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NORDRHEIN-WESTFALEN/2180: Heftige Debatte um geplante Abgabe für alte Kohlekraftwerke (Li)


Landtag intern 3/2015
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Klimatische Verstimmungen
Heftige Debatte um geplante Abgabe für alte Kohlekraftwerke

Von Michael Zabka, Christoph Weißkirchen, Wibke Op den Akker


29. April 2015 - Für schlechtes Klima an Rhein und Ruhr sorgt die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) geplante Abgabe für ältere Kohlekraftwerke. Mit ihrer Hilfe soll der Kohlendioxid-Ausstoß (CO2) vermindert werden, um letztlich die langfristigen Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen. Im Energieland NRW ist das Vorhaben allerdings umstritten - wie nun im Landtag deutlich wurde.


NRW ist ein wichtiger Standort der Braun- und Steinkohlewirtschaft. Kritiker der Pläne von Gabriel fürchten das Aus älterer Kraftwerke und in der Folge Arbeitsplatzverluste, steigende Strompreise und Nachteile für den Industriestandort NRW. Andere sehen in der Energiegewinnung aus Kohle eine überkommene Technologie.

In einer teils heftigen Debatte warnten CDU und FDP vor Nachteilen insbesondere für das rheinische Braunkohlerevier. SPD und GRÜNE nannten dies "Populismus". Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) betonte zugleich, dass Klimaschutzmaßnahmen nicht einseitig zulasten der Braunkohle gehen dürften. Die PIRATEN kritisierten grundsätzlich ein Festhalten an der Kohle.

CDU-Fraktionschef Armin Laschet erinnerte daran, dass der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung bis 2025 bei 40 bis 45 Prozent liegen solle. Dies bedeute, dass man weiter auf konventionelle Energieträger angewiesen sei. Die Braunkohle sei eine "wichtige Säule im Blick auf die Versorgungssicherheit" und gehöre zu den Stützen des Wirtschaftsstandortes NRW. Die von Gabriel geplante "Strafsteuer" sei daher unverantwortlich. Sie würde die Braunkohle künstlich vom Markt drängen und zahlreiche Arbeitsplätze gefährden.

Dass Gewerkschaften gegen eine sozialdemokratisch geführte Landesregierung demonstrieren, sei schon bemerkenswert, meinte FDP-Fraktionschef Christian Lindner. Ministerpräsidentin Kraft warne in Interviews zwar vor einem "Strukturbruch", gleichzeitig aber unterstütze das Kabinett im Entwurf zum Klimaschutzplan die Strategie der Bundesregierung und fordere von der Energiewirtschaft einen zusätzlichen Beitrag zur Emissionsminderung inklusive eines entsprechenden Instruments. Beide Ziele seien jedoch nicht miteinander vereinbar.


"Billige Effekthascherei"

SPD-Fraktionschef Norbert Römer verteidigte den Bundeswirtschaftsminister. Dieser habe von der schwarz-gelben Vorgängerregierung in Sachen Klimaschutz nur "Chaos" übernommen. Gabriel habe einen strukturierten Prozess eingeleitet. Über seine Vorschläge sei die Landesregierung im Gespräch mit ihm. Ziel sei, die Klimaschutzziele zu erreichen und zugleich einen Strukturbruch bei der Braunkohle zu vermeiden. Dies sei "verantwortungsvolle Politik", im Gegensatz zum Agieren der Opposition, die auf "billige Effekthascherei" setze.

Der Vorsitzende der GRÜNEN-Fraktion, Mehrdad Mostofizadeh, warf Laschet "billigen Populismus" vor. Er spiele mit den Gefühlen der Menschen im Braunkohlerevier. Mostofizadeh erinnerte daran, dass die Bundesregierung bis 2020 den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen um 40 Prozent verringern wolle. Fakt sei aber, dass bis 2014 erst 24 Prozent erreicht worden seien. Die CO2-Emissionen der Braunkohlewirtschaft im Rheinland seien seit mehr als zwei Jahrzehnten gar nicht gesunken. Gabriels Pläne gingen daher in die richtige Richtung.

Für eine Forcierung der Energiewende sprach sich Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) aus. Der Strukturwandel in diesem Bereich laufe erfolgreich, er dürfe nicht gefährdet werden. Gefährdet würden die Umsetzung der Klimaziele und der Wirtschaftsstandort NRW insbesondere durch das Festhalten an der in jedem Fall "todgeweihten" Kohlekraft. Wolle man Arbeitsplätze, Versorgungssicherheit und Klimaschutz sichern, müsse man auf den innovativen Sektor der erneuerbaren Energieträger setzen. Hier seien schon 54.000 Arbeitsplätze entstanden.

Die Landesregierung trete für eine erfolgreiche Energiewende, eine Erreichung der Klimaziele sowie die Sicherung der Arbeitsplätze ein, erklärte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Dies bedinge, dass man auch die heimische Braunkohle unterstütze. Denn erneuerbare Energieträger hätten 2014 zwar 28 Prozent des Energiebedarfs gedeckt, an einzelnen Tagen aber weniger als 1 Prozent. Die Stabilität des Stromnetzes sei gerade bei immer komplexeren Produktionsprozessen ein wichtiger Standortvorteil. Vor diesem Hintergrund sei man mit dem Bundeswirtschaftsminister im Gespräch.


Die Anträge von CDU und FDP wurden mit Mehrheit abgelehnt, der Entschließungsantrag von SPD und GRÜNEN angenommen.
Ein Video der Plenarsitzung finden Sie auf der Internetseite des Landtags unter:
www.landtag.nrw.de

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Quelle:
Landtag intern 3 - 46. Jahrgang, 30.4.2015, S. 3
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juni 2015

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