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NORDRHEIN-WESTFALEN/2171: Fraktionen setzen Zeichen gegen den Terror (Li)


Landtag intern 1/2015
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

"Nicht Religion, der Fanatismus bedroht die Freiheit"
Fraktionen setzen Zeichen gegen den Terror

Von Christoph Weißkirchen, Michael Zabka, Wibke Busch


28. Januar 2015 - Der nordrhein-westfälische Landtag hat nach den islamistischen Anschlägen von Paris ein deutliches Zeichen gegen den Terror und für Demokratie, Meinungsfreiheit und Vielfalt gesetzt. Einstimmig verabschiedeten die Abgeordneten eine gemeinsame Resolution aller fünf Fraktionen (Drs. 16/7799). Darin werden die Angriffe als "unmenschliche Akte des Hasses gegen die Freiheit und ein mörderisches Fanal des Antisemitismus" bezeichnet. Die Fraktionen betonen: "Es ist keine Religion, die unsere Freiheit bedroht. Es ist Fanatismus, und es ist die Angst, die unser Zusammenleben vergiften soll."


SPD-Fraktionschef Norbert Römer sagte: "Die Terroristen wollten Frankreich in Angst und Schrecken versetzen. Sie wollten einen Keil in die französische Gesellschaft treiben. Das ist ihnen nicht gelungen." Er erinnerte daran, dass sich die freiheitliche und demokratische deutsche Verfassung auf die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789 durch die französische Nationalversammlung stütze. Gerade jetzt komme es darauf an, dass alle demokratischen Kräfte zusammenstünden. Römer betonte: "Wir lassen uns nicht einschüchtern, wir gehen gemeinsam gegen den Terrorismus, gegen Intoleranz, politische Gewalt und Fanatismus vor, weil wir unsere freiheitlichen Grundrechte europaweit schützen und ein friedliches und respektvolles Miteinander gewährleisten wollen." Freiheit und Demokratie seien nicht selbstverständlich, sie müssten täglich neu erkämpft und verteidigt werden. Deshalb sei es wichtig, dass sich der Landtag gemeinsam für eine freiheitliche und gegenüber allen Religionen offene Gesellschaft einsetze.

Für die CDU erinnerte der Parlamentarische Geschäftsführer Lutz Lienenkämper an die schrecklichen Bilder der Terroranschläge. Er verwies zugleich auf die großen Trauermärsche, die es in Paris und in vielen anderen Städten Europas, auch in NRW, gegeben habe. Diese gemeinsame Trauer habe die Menschen als Europäerinnen und Europäer zusammengeführt. "Es war spürbar, dass wir als Europäer gemeinsame Werte teilen, dass wir gemeinsam Trauer empfinden, dass wir zusammenstehen. Das war daher auch ein ganz starker europäischer Moment." Die überwältigende Mehrheit der Europäer habe auf die Anschläge nicht mit nationaler Rhetorik oder islamfeindlichen Parolen reagiert, sondern mit einem starken Zeugnis europäischer Solidarität. "Wenn wir heute sagen: Nach den Anschlägen von Paris sind wir mehr denn je Europäer, dann haben wir über die Attentäter und ihren Ungeist gesiegt." Dann wirkten jene, die jetzt Nationalismus und Ausgrenzung das Wort redeten, erst recht wie Irrläufer, die die Zeichen der Zeit nicht verstanden hätten.


"Schüren von Angst"

"Wir trauern mit den Angehörigen der Opfer und sind tief erschüttert von der Kaltblütigkeit und Brutalität der Täter", sagte GRÜNEN-Fraktionschef Reiner Priggen. Und: "Ein Angriff auf die Freiheit von Presse und Kunst ist ein Angriff auf uns alle." Unter den ermordeten Mitarbeitern von "Charlie Hebdo" seien einige der berühmtesten Zeichner und Satiriker Frankreichs. Priggen nannte sie "Teil einer Kultur, die mit radikaler Offenheit die Unzulänglichkeiten der Gesellschaft aufspießt". Genau dieser Einstellung verdanke Satire ihre Glaubwürdigkeit. Er sprach auch die Reaktionen auf die Terroranschläge an und erinnerte an die vielen Menschen, die "Straßen und Plätze in diesen Tagen nicht freigeben für dumpfes völkisches Ressentiment und das Schüren von Islamophobie". Als Bürgerinnen und Bürger gehörten heute alle Menschen zu NRW, ganz gleich, ob sie glauben oder nicht glauben, ob sie Juden, Muslime oder Christen seien, einer anderen Religion angehörten oder eine andere Weltanschauung verträten.

"Demokraten lassen sich nicht ängstigen und reagieren mit Entschlossenheit, wenn es um die freiheitliche Grundordnung geht", erklärte FDP-Fraktionschef Christian Lindner. Die innere Liberalität werde in diesen Tagen aber auch von jenen infrage gestellt, die die Anschläge zu instrumentalisieren versuchten, um Ängste vor einer "Islamisierung des Abendlandes" zu schüren. Bei Menschen, die sich an die Verfassung hielten, sei es egal, woher sie kämen oder an welchen Gott sie glaubten. Jeder dürfe nach seiner Façon selig werden. Lindner warnte davor, die Ereignisse zu missdeuten und falsche Schlüsse zu ziehen. Ein Eingriff in Grundrechte - wie nach den Anschlägen in den USA am 11. September 2001 - würde nur scheinbar mehr Freiheit garantieren. "Wenn andere unsere Freiheit hassen, verteidigen wir sie umso entschlossener", sagte Lindner. Allerdings müssten sich auch Muslime gegen Extremisten in ihren Reihen zur Wehr setzen. Lindner regte zudem an, muslimischen Verbänden Unterstützung bei der "Modernisierung ihrer Religion" anzubieten.

Weltoffenheit und Toleranz: Diese Tugenden standen im Mittelpunkt der Rede von Dr. Joachim Paul, Fraktionsvorsitzender der PIRATEN. Europa sei angewiesen auf Menschen und Impulse von außen, verwies Paul auf den Einfluss des arabisch-islamischen Kulturkreises zum Beispiel auf Mathematik und Philosophie auch in Europa. Vor diesem Hintergrund gehörten weltanschauliche Differenzen ausgehalten, offen diskutiert und Grenzen nicht gebaut. Genau das Gegenteil strebten Terroristen an: "Das Ziel jedweder terroristischer Aktivität ist es zu spalten, zu trennen", sagte Paul. Eine wesentliche Aufgabe europäischer Politik müsse es daher sein - über die Besinnung auf gemeinsame Werte hinaus -, jeder Form von Terrorismus offensiv entgegenzutreten, gegen den Terrorismus von religiös oder ideologisch motivierten Fanatikern, gegen den Terrorismus von Staaten. Notwendig sei ein konstruktiver, demokratisch moderierter Dialog. "Denn das Allerletzte, was wir wollen, ist ein Kampf der Kulturen", betonte Paul.

Es sei wichtig gewesen, nach den Anschlägen die Wut und die Trauer zu teilen, es sei ebenso wichtig, sich den Rassisten, die jeweils montags demonstrierten, in den Weg zu stellen, erklärte Innenminister Ralf Jäger (SPD). Im Integrationsland Nordrhein-Westfalen lebten Menschen unterschiedlicher Nationen, Herkunft und Religionen friedlich zusammen. Die Qualität des Zusammenlebens sei auch Folge eines erfolgreich praktizierten Grundkonsenses im Landesparlament. Diese Gemeinsamkeit habe NRW stark und erfolgreich gemacht. In diesem Zusammenhang hob Jäger die jüngsten Demonstrationen für das gleichberechtigte und respektvolle Miteinander hervor. "An der Weltoffenheit Nordrhein-Westfalens werden auch die feigen Anschläge in Paris nichts ändern", unterstrich der Minister. Im Gegenteil: Um das gesellschaftliche Leben auch weiterhin erfolgreich zu entwickeln, sei Zuwanderung nötig. Dabei eine die Menschen christlichen, jüdischen und islamischen Glaubens ihre Ablehnung des religiösen Fanatismus.

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Quelle:
Landtag intern 1 - 46. Jahrgang, 29.1.2015, S. 4-5
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2015

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