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NORDRHEIN-WESTFALEN/2083: Kitaausbau im Spannungsfeld zwischen Anspruch und Förderrichtlinien (Li)


Landtag intern 2/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Elternwille und Kindeswohl
Kitaausbau im Spannungsfeld zwischen Anspruch und Förderrichtlinien

Von Jürgen Knepper



13. Februar 2014 - Seit es einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter-dreijährige Kinder (U3) gibt, werden offenbar mancherorts die Plätze in den Einrichtungen für die Über-Dreijährigen (Ü3) knapp. Einzelfälle oder ein tiefergehendes strukturelles Problem? Die CDU-Fraktion fordert in ihrem Antrag (Drs. 16/4431), Versorgungsengpässe in der Ü3-Betreuung ernst zu nehmen und frühzeitig zu beseitigen. Dazu hörte der Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend Sachverständige an.


Das Problem sei in den Griff zu bekommen, zeigte sich Reiner Limbach von der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW überzeugt. In der Regel zielten Ausbau und Planung darauf ab, dass Kinder bis zum Schuleintritt ihre Kindertageseinrichtung nicht verlassen müssten; das sei auch nicht wünschenswert. Im Antrag würden Einzelfälle aufgegriffen. Angesichts der strikten Bestimmungen des Förderrechts regte Limbach eine flexiblere Handhabung an. So sei etwa die Anpassung der Rahmenbedingungen für die Zukunft wünschenswert.

Die Notwendigkeit des weiteren Ausbaus unterstrich Heinz-Josef Kessmann von der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtpflege. Das Wohl des Kindes schließe sowohl die dauerhafte Überbelegung der Gruppen als auch die Kündigung von Plätzen durch den Träger aus. Es gehe nicht an, dass Eltern künftig keine Chance auf einen Kindergartenplatz hätten, wenn sie ihr Kind erst ab dem vollendeten dritten Lebensjahr anmelden. Land, Kommunen und Träger hätten die Aufgabe, weitere Plätze aus- und Übergangslösungen abzubauen.

Dr. Carola Schneider und Klaus-Heinrich Dreyer von den Landschaftsverbänden Rheinland und Westfalen-Lippe verwiesen als Sprecher der Landesjugendämter auf die Rechtslage, wonach in einzelnen mit Mitteln des "Ausbauprogramms U3" geförderte Kitas freiwerdende Plätze mit neu aufzunehmenden U3-Kindern belegt werden müssten - auch wenn Kinder, die inzwischen über drei Jahre alt seien, die Einrichtung verlassen müssten. Als Lösungsmöglichkeiten sahen sie eine vorübergehende Überbelegung, Anmietung benachbarter Gebäude und die Schaffung weiterer Kapazitäten für Ü3-Kinder.


Unkonventionelle Wege

Die Stadt Bielefeld habe, so ihr Sprecher Tim Kähler, das Problem mit einer frühzeitigen konzentrierten und koordinierten Ausbauplanung in den Griff bekommen. Dabei habe man auch unkonventionelle Wege beschritten. So sei mit der Kommunalen Wohnungsbaugesellschaft eine Modul-Kita entwickelt worden: eine dreigruppige Einrichtung mit gemischten Gruppenformen. Pro Einrichtung seien jeweils 30 neue Betreuungsplätze für Ü3-Kinder geschaffen worden.

In Köln gehe man von ständig steigenden Kinderzahlen aus, mit denen der Ausbau Schritt halten werde, erklärte Dr. Agnes Klein, die fachlich zuständig Beigeordnete der Stadt. In relativ kurzer Frist habe sich die Zahl der U3-Plätze annähernd verfünffacht, "gleichzeitig ist die Zahl der Ü3-Plätze in den letzten Jahren nicht etwa gesunken, sondern konnte in einem ersten Schritt konstant gehalten werden, um sie nunmehr zu steigern". Im Jahr 2013 seien in Köln 19 neue Kindertagesstätten realisiert worden, neun weitere Kitas würden aktuell angestrebt.

Von einer anderen Situation berichtete Axel Linke aus dem westfälischen Rheine. Dort hatte man aufgrund einer unzureichenden Prognose die Zahl der U3-Plätze zulasten der Ü3-Kapazität erhöht. Gerade in ländlich strukturierten Räumen sei es schwierig, eine an den Bedarfen und Bedürfnissen der Familien orientierte Kitaplanung vorzunehmen. Dazu schwankten die Geburtenjahrgänge zahlenmäßig zu sehr. Das mache es schwer, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen U3- und Ü3-Plätzen zu erreichen.

Markus Quetting, Vorsitzender des Landeselternbeirats, plädierte dafür, dass Eltern ihre Entscheidungsfreiheit behalten und dass der Elternwille beachtet werden müsse. So seien Kündigung oder Befristung kein Mittel. Der Sprecher vermisste eine ganzheitliche Kitaplanung. Der U3-Ausbau durch viele Träger sei durch die Fördergelder beeinflusst, der Ü3-Ausbau dagegen vernachlässigt worden.

Die Tagespflege habe Angst, im Spannungsfeld zwischen U3- und Ü3-Betreuung "wegrationalisiert" zu werden. Hinzu komme, dass sie von Jugendämtern oft nicht gern gesehen werde, klagte die Tagesmutter Barbara Lieske aus Leichlingen. Dabei sei der Erfolg der U3-Betreuung in den Kleingruppen der Tagespflege nachgewiesen. Die Plätze in den Kitas sollten nach ihrer Ansicht vor allem den Ü3-Kindern gehören.

Tilman Fuchs vom Kreisjugendamt Steinfurt fand, es sei nicht neu, wenn ein Platz in einer speziellen Einrichtung nicht vorhanden sei; Wartelisten habe es schon vor dem U3-Ausbau gegeben. Die jetzt auftretenden Probleme würden sich im Lauf der Zeit voraussichtlich reduzieren.

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Quelle:
Landtag intern 2 - 45. Jahrgang, 19.2.2014, S. 15
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2014