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NORDRHEIN-WESTFALEN/2280: Diskussion um Heilpraktiker (Li)


Landtag intern 10/2016
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

Diskussion um Heilpraktiker

Sachverständige äußern sich im Gesundheitsausschuss zu Ausbildung und Anforderungen

von Michael Zabka


23. November 2016 - Die FDP-Fraktion will die Anforderungen an Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker erhöhen. Das Gesetz, das deren Tätigkeit bislang regle, stamme aus dem Jahr 1939. Die Inhalte seien jedoch bis heute im Wesentlichen unverändert geblieben. In einer Anhörung des Gesundheitsausschusses haben sich Sachverständige zum Thema geäußert.


Es gebe keine festgeschriebene Ausbildung für Heilpraktiker, kritisiert die FDP-Fraktion in ihrem Antrag (Drs. 16/12846). Um den Beruf ausüben zu dürfen, sei eine Erlaubnis der örtlich zuständigen Kreise und kreisfreien Städte erforderlich. Sie werde nach bestandener Kenntnisüberprüfung erteilt. Dabei gehe es nur um die Feststellung, dass von den Kandidatinnen und Kandidaten keine Gefährdung ausgehe.

Eine "geregelte Qualitätskontrolle" sei ebenso wenig vorgesehen wie die Pflicht zur Weiterbildung. Trotzdem dürften zugelassene Heilpraktiker Injektionen setzen. Ohne abgeschlossenes Medizinstudium behandelten sie zudem "Knochenbrüche, Blinddarmentzündungen, Krebs und viele andere schwerwiegende Erkrankungen". Die Fraktion führt Todesfälle in Brüggen-Bracht (Kreis Viersen) an, "die mit einer alternativen biologischen Krebsbehandlung durch einen Heilpraktiker in Verbindung stehen". Die Landesregierung möge sich auf Bundesebene u. a. für eine Neuregelung des Heilpraktikergesetzes einsetzen, "die für eine Erlaubnis den Abschluss eines Studiums oder einer Ausbildung in einem Heilberuf oder in einem anderen Gesundheitsfachberuf voraussetzt". Ein eigenständiger Studiengang oder eine eigenständige Ausbildung seien abzulehnen.


"Reformbedürftigkeit"

"Die Reformbedürftigkeit des Heilpraktikerrechts in Deutschland dürfte unumstritten sein", hieß es in einer Stellungnahme der Ärztekammer Nordrhein für den Ausschuss. Die tragischen Ereignisse in Bracht hätten deutlich gemacht: "Es gibt eine Gruppe von Heilpraktikern, die ihre Erlaubnis nutzen, um schwerstkranke Patientinnen und Patienten nicht nur finanziell zu schädigen, sondern auch unvertretbaren gesundheitlichen Risiken auszusetzen." Invasive Eingriffe müssten von der Heilpraktikererlaubnis ausgenommen sein. Dies enge das Betätigungsfeld der meisten nicht ein, verhindere aber "besonders patientengefährdende Maßnahmen".

Schaden könne nicht nur aus aktivem Handeln, sondern auch aus dem Unterlassen einer medizinisch gebotenen Maßnahme resultieren, schrieb die Ärztekammer Westfalen-Lippe und berichtete in ihrer Stellungnahme von einem Heilpraktiker, der geglaubt habe, bei einer Patientin eine Krebserkrankung durch "Pendeln" ausschließen zu können. Die Frau sei später an unbehandeltem Brustkrebs gestorben. Dies sei kein Einzelfall. Der Patientenschutz müsse höher gewichtet werden.

Die "European Federation for Naturopathy (EFN)", ein europaweiter Zusammenschluss naturheilkundlicher Therapeutinnen und Therapeuten, befürwortete eine bundeseinheitliche Ausbildungsregelung. Dass Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker Blinddarmentzündungen oder Knochenbrüche behandelt hätten, sei jedoch nicht richtig. Heilpraktiker seien sich ihrer Sorgfaltspflicht bewusst und wüssten, dass solche Fälle "in die Obhut schulmedizinischer Behandlung gehören". Weiterbildung sei selbstverständlich. Der FDP-Fraktion gehe es offenbar darum, den Heilpraktikerberuf abzuschaffen.

Der Beruf stelle in seiner rechtlichen Ausgestaltung einen "Anachronismus im deutschen Berufsrecht der Heilberufe dar", befand Prof. Dr. Winfried Kluth, Jurist an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er hatte dem Ausschuss eine schriftliche Stellungnahme zukommen lassen. Die Ausübung der Heilkunde werde ohne Einschränkung gestattet, "obwohl im Gesetz keine konkreten Anforderungen an die nachzuweisende Ausbildung und Qualifikation normiert sind". Andererseits leiste der Berufsstand "in sehr vielen Bereichen und den allermeisten Fällen einen wertvollen Beitrag zur Gesundheitsversorgung". Kluth empfahl, sich auf Bundesebene für eine "angemessene berufsrechtliche Gesetzgebung zu engagieren".

Der Verband der Ersatzkassen sprach sich für eine Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen aus. Der erste Schritt dazu müsse aber vom Bund ausgehen. Auf Landesebene könnten dann die Themen "Weiterbildung" und "Kontrolle" geregelt werden.

"Heilpraktiker üben eine heilkundliche Tätigkeit aus, die in keinerlei Hinsicht den Erkenntnissen der Medizin seit Mitte des 19. Jahrhunderts genügt", schrieb die Autorin, Journalistin und ausgebildete Heilpraktikerin Anousch Mueller in ihrer Stellungnahme. Heilpraktiker setzten "verquere Vorstellungen von körperlichen Prozessen in die Welt" und verunsicherten Patienten. Ihre Befugnisse sollten "stark eingeschränkt" werden.

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Quelle:
Landtag intern 10 - 47. Jahrgang, 20.12.2016, S. 9
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2017

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