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NORDRHEIN-WESTFALEN/2373: Wenn Hausärzte knapp werden (Li)


Landtag intern 11/2018
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

Wenn Hausärzte knapp werden
Sachverständige äußern sich zur Versorgung auf dem Land

von Michael Zabka


21. November 2018 - In ländlichen Regionen werden die Hausärzte knapp. Um gegenzusteuern, hat die Landesregierung ein "Landarztgesetz" auf den Weg gebracht. Es sieht u. a. eine Vorabquote bei der Zulassung zum Medizinstudium vor. Das heißt: Maximal zehn Prozent der Medizinstudienplätze sollen an vorab ausgewählte Bewerberinnen und Bewerber vergeben werden. Die wiederum verpflichten sich, nach der Ausbildung zehn Jahre lang in unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Gegenden zu arbeiten. Halten sie sich nicht daran, droht eine Vertragsstrafe in Höhe von 250.000 Euro.


Bei der Studienplatzvergabe soll zudem nicht nur eine sehr gute Abiturnote entscheidend sein. Die "Orientierung an Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten in Verbindung mit Empathie und Sozialkompetenz" seien ebenfalls "wichtige Schlüsselfaktoren des ärztlichen Berufs", heißt es in dem Gesetzentwurf ("Gesetz zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs des Landes Nordrhein-Westfalen", 17/3037). In einer gemeinsamen Anhörung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie des Wissenschaftsausschusses haben sich Sachverständige dazu geäußert.

Landkreistag sowie Städte- und Gemeindebund unterstützten das Ziel "vollumfänglich", wie es in einer Stellungnahme für die Ausschüsse hieß. Sie empfahlen jedoch, das Gesetz auf die "ärztliche Versorgung allgemein" zu erweitern. Es mangele auch an Fachärztinnen und -ärzten sowie an Bewerbungen für den Öffentlichen Gesundheitsdienst.

Der Gedanke, bereits bei der Studienplatzvergabe anzusetzen, sei "prinzipiell sinnvoll", so der Städtetag. Eine Verbesserung der ärztlichen Versorgung werde sich aber durch die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung "alleine nicht realisieren lassen". Die vorab vergebenen Studienplätze stünden anderen nicht mehr zur Verfügung, das Angebot werde "verknappt". Zu spürbaren Verbesserungen werde es nur kommen, "wenn deutlich mehr Medizinstudienplätze vom Land geschaffen werden". Zudem beschränke sich das Problem nicht allein auf den ländlichen Raum. Auch städtische Gebiete seien von Ärztemangel betroffen - "insbesondere Stadtgebiete mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Menschen und einem niedrigen Anteil von Privatversicherten".

Man unterstütze die Initiative der Landesregierung, schrieb die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein in ihrer Stellungnahme: "Insbesondere in ländlichen Regionen kann ein Teil der hausärztlichen Sitze nicht nachbesetzt werden." Dies zeichne sich mittelfristig jedoch auch in Ballungsräumen ab. Zwar lege das geplante "Landarztgesetz" den Bewerberinnen und Bewerbern um einen Studienplatz Einschränkungen für deren individuelle Lebensplanung auf, dennoch sei die im Gesetzentwurf vorgenommene Abwägung "sachgerecht und verhältnismäßig".

Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe sah im Gesetzentwurf ein "zusätzliches Instrument, dem prognostizierten Hausärztemangel auf lange Sicht entgegenzutreten". Sie empfahl zudem, an den Medizinischen Fakultäten in NRW eine "Landarztquote" einzuführen. Dies würde unmittelbar zu einer Stärkung der hausärztlichen Versorgung beitragen.

"Die ersten Studenten, die im Rahmen der Landarztquote den Studienplatz erhalten, können nicht vor Wintersemester 2019/2020 ihr Studium beginnen", gab die Ärztekammer Nordrhein zu bedenken. Eine Verbesserung der hausärztlichen Versorgung würde also erst von 2031 an eintreten. Die Kammer empfahl, den Ausbau der Telemedizin (zum Beispiel Online-Sprechstunden) zu fördern und dies in die Digitalisierungsstrategie des Landes aufzunehmen. Möglicherweise könne die Situation so schneller verbessert werden.

"Weiterer Mosaikstein"

Der Hausärzteverband Westfalen-Lippe begrüßte die Gesetzesinitiative. Gleichwohl könne die Landarztquote "nur ein weiterer Mosaikstein im Ganzen" sein. Allerdings berge die Regelung auch Risiken: "Bessergestellte Studierende könnten sich nach ihrem Studium freikaufen und entsprechend eine andere Facharztrichtung als die Allgemeinmedizin einschlagen."

Das Ärzte-Netzwerk "Medizin und Mehr" bewertete den Gesetzentwurf positiv und schlug außerdem vor, die Budgetierung medizinischer Leistungen in schlecht versorgten Regionen individuell auszusetzen, so dass "kein negativer Anreiz" für Hausärzte bestehe, gegen Ende des Quartals keine Leistungen mehr anzubieten.

Als "verfassungsrechtlich unproblematisch" bezeichnete der Verwaltungsrechtler Wilhelm Achelpöhler (Münster) die Einführung einer Landarztquote. Er sah jedoch Probleme bei der Studienplatzvergabe. Die Unterschiede bei den Abiturdurchschnittsnoten in den Bundesländern würden nicht berücksichtigt. "Eine Landarzt- als Vorabquote kann durch das Land Nordrhein-Westfalen grundsätzlich in zulässiger Weise eingeführt werden", befand Prof. Dr. Stefan Huster (Juristische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum).

Der Landtag hat dem Gesetzentwurf am 12. Dezember 2018 mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD zugestimmt.

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Quelle:
Landtag intern 11 - 49. Jahrgang, 18.12.2018, S. 11
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2019

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