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NORDRHEIN-WESTFALEN/2191: Experten äußern sich zur Lebensmittelüberwachung (Li)


Landtag intern 5/2015
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

Kontrolle gegen Gebühr?
Experten äußern sich zur Lebensmittelüberwachung


10. Juni 2015 - Pferdefleisch in der Lasagne, Dioxin in Eiern, gefährliche Keime im Gemüse: Es sind Lebensmittelskandale wie diese, die die Verbraucherinnen und Verbraucher in den vergangenen Jahren aufgeschreckt haben und die die staatliche Überwachung der Lebensmittelherstellung in den Fokus des Interesses rückten. Um die Finanzierung dieser amtlichen Kontrollen an Rhein und Ruhr ging es nun in einer Anhörung des Wirtschaftsausschusses.


Sachverständige äußerten sich dort zu der Frage, ob die Unternehmen der Lebensmittelbranche künftig Gebühren für die Regelkontrollen zahlen sollen. Anlass war ein Antrag der FDP-Fraktion (Drs. 16/7167), die entsprechende Pläne der rot-grünen Landesregierung kritisch sieht.

Die Fraktion will vielmehr am Grundsatz festhalten, dass die amtliche Lebensmittelüberwachung aus Steuermitteln finanziert wird. Die Absicht der nordrhein-westfälischen Landesregierung, auf eine Gebührenfinanzierung umzustellen, gehe zulasten der Verbraucher und führe zu einer "unzumutbaren Belastung speziell für kleine und mittlere Betriebe", heißt es im Antrag.

In der Anhörung prallten die Meinungen aufeinander. Die Verbraucherzentrale NRW unterstützt eine Gebührenfinanzierung. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es, dass es in den vergangenen Jahren eine "Besorgnis erregende Zunahme von Betrugsfällen" vor allem bei hochpreisigen Lebensmitteln gegeben habe. Die amtliche Kontrolle stoße derzeit an ihre Grenzen. "Um zu vermeiden, dass die Lebensmittelkontrolle zum Nachteil des Verbraucherschutzes in Abhängigkeit von der jeweiligen öffentlichen Haushaltslage erfolgt, sollten für Regelkontrollen verpflichtende Gebühren erhoben werden."

Die niedersächsische Landesregierung erhebt seit Dezember vergangenen Jahres solche Gebühren. Franz-Christian Falck vom dortigen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit betonte, die Regelkontrollen seien kein Bestandteil der staatlichen Daseinsvorsorge. Vielmehr seien die Unternehmen Veranlasser der Kontrollen durch ihre risikogeneigte Unternehmung selbst. Die Einführung der Gebühren sei daher verfassungsrechtlich zulässig.

Auch der Landesrechnungshof NRW unterstützt eine Gebührenfinanzierung zur Entlastung der kommunalen Haushalte, wie es in einer Stellungnahme für die Anhörung heißt. Ebenso - grundsätzlich - der Landkreistag, allerdings mit der Forderung, dass die "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit insbesondere von Kleinunternehmen dadurch nicht gefährdet wird", wie aus der Stellungnahme hervorgeht.

Aufwand größer als Ertrag?

Im Städtetag NRW gibt es nach Angaben von Regine Meißner dagegen kein einheitliches Bild. Die Tendenz sei allerdings eher ablehnend bei den kreisfreien Städten, unter anderem, weil ein erhöhter Verwaltungs- und Personalbedarf befürchtet werde. Die Lebensmittelüberwachungsämter und Veterinärämter der Kreise und Städte sind für die Kontrollen zuständig.

Deutliche Kritik an den Plänen zur Gebührenfinanzierung äußerten die Verbände der Lebensmittelbranche. So betonte Klaus Hübenthal von der Dehoga NRW für den Bereich Hotels und Gaststätten, sein Verband halte die Einführung einer Gebührenfinanzierung für verfassungsrechtlich bedenklich. Zudem bestehe die Befürchtung, dass der Aufwand größer sein werde als der Ertrag.

Der Fleischerverband NRW sieht in den Kontrollen - im Gegensatz beispielsweise zum Land Niedersachsen - eine staatliche Aufgabe der Daseinsvorsorge, die nicht über Gebühren finanziert werden dürfe. Dr. Sabine Görgen vom Verband warnte darüber hinaus, dass gerade kleinere Betriebe Gebühren nicht schultern, sie aber wegen des hohen Konkurrenzdrucks auch nicht an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben könnten. Zudem gebe es ein gutes System der Eigenkontrolle. Die Betriebe würden durch die Einführung von Gebühren daher "doppelt zur Kasse gebeten".

Der Verband des Rheinischen Bäckerhandwerks äußerte sich ähnlich und warnte vor einem Anstieg des Sterbens kleinerer Bäckereien. Walter Dohr vom Verband verwies wie der Fleischerverband auf die Konkurrenz durch Supermärkte und Discounter. Den kleinen Handwerksbetrieben drohe eine enorme Belastung durch die Einführung von Gebühren für die Regelkontrollen.

Die Landesverbände der Lebensmittelkontrolleure im öffentlichen Dienst sowie der Lebensmittelchemikerinnen und -chemiker im öffentlichen Dienst warnten in der Anhörung vor einem steigenden Verwaltungsaufwand durch die Einführung von Gebühren.

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Quelle:
Landtag intern 5 - 46. Jahrgang, 29.6.2015, S. 9
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2015

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