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NORDRHEIN-WESTFALEN/2167: Diskussion um die Rolle des Ruhrgebietes (Li)


Landtag intern 11/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Diskussion um die Rolle des Ruhrgebietes
Experten-Anhörung zur geplanten Stärkung des Regionalverbands

Von Michael Zabka


16. Dezember 2014 - Der Regionalverband Ruhr (RVR) stand im Mittelpunkt einer Anhörung im Kommunalausschuss. Konkret ging es um den Entwurf eines Gesetzes, mit dem die Landesregierung den Verband stärken will.


Der RVR habe sich als "starke Klammer für das Ruhrgebiet" erwiesen, heißt es im Entwurf der Landesregierung (Drs. 16/6866). Das neue Gesetz solle dazu beitragen, die Zusammenarbeit der Städte und Kreise weiter zu verbessern, um den andauernden Strukturwandel zu fördern.

Diese Absicht begrüße man, sagte Dr. Helmut Fogt vom NRW-Städtetag. Allerdings müsse die Chancengleichheit gewahrt bleiben. Daher müssten auch andere regionale Zusammenschlüsse und Kooperationen staatlich gefördert und unterstützt werden. Dr. Marco Kuhn (Landkreistag NRW) hielt das Ziel der Landesregierung zwar für sinnvoll, den Entwurf aber politisch und rechtlich für fragwürdig. Unter anderem führte er in diesem Zusammenhang die geplante Direktwahl der Verbandsversammlung an. "Kritisch bis ablehnend" äußerte sich Hans Gerd von Lennep (Städte- und Gemeindebund NRW), er sprach von einem Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. Beide Sprecher fürchteten eine Sonderstellung des Ruhrgebiets. So sah es auch Reinold Stücke, Vorsitzender des Regionalrats Detmold. In seiner Stellungnahme warnte er davor, "die Grundstruktur des Landes durch Schaffung einer Megaregion zulasten der Ballungsrand- bzw. ländlichen Regionen" zu verändern.

Grundsätzliche Zustimmung signalisierte der Landschaftsverband Rheinland. Die Chancengleichheit zwischen den Regionen dürfe aber nicht beeinträchtigt werden, so Ulrike Lubek. Sollte beim RVR eine Direktwahl ermöglicht werden, müsse dies auch für alle anderen höheren Kommunalverbände in NRW gelten. Dass eine solche Direktwahl die Identifikation der Bevölkerung mit dem Verband oder der Metropolregion erhöhen könnte, bezweifelte Matthias Löb vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe. In seiner schriftlichen Stellungnahme sprach er von einer "sachlich nicht begründbaren, einseitigen Bevorzugung des RVR". Zudem sei die geplante Größe der Verbandsversammlung von 91 direkt gewählten Mitgliedern überdimensioniert.

Der Regionalverband Ruhr müsse nachhaltig verankert werden, so Hansjörg Gebel (Piraten in der Kommunalpolitik in NRW). Von einer Bevorzugung des Verbands könne keine Rede sein. Im Gegenteil: Bislang werde das Ruhrgebiet als eigenständige Region nicht angemessen repräsentiert.

"Die Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen unterstützen das Vorhaben, die Zusammenarbeit der Kommunen im Land zu stärken", erklärte Karl-Friedrich Schulte-Uebbing. Gleichwohl befürchte man aufgrund höherer Kosten Schaden für den Wirtschaftsstandort NRW. Eine interkommunale Zusammenarbeit sei zudem bereits heute möglich. "Ernste verfassungsrechtliche Bedenken" meldete Prof. Dr. Janbernd Oebbecke (Westfälische Wilhelms-Universität Münster) an. Gemeinden müssten grundsätzlich selbst entscheiden, welche Aufgaben sie zusammen mit anderen übernehmen - schon deshalb sei ein Zwangsverband der falsche Weg.

Der Verein "pro Ruhrgebiet" sieht den Gesetzentwurf "als wichtigen Schritt zur Verbesserung der Entwicklungsmöglichkeiten der Metropole Ruhr". Er bündele Kooperationen von Gebietskörperschaften auf einer regionalen Ebene. Kritisch merkte Vorstandsmitglied Dr. Ute Günther jedoch an, dass der RVR als einziger Gemeindeverband in NRW von Schlüsselzuweisungen und der Investitionspauschale des kommunalen Finanzausgleichs ausgeschlossen sei.

Helmut Diegel, ehemaliger Regierungspräsident des Regierungsbezirks Arnsberg, sah im Gesetzentwurf einen "ersten Schritt zu einer Entwicklung, die das Ruhrgebiet stärkt und nicht weiter schwächt". Er verstehe die Ängste vor einer Metropolregion nicht, die Region brauche ein eigenes Parlament mit eigenen Abgeordneten. "Wir begrüßen das Vorhaben außerordentlich", sagte Dr. Josef Hülsdünker (Deutscher Gewerkschaftsbund). Es helfe, Kirchturmdenken zu überwinden.

Karola Geiß-Netthöfel, Regionaldirektorin des Regionalverbands Ruhr, bedankte sich für den Gesetzentwurf. Das Gesetz solle es ermöglichen, weitere Aufgaben zu übernehmen, sagte sie. Man strebe eine bessere Vernetzung an und wolle "anderen nichts wegnehmen".


ZIELE
Die Funktion des RVR als administrative und politische Klammer der Metropole Ruhr soll ausgebaut werden. Das soll u. a. dadurch geschehen, dass der Katalog der freiwilligen Aufgaben und Kooperationsprojekte (Klimaschutz, Nutzung erneuerbarer Energien, Verkehrsentwicklungsplanung, Vernetzung der Europaarbeit) erweitert wird.

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Quelle:
Landtag intern 11 - 45. Jahrgang, 17.12.2014, S. 16
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2015

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