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NORDRHEIN-WESTFALEN/2256: Diskussion um Haushalt 2017 (Li)


Landtag intern 7/2016
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

PLENUM
Diskussion um Haushalt 2017
Landesregierung bringt Etatentwurf ins Parlament ein

Von Dr. Stephan Malessa, Sonja Wand, Michael Zabka


15. September 2016 - Die Landesregierung hat den Haushaltsentwurf für das Jahr 2017 ins Parlament eingebracht. Er hat ein Volumen von rund 72,3 Milliarden Euro. Die Nettoneuverschuldung soll um rund 200 Millionen Euro auf 1,6 Milliarden Euro sinken. Die Opposition nutzte die Debatte zu einer Generalabrechnung mit der Politik der Landesregierung. Rot-Grün wies die Kritik zurück.


Der Entwurf (Drs. 16/12500) sieht Ausgaben in Höhe von rund 72,3 Milliarden Euro vor, rund 2,4 Milliarden Euro mehr als 2016. Die Steuereinnahmen werden auf rund 55 Milliarden Euro geschätzt. Mit beraten wird das Gemeindefinanzierungsgesetz. Es sieht Zuweisungen des Landes an die Kommunen in Höhe von rund 11 Milliarden Euro vor - rund 177 Millionen mehr als 2016.

Die aktuell gute Einnahmesituation wird laut Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans (SPD) für Investitionen und für den Abbau der Nettokreditaufnahme auf Null bis zum Jahr 2020 genutzt. Der "Wettlauf um die schwarze Null" sei kein Wert an sich. In Zeiten niedrigster Zinsen sollten Investitionen vor allem für Bildung, Sicherheit und Infrastruktur getätigt werden, sagte er. Allein 2017 würden für Bildung gut 29 Milliarden Euro in die Hand genommen. Zur Diskussion auf Bundesebene um Steuererleichterungen argumentierte Walter-Borjans, "konjunkturell bedingte Rekordergebnisse" seien kein Anlass für dauerhafte Steuersenkungen.

CDU-Fraktionschef Armin Laschet nutzte die Debatte zur Kritik an der Arbeit der Landesregierung in den vergangenen sechs Jahren. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sei mit ihrem Ziel, kein Kind zurückzulassen, gescheitert: Heute seien 36.500 Kinder mehr von Armut betroffen als im Jahr 2010, sagte Laschet. "Die Schulden haben Sie gemacht, aber den Kindern geht es schlechter als zu Beginn Ihrer Amtszeit." Die Neuverschuldung sei trotz niedriger Zinsen und sprudelnder Steuereinnahmen hoch. Laschet warf der Regierung vor, nur in Modellprojekte zu investieren, aber keine Problemlösungen für das Land zu haben.

Laschet habe ein Zerrbild von NRW gezeichnet, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Norbert Römer. Er betonte, es gebe positive Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, und bezeichnete Nordrhein-Westfalen als "Investitionsstandort Nummer eins", "Gründerland Nummer eins", "digitale Nummer eins" und "Zukunftsregion Nummer eins", letztere sogar in Europa. Ein Problem sei die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit in einigen Großstädten. Präventionsprogramme änderten nichts an schlechten Jobchancen von Langzeitarbeitslosen, gestand er zu - aber die Programme sollten verhindern, dass es deren Kindern einmal genauso ergehe.

"Natürlich ist Nordrhein-Westfalen ein starkes Land, aber es hat eine schlechte Regierung", erwiderte FDP-Fraktionschef Christian Lindner. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) habe bei Amtsantritt erklärt, sie wolle sich daran messen lassen, ob sie das Leben der Bürgerinnen und Bürger besser mache. Kraft sei an ihrem eigenen Anspruch gescheitert. Lindner kritisierte, die Ministerpräsidentin kultiviere einen "resignativen, ambitionslosen Politikstil". Als Beispiele nannte er die Verkehrs-, Digitalisierungs- und Haushaltspolitik. "Sie schieben die schwarze Null wie eine Bugwelle vor sich her." In der Bildungspolitik drohe Schiffruch.

Der Haushalt 2017 sei ein "Meilenstein für Integration", sagte GRÜNEN-Fraktionschef Mehrdad Mostofizadeh. Allein die Kosten zur Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge schlügen mit rund 4 Milliarden Euro zu Buche. Davon trage der Bund "gerade einmal ein Viertel". Die Schuldenbremse werde erreicht - im Jahr 2020 könne planmäßig mit dem Abbau der Altschulden begonnen werden. "Unsere Haushaltspolitik ist konsequent", sagte Mostofizadeh. Den Kommunen habe man mit einem umfassenden Paket "wieder Luft zum Atmen verschaff" und die Zuwendungen über das Gemeindefinanzierungsgesetz deutlich erhöht.


"Armut wird vererbt"

Michele Marsching, Vorsitzender der PIRATEN-Fraktion, wies auf einen Anstieg der Kinderarmut hin. Dies passe nicht zur Devise der Landesregierung "Kein Kind zurücklassen". In Gelsenkirchen wüchsen 40 Prozent aller Mädchen und Jungen in Armut auf. Die "Achse der Abgehängten" verlaufe mitten durch Nordrhein-Westfalen; Armut werde mittlerweile vererbt. Marsching hielt der Landesregierung vor, die Digitalisierung zu "verschlafen". Politik habe vor allem ältere Menschen im Blick, die Interessen junger Leute würden nicht genug beachtet. Er forderte u. a. eine "massive Erhöhung des Bildungsetats".

Der fraktionslose Abgeordnete Daniel Schwerd sprach ebenfalls das Thema Kinderarmut an. Schuld daran sei Hartz IV als "staatlich verordnete Armut".

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) erwiderte, einer Steigerung bei der Kinderarmut stehe eine um ein Vielfaches höhere Steigerung an zugewanderten Kindern gegenüber. Zur weiteren Kritik aus der Opposition sagte sie: "Wir haben einen klaren Plan." Um die Wirtschaft zu stärken, sorge die Landesregierung für Verlässlichkeit, Akzeptanz und Innovationsfähigkeit. Jeder dritte Euro aus dem Landeshaushalt fließe in Kinder, Bildung und Familie. Unter den Punkt "Lebenswert" fasste Kraft unter anderem Steuergerechtigkeit und faire Arbeitsbedingungen sowie eine Stärkung des ländlichen Raums.

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Quelle:
Landtag intern 7 - 47. Jahrgang, 21.09.2016, S. 3
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Oktober 2016

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