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NORDRHEIN-WESTFALEN/2161: Regierung will aktivierenden Strafvollzug (Li)


Landtag intern 10/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Regierung will aktivierenden Strafvollzug
Neues Gesetz soll im Dezember beschlossen werden

Von Christoph Weißkirchen



Der Schutz von Leib und Leben ist eine der zentralen Aufgaben des Staates. Daraus ergeben sich das Gewaltmonopol und die Verpflichtung, Unrecht zu ahnden. In der Bundesrepublik Deutschland lag bis zum Jahr 2006 die Regelung des Strafvollzugs in der alleinigen Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Das änderte sich mit der Föderalismusreform I, die den Ländern die Möglichkeit gab, beim Strafvollzug eigene landesrechtliche Regeln zu beschließen.


Das Land Nordrhein-Westfalen geht diese Aufgabe Schritt für Schritt an. So wurden zunächst für den Jugendstrafvollzug sowie für den Jugendarrestvollzug eigene Landesgesetze erlassen. Im letzten Jahr folgte dann die Sicherungsverwahrung. Nunmehr hat die Landesregierung den Entwurf eines Strafvollzugsgesetzes vorgelegt (Drs. 16/5413). Die Beratungen im zuständigen Rechtsausschuss laufen (siehe auch Seite 13); die zweite und damit endgültige Lesung im Plenum soll noch dieses Jahr erfolgen.

Dem Regierungsentwurf vorausgegangen war ein eigener Vorschlag der CDU (Drs. 16/4155). Beide sprechen gleiche Punkte an, unterscheiden sich aber in ihren Antworten.


Resozialisierung als Ziel

Ihr Ansatz beruhe auf dem Gedanken eines "aktivierenden Strafvollzugs", schreibt die rot-grüne Regierung. Auf der Grundlage einer "sorgfältigen Diagnostik", einer "individuell zugeschnittenen Behandlung" und einer auf "Motivierung gerichteten Vollzugsplanung" möchte sie das "Fördern und Fordern" in den Mittelpunkt stellen. Während des Strafvollzugs soll also schon an die Zeit danach gedacht - und auf sie hingearbeitet werden. Konkret heißt das: Um soziale Kontakte zu erhalten, will man zum Beispiel die Regelbesuchszeit der Gefangenen auf zwei Stunden im Monat erhöhen. Für den Besuch minderjähriger Kinder sollen zwei weitere Stunden in Anspruch genommen werden können.

Einen möglichst großen Stellenwert soll in der Praxis auch der offene Strafvollzug erhalten. Er wird zwar nicht als Regelvollzugsform definiert, aber inhaltliche Vorgaben sollen gewährleisten, dass er auch tatsächlich angewandt wird. Erweitert werden soll der Kreis der Straftäter, die zur Sozialtherapie zugelassen werden. Damit will man eine zu starke Einengung der Vorschriften auf Sexualstraftaten vermeiden. Daneben will man zur Betreuung ehemaliger Gefangener sozialtherapeutische Nachsorgeambulanzen einrichten. Dieses Angebot soll auch dem "bestmöglichen Schutz der Bevölkerung" dienen.

Der Entwurf will ebenfalls die Bestimmungen zur schulischen beziehungsweise beruflichen Bildung, der Vergütung von Arbeit sowie der Gesundheitsfürsorge neu ordnen. Ein wichtiger Punkt ist die Neudefinition von Disziplinarmaßnahmen. Diese sollen künftig nicht allein einen strafenden, sondern auch einen pädagogischen Effekt haben. Mit Blick auf die gewünschte Resozialisierung der Gefangenen sieht der Gesetzentwurf erweiterte Regelungen zur Entlassungsvorbereitung sowie zum sogenannten Übergangsmanagement vor. Darin wird die Zusammenarbeit der Justizvollzugsanstalten (JVA) mit öffentlichen Stellen, freien Trägern und anderen Organisationen, die der Wiedereingliederung der Gefangenen förderlich sein könnten, betont.

Zu nennen ist auch die Hervorhebung des Opferschutzes im geplanten Landesrecht. Dieser umfasst zum Beispiel den Schutz von opferrelevanten Daten sowie die Erteilung von Auskünften an Opfer.

Im Gegensatz zur Regierung betont die CDU in ihrem Antrag, die Eingliederung der Gefangenen und die Sicherheit der Allgemeinheit seien gleichrangige Aufgaben des Strafvollzugs. So sollen für sogenannte vollzugsöffnende Maßnahmen strenge Prüfmaßstäbe gelten. Arbeit sei das zentrale Mittel der Eingliederung, so die CDU. Gefangene sollen an ihrer Eingliederung aktiv mitarbeiten. Der Antrag der CDU sieht vor, dass Vorschriften zum Schutz der Anstalten, der Gefangenen und der Bediensteten ein "Höchstmaß an Sicherheit und Ordnung" gewährleisten sollen.


Mehr Stellen

Der von der Landesregierung angestrebte Ansatz im Strafvollzug bedeutet mehr Arbeit. Daher wurden bereits im Landeshaushalt 2011 vor allem für die psychologischen und sozialen Fachdienste 50 neue Stellen eingerichtet. Jetzt sollen in der Sozialtherapie 63 sowie für Behandlungsuntersuchungen weitere 47 neue Stellen geschaffen beziehungsweise vorhandene umgewandelt werden. Hinzu kommen 16 zusätzliche Stellen im Bereich des erhöhten Besuchskontingents und neun für die sozialtherapeutischen Nachsorgeambulanzen. Für die insgesamt 135 neuen Stellen rechnet die Landesregierung mit Mehrkosten von 4,8 Millionen Euro im Jahr, hinzu kommen rund 450.000 Euro für Sachmittel.

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Quelle:
Landtag intern 10 - 45. Jahrgang, 3.12.2014, S. 9
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2015


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