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NORDRHEIN-WESTFALEN/2173: Kameras sollen Angreifer abschrecken (Li)


Landtag intern 1/2015
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Kameras sollen Angreifer abschrecken
Experten äußern sich im Innenausschuss zu "Body-Cams" für die Polizei

Von Michael Zabka


13. Januar 2015 - Die CDU regt an, den Einsatz sogenannter Body-Cams (Mini-Schulterkameras) nach hessischem Vorbild auch bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen zu erproben. Bei einer Anhörung im Innenausschuss äußerten Experten Zustimmung, aber auch Skepsis.


Hintergrund des CDU-Antrags (Drs. 16/5923) sind vermehrte Übergriffe auf Polizistinnen und Polizisten. Potenzielle Angreifer sollen durch die Kameras abgeschreckt werden und - falls dies nicht gelingt - beweissicher überführt werden. In Frankfurt sei das Projekt erfolgreich verlaufen, die Zahl der Angriffe durch den Einsatz der Body-Cams binnen eines halben Jahres um rund 26 Prozent zurückgegangen.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sprach von einem "überfälligen ersten Schritt". Ein flächendeckender Einsatz von Body-Cams komme für die GdP jedoch nicht infrage, betonte NRW-Vorsitzender Arnold Plickert. "An gewissen Orten und zu gewissen Zeiten" seien die Kameras jedoch sinnvoll. Ihr Einsatz solle sich auf öffentlich zugängliche Bereiche mit einem erhöhten Aufkommen an Angriffen beschränken. Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft stehe einem Pilotversuch offen gegenüber, sagte Erich Rettinghaus, Vorsitzender des Landesverbandes NRW. Allerdings müsse eine Rechtsgrundlage geschaffen werden. Zudem vermisse man eine neutrale empirische Bewertung der hessischen Ergebnisse. Er empfahl eine Begleitung durch die Deutsche Hochschule der Polizei. Während in Hessen ausschließlich Bildaufnahmen gefertigt werden, halten beide Gewerkschaften auch Tonaufnahmen für sinnvoll.

So sieht es auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter (bdk). Man befürworte den probeweisen Einsatz, sagte Sebastian Fiedler, bdk-Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen. Aufzeichnungen dürften aber nur anlassbezogen erfolgen, etwa bei einer problematischen Personenkontrolle. Body-Cams hätten sich insbesondere dann bewährt, wenn die Polizei auf Gruppen treffe und von Mitgliedern dieser Gruppen bedrängt werde. Ein offener Hinweis auf die Kamera könne dazu führen, dass gewaltbereite Personen von ihrem Vorhaben ablassen.


"Fehlende Rechtsgrundlage"

Ulrich Lepper, Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW, und Prof. Dr. Clemens Arzt (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin) wiesen ebenfalls auf die fehlende Rechtsgrundlage für den Einsatz von Schulterkameras hin. Das Polizeigesetz erlaube zwar Bildaufnahmen zur Eigensicherung, allerdings nur aus Polizeifahrzeugen heraus, sagte Lepper. Eine mögliche Ausweitung der Videobeobachtung halte er für ein bedenkliches Signal an die Gesellschaft, die Distanz zur Polizei könne wachsen. Lepper bezweifelte zudem, dass die in Frankfurt gewonnenen Erkenntnisse tatsächlich einen positiven Effekt für die Sicherheit der Einsatzkräfte belegen. Der Rückgang der Übergriffe um 26 Prozent entspreche in absoluten Zahlen einer Reduzierung von 27 auf 20 Vorfälle. Dies könne auch andere Ursachen haben. Das Modellprojekt müsse einer externen wissenschaftlichen Begleituntersuchung unterzogen werden, erklärte Arzt, eine polizeiinterne Auswertung könne diese nicht ersetzen.

Nach Ansicht von Dr. Nils Zurawski (Institut für Kriminologische Sozialforschung, Hamburg) bleibt unklar, ob es beim Einsatz von Body-Cams um Abschreckung oder Beweissicherung gehe. Dass die Kameras auf jeden Fall präventiv wirken, sei nicht bewiesen, das Zahlenmaterial aus Hessen "dürftig" und "nicht schlüssig".

In Hessen habe sich der Einsatz von Body-Cams bewährt, sagte Frank Schuckmann vom dortigen Innenministerium. Er berichtete von insgesamt vier Pilotprojekten - zwei in Frankfurt (Alt Sachsenhausen und Innenstadt-Zeil) sowie in Wiesbaden und Offenbach. Beabsichtigt sei nun der landesweite, brennpunktorientierte Einsatz der Kameras. Eine Erprobung auch in NRW sei der richtige Schritt. Auf diese Weise könnten auch die hessischen Erfahrungen überprüft werden. Jeder Polizist, der nicht angegriffen und möglicherweise verletzt werde, sei den Versuch wert, so Schuckmann in seiner Stellungnahme.

Der Antrag sei grundsätzlich zu begrüßen, sagte Sicherheitsexperte Michael Radner (Taser International Europe). In Hessen setze man mit dem Verzicht auf Tonaufnahmen ausschließlich auf Abschreckung. Weil es aber in erster Linie um Strafverfolgung und Beweissicherung gehe, seien auch Tonaufnahmen wichtig. Der zeitliche und technische Aufwand angesichts der großen Datenmengen werde oft unterschätzt, meinte Radner und empfahl, die zuständigen IT-Abteilungen von Anfang an einzubinden.

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Quelle:
Landtag intern 1 - 46. Jahrgang, 29.1.2015, S. 11
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2015

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