" geborgen, bei der späteren Suche nach Kohle immer wieder auch Bernstein nachgewiesen. Obwohl erst gut 20 Millionen Jahre alt und damit wesentlich jünger als Bernstein aus dem baltischen Raum, gleicht das hiesige fossile Baumharz rein optisch dem vom Meer. Als es beim VEB Ostseeschmuck in Ribnitz-Damgarten zu Materialengpässen kam, wurde Bitterfelder Bernstein daher ab 1975 unter dem Braunkohleflöz systematisch abgebaut, zunächst noch mit Schürfhacke und Schaufel auf der Tagebausohle, bald aber schon mechanisiert. "Immerhin wurden in nicht einmal 20 Jahren bei Bitterfeld über 425 Tonnen Bernsteine bergmännisch gewonnen", berichtet Steven Pick vom Kreismuseum Bitterfeld. Es veranschaulicht in einer Dauerausstellung die Entstehung der hiesigen Lagerstätte und die industrielle Verarbeitung des Bernsteins, zeigt die verschiedenen Arten und die tierischen und pflanzlichen Inklusen. Die Bernsteinförderung bei Bitterfeld wurde 1993 aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt, doch sollen dort noch hunderte Tonnen der Harze in der Erde liegen - 40 Meter und tiefer im Goitzschesee.

Bitterfelder Steinzeug: Greppiner Klinker für die "Unterwelt"

Die Braunkohle bei Wolfen und Greppin lag unter einer Schicht aus besonders hochwertigem Ton, fast reinem Caolin. Dieser sogenannte Braunkohleton wurde in den Greppiner Werken zu Verblendsteinen und Terrakotten verarbeitet. Greppiner Klinker mit der typischen gelben Farbe waren bald schon in aller Welt begehrt, wurden in den Gründerjahren bevorzugt in repräsentativen Gebäuden verbaut, unter anderem an den Bahnhöfen von Sankt Petersburg und Paris sowie am Anhalter Bahnhof von Berlin. In der Berliner "Unterwelt" sind noch reichlich Industrieerzeugnisse aus Bitterfeld präsent. Denn die Kanalisation dort besteht zu 60 Prozent aus hiesigen Steinzeug-Rohren.

Die Herstellung von Steinzeug und Tonwaren haben im Raum Bitterfeld-Wolfen eine lange Tradition. Im 19. Jahrhundert, als durch industrielle Revolution und Bevölkerungswachstum der Bedarf an Wohnraum und die Nachfrage nach Ziegeln, Verzierungen und keramischen Bodenbelägen stieg, gab es allein in Bitterfeld 15 Töpfereien. Die Tonwarenhersteller fertigten Fassadensteine, Bodenfliesen, Kanalisationsrohre und Futtertröge. Aus kleinen Handwerksbetrieben wurden bedeutende Industrieunternehmen - bis im Jahr 1990 in Bitterfeld auch die 130-jährige Geschichte des Steinzeugs zu Ende ging.

ORWO - Original Wolfen für ganz Osteuropa

Als Nina Hagen Mitte der 1970er Jahre mit ihrem Lied schimpfte: "Du hast den Farbfilm vergessen", war das Werk, in dem 1936 der weltweit erste praktikable Mehrschichtenfarbfilm hergestellt wurde, gerade Stammsitz des Fotochemischen Kombinates der DDR geworden. Unter dem Warenzeichen ORWO - Original Wolfen - belieferte die Fabrik in Wolfen ganz Osteuropa mit Filmmaterial. Wie es hergestellt wurde und unter welchen Bedingungen die Menschen dort arbeiteten, ist im Industrie- und Filmmuseum nacherlebbar.

In der original erhaltenen "Begießerei" ist ein informativer Streifzug durch die Geschichte von Agfa und ORWO möglich und wird anschaulich über Forschung und Technologie des äußerst komplizierten Prozesses der Filmherstellung berichtet.

Nach 1990 wurde kein Geld in die technologisch veralteten ORWO-Werke gesteckt, die Filmproduktion am traditionsreichen Standort eingestellt. Das Aus wäre wenig später ohnehin gekommen - durch die Digitalisierung. Fotofreunde aber erinnern sich beim Besuch des Filmmuseums noch gern an jene Zeiten, in denen sie mit Filmpatronen ihre Kameras bestückten. An die 800 Fotoapparate, Film- und Diaprojektoren birgt die Schatzkammer des Wolfener Museums und ist damit die größte öffentlich zugängliche Kamerasammlung in Sachsen-Anhalt.

Gudrun Oelze

*

AUS DEM PLENUM

Waagschalen ausgeglichen füllen

Mehr als 200 Maßnahmen wurden für ein Landesprogramm erarbeitet, das die Gleichstellung von Frauen und Männern in Sachsen-Anhalt voranbringen sollen. Es gibt noch viel zu tun - so der Konsens unter den Fraktionen.

Die Gleichstellung von Frauen und Männern sei eine Frage der Gerechtigkeit, sagte Prof. Dr. Angela Kolb, Ministerin für Justiz und Gleichstellung, während ihrer Regierungserklärung mit dem Titel "Sachsen-Anhalt auf dem Weg zu mehr Gleichstellung". Diese sei in Deutschland noch nicht in allen Bereichen erreicht. Die geringe Quote von Frauen in Führungspositionen (zum Beispiel in DAX-Unternehmen) könne nur durch eine gesetzliche Regelung aufgebrochen werden; ein entsprechender Gesetzentwurf liege auf Bundesebene vor.

Die Landesregierung hat nun mit vielen externen Akteuren ein im November 2011 vom Landtag gefordertes Programm für die Weiterentwicklung eines geschlechtergerechten Sachsen-Anhalts erarbeitet. Im Entstehungsprozess des "umfassenden und umsetzbaren Programms" (Kolb) seien Ziele und Maßnahmen in fünf Schwerpunkten festgehalten worden: Bildung, existenzsichernde Beschäftigung, soziale Gerechtigkeit, Partizipation und Anti-Gewalt-Arbeit. Das Programm umfasst mehr als 200 Maßnahmen, die zur Gleichstellung von Frauen und Männern führen sollen.

Bei einer sanktionsfähigen Quote von 40 Prozent fehlten schon jetzt zehn Prozent Frauen in Führungspositionen, bemängelte Henriette Quade (DIE LINKE). Ihre Fraktion will durch das Landesprogramm auch traditionelle Rollenklischees und patriarchalische Strukturen aufgebrochen sehen. Quade wies unter anderem auf die geringere Entlohnung von Frauen in der Erwerbstätigkeit hin. Dieser Umstand müsse durch das vorliegende Handlungskonzept beendet werden.

Gleichstellung sei "ein Fundament unserer Gesellschaft", sagte Edwina KochKupfer (CDU). Ein Indikator für gelebte Geschlechtergerechtigkeit sei die Anzahl von Frauen in Führungspositionen. Diese sei noch zu gering. "Wir können auf das Potenzial junger und gutausgebildeter Frauen nicht verzichten", erklärte Koch-Kupfer. Das Landesprogramm indes zeige, wie komplex der gesellschaftliche Innovationsprozess sei.

Die Gesellschaft sei noch immer stark von klassischen Familienbildern und geschlechtsspezifischer Berufswahl geprägt, erklärte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Von der angestrebten Führungsquote bei Frauen sei man noch weit entfernt. Lüddemann forderte eine neue Arbeitsethik mit flexibleren Arbeitsund Betreuungszeiten sowie die Evaluation des Frauenfördergesetzes. Sie kritisierte, dass in der Rede zur Gleichstellung kein Wort über die Gleichbehandlung von LSBTI-Menschen gefallen sei.

Der Weg zur Gleichstellung liege immer noch vor uns, erklärte Katrin Budde (SPD). Das Programm böte aber strikte Regeln und Leitplanken auch für gesetzgeberische Schritte. So hält die SPD-Fraktionsvorsitzende unter anderem die Einführung eines Entgeltgleichheitsgesetzes für zwingend erforderlich. Die SPD spricht sich zudem für eine gesetzliche Quote von Frauen in Führungspositionen aus, sie sei "der kleine Diamant, der beim Durchbrechen der gläsernen Decke" helfe. Beschlüsse wurden am Ende der Aussprache zur Regierungserklärung nicht gefasst.

Dr. Stefan Müller

*

AUS DEM PLENUM

Debatte um Fördermittelvergabe

Sind beim Bau der Jahn-Sporthalle in Wolmirstedt unrechtmäßig EU-Fördermittel geflossen, und wer trägt in diesem Fall die Verantwortung dafür? Dies war Thema einer hitzigen Aktuellen Debatte im November-Plenum.

Die Europäische Anti-Korruptionsbehörde OLAF hatte in ihrem vor Kurzem vorgelegten Prüfbericht erklärt, die Fördermittelvergabe zum Bau der Jahn-Sporthalle in Wolmirstedt sei mangels öffentlichen Interesses unzulässig gewesen. Außerdem fehlten Belege, es hätte Interessenskonflikte der Begünstigten gegeben, und womöglich hätten parteipolitische Interessen bei der Vergabe der Fördermittel im Vordergrund gestanden.

Mit dem Ziel, die Vorgänge lückenlos aufzuklären und, wenn nötig, personelle Konsequenzen zu ziehen, beantragte die Fraktion DIE LINKE eine Aktuelle Debatte. Gemeinsam mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist sie der Ansicht, dass auch der Minister für Landesentwicklung und Verkehr, Thomas Webel (CDU), in die Affäre verwickelt sein könnte.

Dr. Frank Thiel (DIE LINKE) äußerte die Hoffnung, dass sich alle Fraktionen an der Aufklärung des Falls beteiligen werden. Bisher sehe er vor allem den Versuch, die Wahrheit zu kaschieren. Wolmirstedt sei nicht der erste Verdachtsfall von Fördermittelverschwendung in Sachsen-Anhalt. Manche glaubten, sich mit Hinweis auf das Gemeinwohl alles erlauben zu dürfen, dabei hätten sie die eigenen Interessen aber fest im Blick, so Thiel. "Es ist an der Zeit, die Zuflüsse für solche Sümpfe auszutrocknen!"

Minister Thomas Webel (CDU) wies in seiner umfangreichen Rede die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zurück und warf den Medien falsche Berichterstattung vor. "Fakten aus Akten sind immer besser als Meinungen aus Zeitungen", betonte Webel mehrmals in seiner Rede. Außerdem kritisierte er die EU-Behörde OLAF, sie sei auch auf europäischer Ebene nicht unumstritten. Der Opposition warf Webel indirekt vor, den Fall bereits für den Wahlkampf 2016 ausnutzen zu wollen. Abschließend versicherte er, sich um eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe zu kümmern und den Landtag umgehend zu unterrichten.

Schlagzeilen wie "Affäre um Fördersumpf" oder "EU-Korruptionsjäger stellen Land vernichtendes Zeugnis aus" führten zu weiterem Misstrauen der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Politik und schadeten dem Image des Landes, erklärte Silke Schindler (SPD). Wenn die geflossenen EU-Fördergelder in Höhe von 570.000 Euro zurückgezahlt werden müssten, entstünde zudem ein hoher finanzieller Schaden. Es sei an der Zeit, dass der Sachverhalt endlich aufgeklärt werde.

Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) warf Minister Webel vor, nicht alles für die Aufklärung des Falls getan zu haben. Seiner Ansicht nach sei die Sporthalle nur gefördert worden, weil es politisch gewollt gewesen sei und weil ein Parteifreund und dessen Verein davon profitiert hätten. Dieses Beziehungsgeflecht sei besorgniserregend, Meister sprach vom Amigo-Prinzip und sagte: "Sollte sich herausstellen, dass gegenüber dem Landtag nicht die Wahrheit gesagt wurde, dass vertuscht wird [...], dann muss der Minister zurücktreten."

Solange noch nicht alle Akten geprüft seien, sollten sich die Oppositionsparteien mit der Forderung nach personellen Konsequenzen zurückhalten, betonte Ralf Geisthardt (CDU). Er begrüßte, dass sich nun auch der Landesrechnungshof in die Angelegenheit eingeschaltet habe, und er erklärte, dass seine Fraktion ohne Sorge auf die Aufklärung der Vorgänge rund um den Bau der Sporthalle in Wolmirstedt blicke.

Stefanie Böhme

*

AUS DEM PLENUM

Familienförderung unter der Lupe

Wie steht es um die Familienförderung in Sachsen-Anhalt? Das war Thema einer Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE, die im November zur Aussprache im Landtag kam. Ziel war es, das 2005 erlassene Familienförderungsgesetz erstmals zu evaluieren.

Monika Hohmann (DIE LINKE) ist der Ansicht, das Gesetz habe sein Ziel bisher nur ungenügend erreicht. Sie kritisierte, dass von den elf Landkreisen und drei kreisfreien Städten nur vier eine Auskunftsstelle für Familien hätten. Außerdem gebe es keine Handreichung für die Gestaltung eines familienfreundlichen Lebensumfeldes, obwohl dies laut § 6 Absatz 2 Satz 1 FamFöG vorgesehen ist. Ihrer Ansicht nach gehöre das Gesetz entrümpelt und enthalte zu viele Kann-Bestimmungen.

Der Minister für Arbeit und Soziales, Norbert Bischoff (SPD), erklärte, generell zeige sich eine erfreuliche Tendenz bei der Zuwanderung. Immer mehr Jugendliche unter 18 Jahren - vermutlich mit ihren Eltern - zögen nach Sachsen-Anhalt. Die Zahlen bewiesen, dass Sachsen-Anhalt auch für jüngere Menschen wieder attraktiv sei. Bischoff sieht die Gründe dafür vor allem im Rückgang der Arbeitslosigkeit und der sehr guten Ausstattung der Kindertagesstätten im Land. Zudem betonte er, dass er den Bereich der frühkindlichen Bildung weiter ausbauen wolle, um die Familiensituation weiter stabil zu halten. Besondere Unterstützung will Bischoff auch den Alleinerziehenden zukommen lassen.

Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage belege, dass die Regierung viel für Familien getan habe, so Eduard Jantos (CDU). Er ist allerdings überzeugt, dass sich die Unternehmensbedarfe noch stärker an die Bedürfnisse von Familien anpassen und Bildungsqualität und ein optimales Umfeld für Familien weiter gefördert werden müssten. Sein Wunsch sei es, Gesetze zukünftig von vornherein auf ihre Familientauglichkeit hin zu prüfen, dann wäre ein eigenständiges Familienförderungsgesetz überflüssig.

Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) plädierte dafür, möglichst jedes Gesetz nach einer bestimmten Zeit zu evaluieren. Dann könne man sehen, ob die Intention des Gesetzes erreicht worden sei oder ob es Regelungslücken gebe. An einigen Beispielen kritisierte sie die ihrer Ansicht nach teilweise nicht weit genug gehenden Antworten der Landesregierung. Für die Grünen-Abgeordnete wäre es beispielsweise interessant zu wissen, wie sich die Landesregierung den Abwärtstrend bei Familienpässen erklärt oder was sie konkret dafür unternehme, damit die Altersgrenze von zwölf Jahren für den Anspruch auf Unterhaltsvorschuss angehoben wird.

"Es gibt nichts, was man nicht besser machen kann. Dennoch sollten uns die Ergebnisse der Anfrage optimistisch stimmen", sagte Norbert Born (SPD): Wanderungsverluste haben gebremst werden können, jedes Kind habe einen Anspruch auf Ganztagsbetreuung im Kindergarten. Dort würden Kinder nicht nur betreut, sondern gebildet und gefördert. Überall, wo es Kommunalpolitikern gelinge, ein Wohlfühlklima (Kita, Kultur, Sportstätten, Natur) zu schaffen, fühlten sich Familien am wohlsten. Auf Grundlage der Ergebnisse der Großen Anfrage sei es möglich, Handlungsfelder zu erkennen und zukunftsfähige Familienpolitik zu gestalten.

Stefanie Böhme

*

AUS DEM PLENUM

Problem ernsthaft angehen

In Leipzig haben Ermittler Mitte November eine Rekordmenge von 2,9 Tonnen des Grundstoffs für Crystal Meth sichergestellt. Warenwert: 184 Millionen Euro. Passend dazu hat sich auch der Landtag mit dem Thema beschäftigt.

Wie schwerwiegend mittlerweile das Problem Crystal Meth auch in Sachsen-Anhalt ist, zeigen nackte Zahlen: Zwischen 2011 und 2013 ist der Crystal-Meth-Konsum im Land um etwa 280 Prozent gestiegen. Durch einen Antrag der Fraktionen von CDU und SPD wurde die Landesregierung nun gebeten, den derzeitigen Stand der Problematik in den entsprechenden Ausschüssen darzulegen. Im Anschluss soll in Kooperation mit den Suchtberatungsstellen im Ausschuss für Arbeit und Soziales beraten werden, wie die weitere Verbreitung der Droge bekämpft werden kann. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte einen Alternativantrag gestellt, der jedoch abgelehnt wurde.

Wer Crystal Meth konsumiert, stehe häufig unter enormem persönlichen oder beruflichen Leistungsdruck, erklärte Dr. Verena Späthe (SPD). In Sachsen-Anhalt gehörten vor allem 20 bis 24-Jährige zu den Konsumenten - meistens Männer. Trotz Aufklärungskampagnen sei mit einem weiter steigenden Konsum zu rechnen. Viele Jugendliche wollten die Droge zwar nur mal ausprobieren, aber "schneller als gedacht, führt der unüberlegte Spaß zu jahrelanger Abhängigkeit, die die Konsumenten und deren Umfeld nachhaltig physisch und psychisch schädigt".

Norbert Bischoff (SPD), Minister für Arbeit und Soziales, verwies darauf, dass die Droge nicht vorrangig von Aussteigern konsumiert werde, sondern auch als "Manager-Krankheit" bezeichnet werde. Um die Verbreitungswege von Crystal Meth besser nachverfolgen zu können, gebe es bereits eine enge Zusammenarbeit mit dem Innenministerium, erläuterte Bischoff. Zudem betonte er, wie wichtig die Zusammenarbeit mit den Suchtberatungsstellen im Land sowie die Vernetzung aller beteiligter Akteure (Polizei, Krankenhäuser, Suchtberatungsstellen) sei.

Die Fraktion DIE LINKE zeigte sich enttäuscht, dass sich der Antrag der Koalitionsfraktionen allein auf statistische Erhebungen, Beschreibungen des Ist-Zustands, das Zusammenwirken der Ordnungskräfte und recht offen formulierte Absichtserklärungen beschränke, erklärte Linken-Abgeordnete Dagmar Zoschke. Es müsste jetzt darum gehen, den Bereich der Prävention und Therapie weiter auszubauen, eine Verstärkung repressiver Maßnahmen sei ihrer Ansicht nach keine Lösung. Zoschke erklärte, Crystal Meth sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse auch als solches angegangen werden.

Dietmar Krause (CDU) betonte, dass neben dem Konsum auch der Handel mit Crystal Meth immer größere Ausmaße annehme. Krause verwies auf einen Zehn-Punkte-Plan des Sächsischen Innenministeriums zur Bekämpfung der Droge. Dabei handle es sich um einen ressortübergreifenden ganzheitlichen Ansatz, um Crystal Meth einzudämmen und präventiv zu agieren.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hielt den Antrag der Regierungskoalition für nicht weitgehend genug. Cornelia Lüddemann sagte, man müsse nicht über die Zahlen reden, die seit Langem vorlägen, sondern über das, was in Zukunft getan werden müsse. Crystal Meth sei die einzige Droge, die sich sofort und irreparabel in das Drogennachhaltigkeitsgedächtnis einbrenne. Die Droge sei zudem so speziell, dass ein einfaches "Mehr" an Suchtpräventionsmaßnahmen nicht ausreiche.

Stefanie Böhme

*

SACHSEN-ANHALT

Bekenntnis zum Wert des Lebens

Nach einem ökumenischen Gottesdienst im Magdeburger Dom fand im Landtag die zentrale Gedenkstunde zum Volkstrauertag statt. Gedacht wurde der Toten von Krieg und Verfolgung, deren Leid und Sterben an die Kraft des Friedens mahnen sollen.

Krieg ist immer eine Niederlage der Menschheit", sagte Dieter Steinecke, Vorsitzender des Landesverbands Sachsen-Anhalt des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der nach der Urkatastrophe Erster Weltkrieg 1919 gegründet wurde. Ziel war es, sich um die Gräber der Kriegstoten im Ausland zu kümmern, über die Ländergrenzen hinweg, für die Sicherung des Friedens und ein Miteinander der Völker, die in ihrem Schmerz und Verlust eins waren. "Es ist an uns, aus den Schreckensbildern der Vergangenheit die richtigen Schlüsse zu ziehen", erklärte Landtagspräsident a.D. Dieter Steinecke. Der Volkstrauertag sei ein "Bekenntnis zum großen Wert des Lebens".

Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff stellte seine Rede unter ein Zitat des neuen Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean Claude Juncker: "Wer an Europa zweifelt, wer an Europa verzweifelt, der sollte Soldatenfriedhöfe besuchen!" Erschütternd viele gebe es, sagte Haseloff, "die meisten der dort Ruhenden sind keine 30 Jahre alt geworden". Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge kümmert sich um derzeit 832 Grabfelder in 45 Ländern. Mehr als 2,5 Millionen Soldaten liegen dort begraben.

Der Volkstrauertag sei bei Weitem kein Thema allein für die Politik, sondern für die gesamte Gesellschaft. Ziel sei es, sich gegen das Vergessen zu stellen, betonte der Ministerpräsident. Heute könne man sich kaum mehr vorstellen, dass 1914 der Krieg als unerlässliches Mittel für die Lösung des Konflikts in Europa angesehen wurde, man habe blindlings die über allen Nationen stehende Gemeinschaft negiert. Aus dem Volksbund sei ein Werk der Verständigung geworden, lobte Haseloff. Er habe dazu beigetragen, den Verlauf der Geschichte auch aus der Perspektive der europäischen Nachbarn zu betrachten und mahne die Lebenden, den Frieden als keine Selbstverständlichkeit hinzunehmen.

Wende und Wiedervereinigung seien ein großes Glück für unsere Nation, betonte Haseloff, sie seien Ergebnis des Willens, der Diktatur ein Ende zu setzen. Die Wiedervereinigung hätte jedoch nur durch die Hilfe der europäischen Partner erlangt werden können. So kompliziert die Europäische Union heute manchmal anmute, man dürfe nicht verdrießen, erklärte Haseloff: "Europa ist die große Chance für die Völker unseres Kontinents, wir müssen die Herausforderungen beherzt angehen. Frieden und Freiheit können wir nur gemeinsam bewahren."

Im Anschluss an die Ansprache des Ministerpräsidenten und bevor an den Soldatengräbern auf dem Magdeburger Westfriedhof Kränze niedergelegt wurden, sprach Landtagspräsident Detlef Gürth das Totengedenken. Mit der Rezitation des Textes wird zum Gedenken an die Opfer von jedweder Gewalt und Krieg aller Völker aufgerufen. Es schließt mit den Worten: "Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zuhause und in der ganzen Welt."

Dr. Stefan Müller

*

SACHSEN-ANHALT

Der millionenfachen Morde gedenken

Landtag und Landesregierung begehen den Holocaustgedenktag 2015 mit einer Gedenkveranstaltung in Bernburg.

Der 27. Januar eines jeden Jahres wird weltweit als Holocaustgedenktag begangen. An diesem Datum - es handelt sich 2015 um den 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz - erinnert man an die Millionen Opfer, die unter der Macht der Nationalsozialisten ihr Leben verloren haben. Neben der sechs Millionen Juden wird auch der Hunderttausenden Sinti und Roma sowie der verfolgten politischen, homosexuellen, kranken und behinderten Opfer gedacht. Der Landtag und die Landesregierung von Sachsen-Anhalt begehen den Holocaustgedenktag 2015 mit einer Gedenkveranstaltung in Bernburg. In der früheren Bernburger NS-"Euthanasie"-Anstalt wurden 1940/1941 über 8.000 Menschen getötet, weil sie im Sinne der NS-Ideologie aufgrund einer Krankheit oder Behinderung zu "unwertem Leben" gemacht worden waren. Man geht davon aus, dass bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland und den besetzten Gebieten etwa 275.000 kranke und behinderte Menschen systematisch getötet wurden.

Landtagspräsident Detlef Gürth und Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff werden am 27. Januar 2015 in der Bernburger "Euthanasie"-Gedenkstätte (Olga-Benario-Straße 16/18) zum Zeichen des Erinnerns Kränze niederlegen, anschließend findet im Carl-Maria-von-Weber-Theater (Schloßstraße 20) eine Gedenkstunde statt, zu der Gäste aus Politik, Gesellschaft und Bevölkerung eingeladen sind. Die Veranstaltung wird um 9 Uhr beginnen.

Dr. Stefan Müller

*

Ein Datum mit Bedeutung

Landtagspräsident Detlef Gürth erinnert an Mord und Zerstörung vor 76 Jahren.

Nachdem die Nationalsozialisten bei den Reichstagswahlen im März 1933 die politische Macht errungen hatten, setzte die NS-Führungsriege den Antisemitismus als Staatsdogma um. Die antijüdische Hetze gipfelte vorerst in der von den Nazis organisierten Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938. Offizieller Auslöser des Pogroms, das als "Vergeltungsmaßnahme" angefacht wurde, war das Attentat auf einen der NSDAP angehörenden Beamten in Paris durch den 17-jährigen polnischen Juden Herschel Grynszpan. Der junge Mann hatte auf die Vertreibung seiner Familie aus dem Großdeutschen Reich aufmerksam machen wollen.

"Das Pogrom hinterließ nicht nur Tausende zertrümmerte Geschäfte und geschändete Synagogen und Friedhöfe; es kostete auch unzähligen Menschen das Leben und markierte den Auftakt zur systematischen Entrechtung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung", erinnert Landtagspräsident Detlef Gürth.

"Für uns Deutsche ist der 9. November ein besonderes Datum, grundlegende historische Wendepunkte fanden an diesem Tag statt. Neben all jenen Ereignissen darf das Erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus niemals verblassen. Nicht vergessen werden darf, dass Millionen Deutsche zusahen, wie ihre Nachbarn, der Hausarzt, die Spielkameraden der Kinder erst schikaniert, dann abtransportiert wurden. Nicht wenige haben sich erst schamlos bereichert und wollten am Kriegsende von nichts gewusst haben." Die Reichspogromnacht habe auch in unserer Zeit weder an Bedeutung noch an Relevanz verloren. Diese Zeit sei nicht nur bloße Geschichte, sondern eine stete Mahnung, wie jederzeit Menschen- und Bürgerrechte verlorengehen können.

Dr. Stefan Müller

*

SACHSEN-ANHALT

Hochwasser auf den Grund gehen

Der Landtag von Sachsen-Anhalt beschäftigte sich im November erneut mit dem Hochwasserschutz. So ging es um Antragsfristen für Hochwasserhilfen, zudem kam die gemeinsame AG Hochwasserschutz verschiedener Landtage in Magdeburg zusammen.

Im Juli 2014 fand in Erfurt auf Einladung des Thüringer Landtags ein erstes Treffen der Arbeitsgemeinschaft zum vorbeugenden Hochwasserschutz mit Umweltpolitikern aus verschiedenen Bundesländern statt, an dem auch die umweltpolitischen Sprecher der Fraktionen der Landtage teilnahmen. Angesichts der offensichtlichen Häufung von Hochwasserereignissen in den letzten Jahren erscheint es den Fachleuten dringend erforderlich, dass sich nicht nur die jeweiligen Landesregierungen, sondern auch die Landtage über Konzepte und Maßnahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes und über damit in Zusammenhang stehende Themenkomplexe austauschen. Das zweite Treffen der Hochwasserschutz-Arbeitsgemeinschaft fand auf Einladung des Umweltausschusses Mitte November im Landtag von Sachsen-Anhalt statt.

Zu Beginn des Treffens der Arbeitsgruppe ging es zunächst um einen Faktenbericht aus den Ländern: Welche Maßnahmen zum Hochwasserschutz wurden seit dem ersten Treffen der Gruppe im Juli 2014 in die Wege geleitet oder umgesetzt? Im Fokus standen dabei die Bereitstellung von Überschwemmungshilfen, der Entschädigungsfonds für die Landwirtschaft, Finanzierungsmöglichkeiten, der Datenaustausch im Hochwasserfall, Elementarversicherungen und die Fristverlängerung für Antragsteller.

Sachsen-Anhalts Landtagsmitglied Ralf Bergmann stellte den wenige Tage zuvor einstimmig im Plenum verabschiedeten interfraktionellen Antrag für eine Verlängerung der Antragsfristen bei den Hochwasserhilfen vor. Das Hochwasser 2013 habe erhebliche Schäden auf dem Gebiet des Landes verursacht, Ziel sei demnach, alle Schäden regulieren zu können. Da aufgrund langwieriger Abstimmungsprozesse nicht in allen Schadensfällen eine Antragstellung bis zum Jahresende erfolgen könne, wurde die Landesregierung um eine Fristverlängerung bis zum 30. Juni 2015 gebeten. Gleichzeitig soll sie sich auch auf Bundesebene für eine Verlängerung der Fristen einsetzen und durch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit die Bevölkerung und Unternehmen in Sachsen-Anhalt zur Antragstellung anregen.

In Niedersachsen sei der Hochwasserschutz in den Fokus gerückt worden. Man habe die Mittel aufgestockt und wolle die Kommunen besser unterstützen, so die Vertreter aus Hannover. Man wolle das Hochwasserfrühwarnsystem und die Genehmigungsverfahren für Schutzmaßnahmen optimieren, gleichzeitig sollen - auch unter Zuhilfenahme neuer Risikokarten - die Retentionsflächen ausgeweitet und Deichrückverlegungen umgesetzt werden. In Niedersachsen wurde ebenfalls eine Fristverlängerung bis zum 30. Juni 2015 für das Anmelden von Ausgleichszahlungen angestrebt.

Die Beratungen zum Hochwasserschutz gehen voran, so der Wortlaut aus Erfurt. In Thüringen sei derzeit ein Hochwasserschutzkonzept in der Erarbeitung. Da vor Ort allerdings mit weniger Schäden als vermutet umgegangen werden müsse, könne von einer Fristverlängerung für die Schadensregulierung zum Hochwasser 2013 abgesehen werden. Derzeit habe man in Thüringen nicht nur das Hochwasser im Blick, auch den zunehmenden Starkregenereignissen und ihren Folgen werde besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

In Brandenburg habe es nach dem Hochwasser 2013 hauptsächlich landwirtschaftliche Schäden gegeben, so der Statusbericht der Potsdamer Vertreter. Die zuvor bereits geplanten Maßnahmen (zum Beispiel Deichneubau) würden umgesetzt, die beantragten und zu zahlenden Entschädigungen seien beglichen worden. Durch einen interfraktionellen Antrag des letzten Landtags steht die Novellierung des Wassergesetzes noch auf dem Plan. Besonderer Schwerpunkt soll hier die Finanzierung der Gewässerunterhaltung sein.

Der Mittelabfluss der Entschädigungszahlungen laufe - ähnlich wie in Sachsen-Anhalt - zum Teil recht schleppend, berichteten die Damen und Herren aus dem Sächsischen Landtag. Dennoch werde nicht auf eine Verlängerung der Fristen gesetzt. Dem Hochwasserschutz werde im Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung allerdings ein wichtiger Platz eingeräumt: technischer und natürlicher Schutz sollen einhergehen, inklusive der Etablierung eines Auenprogramms und der Schaffung neuer Retentionsflächen.

Mit 21 Kilometern Länge hat Mecklenburg-Vorpommern einen vergleichsweise kleinen Anteil an der Elbe. Schäden, die durch Hochwasser des Flusses verursacht wurden, spielten hier also eine kleine Rolle, so die Vertreter des Landtags in Schwerin. Bei den nächsten Haushaltsberatungen werde die Anpassung der finanziellen Rahmenbedingungen des Hochwasserschutzes dennoch eine Rolle spielen.

Dr. Slavomir Vosika bereicherte das Arbeitstreffen der Umweltpolitiker mit einem Kurzvortrag über die von ihm vertretene Internationale Kommission zum Schutz der Elbe. Derzeit erarbeitet die deutsch-tschechische Kommission einen internationalen Hochwasserrisikomanagementplan für die Elbe, der im Dezember 2014 erstmals vorgestellt und danach in ein öffentliches Anhörungsverfahren gebracht wird. Dieser Plan soll die Regierungen von Deutschland und der Tschechischen Republik bei der weiteren Planung und Umsetzung von Hochwasserschutzeinrichtungen entlang der Elbe unterstützen.

Die Themenschwerpunkte für die kommende Zusammenkunft der Arbeitsgemeinschaft, die für das Frühjahr 2015 vorgesehen ist, wurden schon umrissen. Die Themenfelder "Naturschutz vs. Hochwasserschutz?", der Hochwasser-Datenaustausch zwischen den Ländern, die Elementarversicherung und die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie sollen dann auf der Tagesordnung des Erfahrungsaustausches stehen.

Dr. Stefan Müller

*

RÜCKBLICK

"Endlich raus aus der Meckerecke"

Parlamentsreform, Modernisierung des Landtags, Europawahlen und 25 Jahre Wende - das sind die Themen, die das Parlament von Sachsen-Anhalt in diesem Jahr gefordert und seinen Präsidenten Detlef Gürth vor besondere Herausforderungen gestellt haben. Im Interview blickt er auf die letzten zwölf Monate und zieht sein persönliches Resümee.

ZwischenRuf: In diesem Jahr konnten die Sanierungsarbeiten im Landtag abgeschlossen werden. Wie sieht ihr Fazit als oberster Bauherr aus?

Detlef Gürth: Rückblickend bin ich glücklich über die gelungene Modernisierung des Landtags. Dazu gehört auch das Engagement der Abgeordneten und aller Mitarbeiter, die für anderthalb Jahre unter erschwerten Bedingungen arbeiten mussten - und das ohne zu murren. Sie sind sehr professionell und vor allem sehr kreativ mit den Bedingungen umgegangen. Wir haben gezeigt, dass es der öffentlichen Hand durchaus gelingen kann, termin- und kostentreu zu bauen. Die Technik funktioniert, und es ist nichts teurer geworden als geplant. Jetzt, einige Monate später, ist die schwierige Zeit - mit Umzug in Ersatzquartiere und Landtagssitzungen in der Magdeburger Johanniskirche - schon fast wieder vergessen.

Insgesamt sind über neun Millionen Euro in die Modernisierung geflossen. Warum war diese Investition nötig?

Da gibt es gleich mehrere Gründe. Zunächst gab es Brandschutzauflagen, die umgesetzt werden mussten. Darüber hinaus war unsere Telekommunikationsanlage über 20 Jahre alt - Ersatzteile ließen sich bisweilen nur noch über eBay besorgen. Durch die Modernisierung wurde die Anlage auf den aktuellen Stand der Technik gebracht. Man bedenke, dass die Datenmenge, die heute tagtäglich ausgetauscht wird, sich im Vergleich zu 1994 vervielfacht hat. Dazu kommen Anforderungen für die Archivierung von Dokumenten und Drucksachen oder auch der Videomitschnitte von den Plenarsitzungen.

In diesem Zuge könnten Sie kurz über den Relaunch des Internetauftritts des Landtags berichten.

Hier spielt der Transparenzgedanke eine große Rolle: Die Ansprüche an die Website haben sich verändert. Wir wollen offen zeigen, wie politische Entscheidungen zustande kommen. Wir wollen gleichzeitig mehr Bürgerinnen und Bürger neugierig auf ihr Parlament machen und der Barrierefreiheit gerecht werden, denn jeder hat das Recht auf Informationen, die einfach zugänglich sein müssen. Mir persönlich gefällt die neue Website sehr gut, sie ist modern und interessant. Sie hat eine intuitive Menüführung, wie man sie heute erwartet. Landtagssitzungen per Livestream verfolgen zu können, wird sehr gut angenommen. Wir sind da auf dem richtigen Weg.

Im Mai 2014 wurde das Europäische Parlament neu gewählt, zudem standen Kommunalwahlen an. Was sagen Sie zu der doch relativ schwachen Wahlbeteiligung?

Die Europawahlen gehörten mit den Kommunalwahlen zu den Höhepunkten des parlamentarischen Lebens im Jahr 2014. Weil die Bürger entscheiden konnten, wie wichtig es ihnen ist, wer in ihrer Heimatgemeinde und in Brüssel Politik macht und damit auch Entscheidungen trifft. Ich hätte mir eine höhere Wahlbeteiligung gewünscht, weil die Freiheit, die wir jetzt feiern, also nach 25 Jahren Mauerfall, auch mehr Verantwortung bedeutet. Diese beiden Seiten der Medaille muss man annehmen. Man muss aus der privaten Meckerecke herauskommen, sich selbst Informationen besorgen, die ja verfügbar sind und sich auch einbringen.

Als ein politischer Höhepunkt in 2014 ragt sicher die Parlamentsreform heraus, die Mitte November fraktionsübergreifend beschlossen wurde. Warum war die Parlamentsreform so wichtig?

Ich glaube, dieses Reformpaket ist deshalb etwas ganz Besonderes, weil alle im Parlament vertretenen Fraktionen es gemeinsam umgesetzt haben. Wir sind uns bewusst, dass wir bei den notwendigen Reformen, um das Land fit für die Zukunft zu machen, den Kommunen, den Bürgern, den Hochschulen und vielen anderen einiges abverlangt haben. Mit der Parlamentsreform haben wir bewiesen, dass wir auch als Parlament reformfähig sind und nicht nur anderen Reformen zumuten (siehe Beitrag zum Reformpaket in diesem Heft). Ein Zeichen der Parlamentsreform ist auch, dass es möglich ist, trotz sehr unterschiedlicher Interessen einen gemeinsamen Weg zu gehen, einen Konsens zu finden und den übergeordneten Interessen des Landes und der Bürger zu dienen. Ich glaube, das ist ein gutes Signal.

Sachsen-Anhalt hat sich in diesem Jahr einmal mehr als "Filmland" einen Namen gemacht. Sehen Sie in diesem Bereich noch mehr wirtschaftliches Potenzial?

Sachsen-Anhalt hat ein riesiges Potenzial für die internationale Vermarktung der Kreativszene, der Filmwirtschaft und des Tourismus. Dieses Potenzial zu nutzen, hat gerade erst begonnen. Ich denke, da wird sich noch einiges entwickeln. Wir haben so viele besondere kulturhistorische Zeugnisse wie kein anderes Land, unter anderem die höchste Dichte an Weltkulturerbestätten. Aber im Marketing haben wir noch einige Hausaufgaben zu erledigen. Weil Geld fehlt, müssen wir hier einfach kreativer sein.

Vor ein paar Wochen feierten wir 25 Jahre Mauerfall. Erinnern Sie sich an diesen Moment? Wo waren Sie?

Ich erinnere mich sehr genau. Wir erwarteten in Aschersleben Verwandte aus Berlin, weil wir ein altes Fachwerkhaus sanieren wollten, das Wohnraum für einen pensionierten Pfarrer bieten sollte. Die Verwandten kamen am Abend des 9. Novembers bei uns an und wir schauten sie mit entgeisterten Blicken an: Ihr hier? Sie hatten in ihrem Trabant kein Autoradio und hatten von der Maueröffnung einfach nichts mitbekommen. Im Freudentaumel, mit Glückstränen in den Augen, haben wir diesen Abend verbracht. Die Mauer war gefallen, das große Gefängnis DDR, für das man selten bis nie einen Passierschein hinaus bekommen hatte, war offen. Das war die große Stunde der Deutschen, ein Glücksfall für die Menschen im Osten wie im Westen, in Deutschland und ganz Europa.

In welchem Maße hat sich das Land in den letzten 25 Jahren entwickelt?

Rückblickend betrachtet sind der Vereinigungsprozess und die Entwicklung seit 1990 eine Erfolgsgeschichte. Das blendet nicht aus, dass sie auch mit vielen Härten für die Menschen hier verbunden war. Aber es hatten zuvor grundlegende Bürgerrechte wie Rederecht, Reisefreiheit, freie Wahlen, unabhängige Gerichte gefehlt. In Anbetracht der Tatsache, dass es in der Welt kein vergleichbares Beispiel für einen solchen Transformationsprozess gab, sind erstaunlich wenig Fehler passiert und ist erstaunlich viel erreicht worden.

Wenn Sie jetzt persönlich auf das Jahr 2014 zurückblicken, was bleibt dann, wenn Sie am 31. Dezember vielleicht mit dem Sektglas auf das neue Jahr anstoßen?

Am 31. Dezember bleibt auf jeden Fall die Gewissheit, dass ich als Landtagspräsident - mit Hilfe von Abgeordneten und Verwaltungsmitarbeitern - die gesteckten Ziele erreicht und wieder einiges dazugelernt habe. Aber es bleibt auch die Gewissheit, dass mein Familienleben dafür zu kurz gekommen ist. Ich habe meine Kinder zum Beispiel viel zu wenig gesehen und werde versuchen, das im nächsten Jahr besser zu machen.

2015 ist erneut ein Jahr voller historischer Jubiläen - von der ersten freien Volkskammerwahl bis zur Wiedergründung des Landes Sachsen-Anhalt und seines Landtags. Können wir da mit ähnlich großen Feierlichkeiten rechnen wie am 9. November in Berlin?

Momentan sitzen wir zusammen und überlegen, was ein angemessenes Format wäre. Zum Mauerfall in diesem Jahr haben wir zum Beispiel keinen Festakt gewählt, sondern ein ganz tolles Jugendforum mit 100 Schülern aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt hier im Landtag veranstaltet (siehe Rückblick Jugendforum in diesem Heft). Ich bedauere sehr, dass die Medien die Veranstaltung nicht stärker reflektiert haben, sie hätte es verdient gehabt. Wie die Feierlichkeiten im nächsten Jahr konkret aussehen, ist noch nicht ganz spruchreif. Mir ist es aber wichtig, dass wir die Bürger mitnehmen.

Das Interview führten Stefanie Böhme und Dr. Stefan Müller.

*

RÜCKBLICK

Spuren der Wende

Jugendforum 2014 im Landtag von Sachsen-Anhalt: Jugendliche aus vier Gymnasien aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sprachen mit Zeitzeugen über die Friedliche Revolution von 1989 und diskutierten über die wichtigen Fragen der Gegenwart.

Die Mauer, das Symbol für die deutsche Teilung schlechthin, fiel vor 25 Jahren. Im Herbst 1989 hatten sich Abertausende Menschen in der DDR auf die Straße begeben, um für Freiheit und gegen die Drangsalierungen des SED-Regimes zu demonstrieren. Friedlich war diese Revolution, auch wenn der bis an die Zähne bewaffnete Staat die Demonstranten mit gezückten Waffen begleitete. Ein Schuss ist nicht gefallen - dafür aber die Grenzbäume in Berlin und entlang des Eisernen Vorhangs, der den Osten vom Westen für so viele Jahrzehnte abgetrennt hatte.

Aus diesem Anlass trafen am 19. und 20. Oktober Jugendliche von Gymnasien aus Celle und Meinersen in Niedersachsen sowie aus Wernigerode und Jessen in Sachsen-Anhalt zum Jugendforum 2014 im Magdeburger Landtag zusammen. Sie spürten mit einem Zeitzeugengespräch und einem Stadtrundgang nicht nur den Ereignissen im Herbst 1989 nach, sondern richteten in Diskussionsforen auch den Blick nach vorn, indem sie sich über die Fragen unserer Zeit austauschten.

So ging es unter anderem um "Bürgerbeteiligung und Bürgerprotest in der Demokratie" sowie um "Transparenz und Meinungsbildung im digitalen Zeitalter". Am Abend wurde im Landtagsrestaurant mit der Staßfurter Band "Sonic Jam" zum Plaudern und Tanzen eingeladen.

Nach Magdeburg mitgereist waren zudem Mitglieder des Präsidiums des Niedersächsischen Landtags. Die Nachbarn aus Hannover suchten den Gedankenaustausch mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus Sachsen-Anhalt und allem voran das Gespräch mit den Jugendlichen des Forums.

Dr. Stefan Müller

*

EINBLICK

Jede Menge Verantwortung

Berufe im Landtag: Ausschussassistentin des Landtags. Der Ausschussdienst mit seinen neun Mitarbeitern und der Geschäftsstelle für Petitionen sorgt für ein gutorganisiertes Beratungsumfeld der Abgeordneten.

Lang ist sie noch nicht dabei, trotzdem wirkt sie wie ein alter Hase: Tagesordnungen erstellen, Einladungen verschicken, Dokumente verteilen und Sitzungen vor- und nachbereiten - Mandy Berg ist 26 Jahre alt und seit einem Jahr und drei Monaten Ausschussassistentin in der Landtagsverwaltung. Ihren Job versteht sie als "Dienstleistung für die Abgeordneten", und sie macht ihn sichtlich gern. Dass der Stressfaktor mitunter recht hoch ist, schreckt sie nicht: "Da heißt es dann: flexibel sein und den Überblick bewahren."

Derzeit verfügt der Landtag von Sachsen-Anhalt über elf ständige Ausschüsse, in denen die vom Plenum überwiesenen Gesetzentwürfe, Anträge und Beschlüsse diskutiert werden. Der Ausschussdienst mit seinen neun Mitarbeitern und der Geschäftsstelle für Petitionen sorgt für ein gutorganisiertes Beratungsumfeld. Mandy Berg ist zuständig für den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft sowie für die Enquete-Kommission "Öffentliche Verwaltung konsequent voranbringen - bürgernah und zukunftsfähig gestalten". Dabei kann die junge Diplomverwaltungswirtin sowohl ihre inhaltlichen als auch ihre organisatorischen Kompetenzen sehr gut einbringen.

Absolviert hat Mandy Berg ihre Ausbildung bei der Bundeswehrverwaltung - eine Arbeit nur mit Akten, nicht mit Menschen. In der Landtagsverwaltung dagegen gestalte sich die Arbeit jeden Tag abwechslungsreich: "Man weiß nie, was einen erwartet. Jede Ausschusssitzung ist anders und beschäftigt sich mit anderen Themen, das finde ich wirklich unheimlich spannend!"

Zu jedem behandelten Thema wird eine Sachakte angelegt, in der sämtliche Protokolle, Änderungsanträge und Mitschriften gesammelt werden. Ist ein Thema abschließend beraten worden, bringen die Assistenten die Beschlussempfehlung in eine schriftliche Fassung, die dem Landtag zur Entscheidung vorgelegt wird.

Die Arbeit im Ausschuss ist im Grunde die eigentliche politische Arbeit der Landtagsabgeordneten - ein Zwischenschritt zwischen der Ersten und der (meist abschließenden) Zweiten Beratung im Landesparlament. Immer an der Seite der Abgeordneten sind Mitarbeiter des Ausschussdienstes wie Mandy Berg. Obwohl sie täglich hautnah dran ist an politischen Entscheidungen, ist sie dennoch zur Neutralität verpflichtet: "Natürlich habe ich zu bestimmten Themen meine eigene Meinung, aber das Rederecht ist den gewählten Abgeordneten vorbehalten."

Etwas schwerer fiel ihr die Zurückhaltung manchmal bei Expertenanhörungen in der Enquete-Kommission, wenn es darum ging, wie die Landesverwaltung effizienter und bürgernäher gestaltet werden kann: "Durch mein Studium bin ich sehr vertraut mit der Materie, finde die Ausführungen einiger Experten sehr spannend und würde darum gern ab und zu auf fachlicher Ebene mit ihnen ins Gespräch kommen."

Entscheidungen trifft sie zwar nicht, aber sie trägt mit ihrem Fachwissen um die Abläufe und Arbeitsstrategien wesentlich zu den Beratungen in den Ausschüssen bei. Und Mandy Berg ist sich sicher: "Diese besondere Dienstleistung wissen die Abgeordneten durchaus zu schätzen."

Stefanie Böhme

*

AUSSTELLUNGEN 2015

IM LANDTAG

DIE WÜRDE DES MENSCHEN
Maria Pawlowa Gesellschaft e.V. / 14.01. - 13.02.2015

Die Wanderausstellung "Die Würde Des Menschen" erinnert an Stéphane Hessel - einen Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald und späteren französischen Diplomaten, Essayisten und Lyriker. In 40 Fotos hat Britta Rost besondere Momente im Leben des 1917 in Berlin geborenen Hessel eingefangen. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Hessel bei den Vereinten Nationen und war an der Erstellung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte beteiligt. Er starb 2013 im Alter von 95 Jahren in Paris.

VOGELHERZ
Asja König / 18.02. - 17.03.2015

Auf ihren künstlerischen Wegen hat Asja König stets zwei treue Begleiter: Fisch und Vogel. Beide sind in den großen blauen Elementen zu Hause. Während der Vogel den weiten Himmel durchfliegt, gleitet der Fisch in ebenso unendlicher blauer Weite unter Wasser dahin. Die Künstlerin verbindet die beiden doch so gegensätzlichen Wesen und lässt ihren "Vogelfisch" entstehen, den sie krönt und der für sie Symbol, Hoffnungsträger und Signet ist.

FREE JAZZ IN DER DDR - WELTNIVEAU IM ÜBERWACHUNGSSTAAT
Erinnerungslabor / 25.03. - 20.04.2015

Die multimediale Ausstellung gibt Einblicke in eine schillernde Subkultur der DDR-Gesellschaft - die Free-Jazz-Szene der 1970er und 1980er Jahre. Die Kuratoren Stefanie Wahl und Albrecht Ecke haben für die Ausstellung 17 Interviews mit Free Jazzern aus der Szene geführt. Ihre Erinnerungen und die ihrer Fans sind in Audiostationen abrufbar, ebenso die Musik von damals. Zudem präsentiert die Ausstellung Plakate, Fotos, Platten und Partituren aus den Archiven der Musiker.

MITTEN IM LEBEN - DAS ROT
Angela Ernst / 27.04. - 25.05.2015

Die Werke von Angela Ernst zeichnen sich durch intensive, warme Farbgebung unter häufiger Verwendung von Rottönen aus. Farbe wird lebendig und betont Weiblichkeit und feminine Lebenssicht. Ihre Dynamik entfalten die Werke durch markante Strukturen und Linien, die zum Ausdruck seelischer Befindlichkeit werden. Angela Ernst arbeitet als Grundschullehrerin in Halberstadt und schreibt seit einigen Jahren auch Gedichte.

ANGEKOMMEN - DIE INTEGRATION DER VERTRIEBENEN IN DEUTSCHLAND
Zentrum gegen Vertreibung / 27.05. - 26.06.2015

Mangelernährung, improvisierte Unterkünfte und soziale Ausgrenzung - das war der Alltag von Millionen Vertriebenen im Deutschland der Nachkriegszeit. Mit ihrem schwierigen Start beschäftigt sich Teil III der Ausstellungstrilogie Heimatweh. Auf Schautafeln mit Fotos, Collagen und Texten zeigt die Ausstellung, wie steinig der Weg der Integration für viele Vertriebene war und welchen Beitrag sie zur Entwicklung des Landes geleistet haben.

DIE ELBE - VON BRÜCKE ZU BRÜCKE
Waltraut Reinke / 30.06. - 31.07.2015

"Wer an der Elbe geboren wurde, den lässt sie nicht mehr los", ist Waltraud Reinke überzeugt. Sie selbst kommt aus der kleinen Hansestadt Werben, ganz im Osten der Altmark. Die Ausstellung im Landtag hält in lebendigen, heiteren und naiven Landschaftsbildern die Schönheit und Einzigartigkeit der Elbe fest, egal zu welcher Jahreszeit und an welcher Flussbiegung. Denn die Liebe der Menschen zu ihrem Fluss habe auch durch das Hochwasser von 2013 keinen Dämpfer bekommen, so Reinke.

*

IM BLICKPUNKT

Aus einer kleinen Ruhepause kann eine große Quelle neuer Kraft entstehen.

Im Namen aller Mitglieder des Landtages wünsche ich Ihnen und Ihren Familien frohe und gesegnete Weihnachten und alles Gute für das neue Jahr.

Detlef Gürth, Präsident des Landtages von Sachsen-Anhalt

*

IMPRESSUM

Herausgeber: Der Präsident des Landtages von Sachsen-Anhalt

Auflage und Erscheinen: 10.000 Exemplare, vierteljährlich

Redaktion/Bestelladresse: Landtag von Sachsen-Anhalt Ref. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Besucherdienst und Protokoll Domplatz 6-9, 39094 Magdeburg Fon: 0391 / 560 0 Fax: 0391 / 560 1123 www.landtag.sachsen-anhalt.de landtag@lt.sachsen-anhalt.de

Redaktion: Ursula Lüdkemeier (Ltg.), Stefanie Böhme,
Ulrich Grimm, Dr. Stefan Müller, Gudrun Oelze,
Wolfgang Schulz, Annekatrin Barth

Fotos & Grafiken:
Titel: DPA; Seite 4: Stefanie Böhme; Seite 5: Illustration Sebastian Bretthauer/Ideengut; Seite 6: Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Seiten 7/8: Dr. Stefan Müller: Seite 10: Ideengut; Seite 11: Foto Klapper Magdeburg; Seite 12: Dr. Stefan Müller; Seite 14: Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt mbH; Stadt Bitterfeld-Wolfen; Seite 15: Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt mbH ; Seite 16: Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt mbH ; Stadt Bitterfeld-Wolfen; Seite 17: Doppelbauer, Stadt Bitterfeld-Wolfen; Seite 18: Ingo Bartussek/fotolia.de; Seite 19: Dr. Stefan Müller; Seite 20: Alexandra H./pixelio.de; Seite 21: Monkey Business/fotolia.com; Seite 22: Dr. Stefan Müller; Seite 23: Förderverein der "Euthanasie"-Gedenkstätte Bernburg; Seiten 24/25: Dr. Uwe-Volkmar Köck; Seiten 26-30: Dr. Stefan Müller; Seite 32: Adam Gryko, Stockfoto

Satz & Gestaltung: IdeenGut OHG | www.ideengut.info

Druck: Harzdruckerei GmbH. www.harzdruck.de

Redaktionsschluss: 17.11.2014

Dieses Magazin dient der Öffentlichkeitsarbeit des Landtages von Sachsen-Anhalt. Es wird kostenfrei verteilt. Es darf weder von Wahlbewerbern noch von Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden.

*

Quelle:
ZwischenRuf 4/2014
Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt
Herausgeber: Der Präsident des Landtages von Sachsen-Anhalt
Redaktion/Bestelladresse:
Landtag von Sachsen-Anhalt
Ref. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,
Besucherdienst und Protokoll
Domplatz 6-9, 39094 Magdeburg
Telefon: 0391 / 560 0; Fax: 0391 / 560 1123
E-Mail: landtag@lt.sachsen-anhalt.de
Internet: www.landtag.sachsen-anhalt.de
 
Der ZwischenRuf erscheint vierteljährlich.
Das Magazin dient der Öffentlichkeitsarbeit
des Landtages von Sachsen-Anhalt.
Es wird kostenfrei verteilt.


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2014


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang