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RHEINLAND-PFALZ/2850: Inklusion im Bildungswesen (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 33/2013 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 16. September 2013

Inklusion im Bildungswesen



Zusammen mit der Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Antwort der Landesregierung lag zum Thema Inklusion ein Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vor, der gegen die Stimmen der CDU-Fraktion angenommen wurde.

Die Antwort auf die Große Anfrage "Bildung und Inklusion" durch das Bildungsministerium und der daraus resultierende Entschließungsantrag der Koalition stimmten sie optimistisch, sagte Ruth Ratter (Bündnis 90/Die Grünen). "Rheinland-Pfalz ist bereit für die Inklusion im Bildungswesen", schloss die Abgeordnete. Der Umbau habe sogar schon vor Jahren begonnen und seit 2011 Fahrt aufgenommen. Mit Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein habe Rheinland-Pfalz die höchste Integrationskraft aller Bundesländer im Regelschulsystem, zitierte Ratter den zweiten Chancenspiegel der Bertelsmann-Stiftung. Mit der freien Schulwahl ab dem Schuljahr 2014/2015 würden sich die Bedingungen in Rheinland-Pfalz für die Inklusion weiter verbessern. "Mit dem Aktionsplan aus dem Jahr 2010 sowie den bereits seit 2003 im Bildungswesen verorteten Schwerpunktschulen hat die Vorgängerregierung die Grundlagen für eine inklusive Bildungslandschaft gelegt, die nun Gestalt annimmt", erklärte die Abgeordnete. Ein gut vorbereiteter Übergang zwischen den Bildungseinrichtungen sei dabei "ein strategischer Kernpunkt", denn Übergänge seien "immer auch Neuanfänge, also Chancen zur Neuorientierung im Bildungssystem".

Bündnis 90/Die Grünen haben für Bettina Dickes (CDU) mit ihrer Großen Anfrage "durchaus die richtigen Fragen gestellt", aber leider "teilweise ernüchternde Antworten" erhalten. Besonders die Frage der Inklusion als Gegenstand von Studium und Weiterbildung sei elementar, wenn das Thema umgesetzt werden solle. 2010 habe die Landesregierung mitgeteilt, dass sie gerne künftig alle Schüler in einer Schule unterrichten möchte. Doch wenn jetzt das neue Gesetz zur Lehrerbildung komme, stünden die ersten Lehrerinnen und Lehrer, die so ausgebildet sind, frühestens in fünf Jahren zur Verfügung. Auch die Fortbildung sei in Rheinland-Pfalz in diesem Bereich "nur sehr mangelhaft". In ihrem Entschließungsantrag forderten die Koalitionsfraktionen oberste Priorität für den Elternwillen ein. Dem widerspreche sie. "Für uns hat das Kindeswohl oberste Priorität." Nur dieses dürfe darüber entscheiden, wo der richtige Förderort für ein Kind sei. Auch Gymnasien sollten Kinder mit Beeinträchtigung besuchen können, "aber nur dann, wenn sie in der Lage sind, mit den entsprechenden Hilfestellungen diesem zielgleichen Unterricht auch zu folgen", betonte Dickes. Ein Kind mit ganzheitlicher Entwicklungsstörung und Lernbeeinträchtigung sei dort nicht richtig aufgehoben, "und zwar dem Kindeswohl entsprechend".

In Rheinland-Pfalz finde Lernen lebenslang gemeinsam statt, hob Bettina Brück (SPD) hervor. "Das ist für uns der Maßstab in der weiteren Ausgestaltung inklusiver Bildung in Rheinland-Pfalz", sagte sie. Ihr sei immer noch unklar, was die CDU wolle und wie der Weg sein solle. "Unser Weg ist klar. Wir wollen ein vorbehaltloses Elternwahlrecht", sagte Brück. Sie finde es befremdlich, den Eltern abzusprechen in der Lage zu sein, zum Wohle ihrer Kinder zu entscheiden. "Wir glauben, dass Eltern das sehr verantwortungsbewusst tun und dazu durchaus in der Lage sind", widersprach die Abgeordnete ihrer Vorrednerin. Für den verantwortungsvollen Ausbau seien die nötigen Ressourcen sichergestellt. Die weißen Flecken müssten behoben werden, das Wahlrecht schulgesetzlich verankert werden. Dazu gehöre auch die nötige Beratung der Betroffenen. Die Inklusion müsse noch stärker als bisher in die Lehreraus- und -weiterbildung verankert werden. Die SPD-Fraktion habe in den vergangenen Monaten eine Vielzahl von Gesprächen mit allen Betroffenen geführt, alle Abgeordneten hätten Schulen besucht. "Wir wollen die weiteren Schritte zur inklusiven Bildung gemeinsam mit den betroffenen Eltern, Schülern, Schulen und Schulträgern weiterentwickeln", schloss Brück.

Über das, was Bettina Dickes gesagt habe, sei sie "wirklich erzürnt", sagte Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD). Wie sie über Eltern rede, die vor schwierigen Entscheidungen stünden, "das finde ich dem Thema und der Problematik in keiner Art und Weise angemessen", sagte sie. Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung habe gesagt: "Wer Inklusion will, sucht Wege - wer Inklusion nicht will, sucht Begründungen". Anfang des Jahres habe die Landesregierung angekündigt, wie der Gesetzentwurf in seinen großen Zügen aussehen werde und dass es ab dem Schuljahr 2014/2015 ein uneingeschränktes Wahlrecht für die Eltern geben werde. Wenn Dickes sage, das mit dem Elternrecht sehe sie dezidiert nicht so, sondern sei für das Kindeswohl, dann heiße dies, "dass aus ihrer Sicht verantwortliche Entscheidungen von Eltern gegen das Kindeswohl stehen". Sie sei dezidiert der Meinung, dass Eltern verantwortliche Entscheidungen für ihre Kinder auch in schulischen Fragen treffen, hielt Ahnen entgegen. "Wenn das Elternwahlrecht insgesamt ein guter Ratgeber in der Schule ist, dann ist es das allemal bei Kindern mit Behinderung."

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 33/2013, Seite 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Oktober 2013