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NORDRHEIN-WESTFALEN/2104: Armutsmigration aus Osteuropa (Li)


Landtag intern 5/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Plenum Armutsmigration aus Osteuropa
Kontroverse Debatte über Missbrauch staatlicher Leistungen

Von Daniela Braun



10. April 2014 - Im Plenum hat der Landtag über die Rahmenbedingungen und Folgen der Armutszuwanderung aus Osteuropa debattiert. Basis waren zwei Anträge der CDU, in denen diese unter anderem auf ausbeuterische Strukturen sowie den Missbrauch staatlicher Leistungen hinweist. Sie befürchtet zudem, dass Rechtspopulisten die aus der Armutsmigration resultierende kommunale Belastung zur billigen Stimmungsmache nutzen könnten, und rief zur Hilfe für die Kommunen auf. Von den anderen Fraktionen kam teils heftige Kritik.


Während im Jahr 2008 deutschlandweit unter dem Strich etwa 18.500 Menschen aus Bulgarien und Rumänien hinzugekommen seien, liege der Wert für das Jahr 2012 bei knapp 75.000 Menschen, erläuterte Peter Biesenbach (CDU): "Das ist eine Vervierfachung binnen vier Jahren." Viele der Zugewanderten hätten weder Schul- noch Berufsabschluss und damit keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Dies führe vor Ort zu Spannungen. So wandte sich Biesenbach unter anderem gegen den Missbrauch von Kindergeld sowie von Hartz-IV-Leistungen. Hier müsse die Regierung - ebenso wie bei den Voraussetzungen für die Freizügigkeit - auf eine stärkere Kontrolle hinwirken.

Der Landtag habe längst vereinbart, zunächst Anhörungen zu den Fragen durchzuführen, zeigte sich Ibrahim Yetim (SPD) angesichts der Anträge irritiert: "Warum halten Sie sich nicht an diese Verabredung?" Sicher habe die Osterweitung zu einem Wohlstandsgefälle in der EU geführt - den damit verbundenen Herausforderungen begegne die Politik aber bereits. So erhalte etwa Duisburg 3,2 Millionen Euro Fördermittel. Yetim warf der CDU daher vor, das Thema Integration wider die interfraktionelle Vereinbarung zur billigen Stimmungsmache im Wahlkampf zu instrumentalisieren: "Wer den demokratischen Konsens aufbricht, macht die Rechten salonfähig."

"Nordrhein-Westfalen ist ein Einwanderungsland", unterstrich die GRÜNEN-Abgeordnete Verena Schäffer. Ihre Fraktion begreife dies als große Chance für eine pluralistische Gesellschaft. Die CDU-Anträge aber stigmatisierten die Gruppe der Roma. Schäffer forderte die CDU auf, mit Forderungen nach Abschiebung und Kindergeldkürzungen in Bezug auf bestimmte ethnische Gruppen aufzuhören. "Stattdessen brauchen wir Integrationsangebote", betonte sie. Alle Menschen gleich welcher Herkunft hätte das Recht, in Deutschland zu leben. Bei der Integration müsse NRW geschlossen vorgehen. Es bringe nichts, wenn einige kurz vor den Kommunalwahlen ausscherten.

Die Zuwanderungsdebatte vertrage keine groben Vereinfachungen, erklärte Dr. Joachim Stamp (FDP). Er warnte davor, Menschen mit pauschalen Vorurteilen zu verschrecken, denn nur mit Migration lasse sich der hiesige Wohlstand halten. "Die Würde eines jeden Menschen ist unantastbar", betonte der Abgeordnete. Alle hätten die gleichen Rechte und Pflichten. Deshalb müsse man aber neben den Chancen auch über die Defizite der Zuwanderung sprechen. Sich über die Probleme auszuschweigen, helfe niemandem. Zudem forderte Stamp eine Soforthilfe für die von Armutsmigration betroffenen Kommunen sowie eine Reform des automatischen Sozialleistungsanspruchs.

"Die beiden Anträge zusammen sind schizophrene Politik", rief die PIRATEN-Abgeordnete Simone Brand der CDU-Fraktion zu. Der eine beinhalte einen klaren Appell an die Willkommenskultur, der andere hingegen spiele mit den diffusen Ängsten der Bevölkerung und suggeriere große kriminelle Energien der Zugewanderten. Dies sei zahlenmäßig jedoch nicht zu belegen. Die Politikerin warf der antragstellenden Fraktion vor, Populismus auf dem Rücken der Schwachen zu betreiben. Insgesamt vermisste sie dabei ein klares Bekenntnis zur Arbeitnehmerfreizügigkeit. Das Motto "Wer betrügt, der fliegt" berge die Gefahr, die Freizügigkeit sukzessive auszuhebeln.

Die Regierung organisiere die Unterstützung für die Kommunen bereits, reagierte Arbeits- und Sozialminister Guntram Schneider (SPD). Nicht die Zahl der Zuwanderer, sondern die Konzentration auf bestimmte Städte sei die Herausforderung für NRW. Schneider lobte daher den Entschluss des Bundes, den besonders betroffenen Kommunen mit rund 200 Millionen Euro helfen zu wollen. Hinsichtlich der Sozialleistungen sagte er: "Missbrauch muss bekämpft werden." Dies richte sich aber an alle. Schneider warnte davor, einzelne Ethnien herauszugreifen und mit Kriminalität in Verbindung zu bringen. Von Roma-Problemen zu sprechen, sei blanker Populismus.


WEITERE BERATUNG
Die beiden Anträge der CDU-Fraktion (Drs. 16/5489, Drs. 16/5490) hat der Landtag an den Innenausschuss zur federführenden Beratung überwiesen. Zudem werden sich der Integrationsausschuss sowie die Ausschüsse für Arbeit, Gesundheit und Soziales, für Schule und Weiterbildung, für Kommunalpolitik und für Europa und Eine Welt mit dem Thema befassen.

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Quelle:
Landtag intern 5 - 45. Jahrgang, 14.5.2014, S. 4
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2014