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NORDRHEIN-WESTFALEN/2072: Fachleute streiten über EU-Pläne zu Riesen-Lkw (Li)


Landtag intern 1/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

40 Tonnen auf 25 Metern
Wie lang darf es werden? Fachleute streiten über EU-Pläne zu Riesen-Lkw



17. Januar 2014 - Die EU will ihren Mitgliedstaaten erlauben, überlange Lastwagen von bis zu 25,25 Metern bald auch grenzüberschreitend fahren zu lassen. Bislang ist dies auf einzelne Länder begrenzt. In Deutschland gewähren derzeit nur wenige Bundesländer testweise den Einsatz von Gigalinern mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 40 Tonnen (Kombiverkehr 44 Tonnen). NRW ist nicht mit von der Partie - zum Unverständnis der Speditionsbranche, wie sich nun auch in einem von der Piratenfraktion beantragten Expertengespräch im Europaausschuss zeigte (Drs. 16/2896). Hingegen befürchten Gegner der Riesen-Laster, dass die neuen EU-Pläne zum Einfallstor für noch schwerere Lang-Transporter werden.


"Es gibt gar keinen Grund, sie einzuführen", wehrte sich Dirk Flege von der Allianz pro Schiene im Europaausschuss des Landtags gegen die Pläne der EU. Gerade für NRW seien Gigaliner-Fahrten eine heikle Angelegenheit. Immerhin habe sich das Land bislang dagegen ausgesprochen - doch was, wenn auf Bundesebene die Durchfahrterlaubnis erteilt würde, fragte Flege: "Es würde eine heillose Verwirrung geben." Zudem bezeichnete er die extralangen Transporter als gefährlich und umweltschädlich: Billiger und damit steigender Lkw-Verkehr bedeute mehr CO2.

"Der Verkehr frisst all das auf, was in anderen Sektoren mit Milliardeninvestitionen erreicht ist", kritisierte der EU-Abgeordnete Michael Cramer in Hinblick auf die EU-Klimaziele. Ähnlich bewertete dies Matthias Pippert von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft: "Wir sehen in den Lang-Lkw überhaupt keine ökologischen Vorteile." Er könne nicht nachvollziehen, wofür man den Gigaliner brauche, wo es doch die Perspektive einer CO2-freien Bahn gebe. Über den Langin den Schwer-Lkw einzusteigen, sei sicher ein unausgesprochenes Ziel vieler Akteure in der Branche, so der Gewerkschafter. Entsprechende Änderungsanträge lägen längst schon vor, pflichtete Cramer bei: "Das ist verrückt!"

Lang-Lkw als Lösung für ein kleines Segment

Schwerere Gigaliner stünden hierzulande nicht zur Diskussion, entgegnete der Unternehmer Siegfried Serrahn von der Spedition + Logistik GmbH und warnte vor blinder Panikmache. "Fakt ist, dass der Lang-Lkw einen Kostenvorteil gegenüber dem Standard-Lkw von 15 bis 20 Prozent hat", unterstrich Hans-Paul Kienzler von der Verkehr-Beratungsfirma Progtrans. Verkehre würden sich wohl verlagern. Trotzdem müsse allen klar sein, dass die in Deutschland möglichen Gigaliner nur für bestimmte leichte Güter von Vorteil seien. Schließlich werde das bislang zulässige Maximalgewicht von 40 Tonnen einfach auf einen längeren Transporter mit mehr Volumen verteilt. "Lang-Lkw sind eine Lösung für ein kleines Segment", bestätigte Marcus Hover vom Verband Verkehrswirtschaft und Logistik NRW.

Sein Verbandskollege Dr. Christoph Kösters betonte außerdem, es grenze an Fantasie, zu glauben, alle Güterverkehre auf die Schiene bringen zu können. Dort gebe es jetzt schon Engpässe: "Wir müssen vielmehr einen comodalen Ansatz wählen", forderte Kösters. Sprich: Alle Verkehrsträger verbessern, um den wachsenden Güterverkehr zu bewältigen. Dies sei das schlagende Argument, stimmte die EUAbgeordnete Gesine Meißner zu.

Kompliziertere Überholmanöver auf Autobahnen

Der Verband Spedition und Logistik NRW könne jedenfalls nicht nachvollziehen, warum NRW anders als etwa Hessen nicht bei den Testversuchen mitmische, kritisierte Dr. Rüdiger Ostrowski: "Hat man etwa Angst vor dem Erfolg des Systems?" Die Sorge, dass Güterverkehre massenweise von Schiene und Schiff auf Logisdie Straße abwanderten, sei völlig unbegründet, befand der Verbandssprecher wie auch die EU- Abgeordnete Meißner. Es gehe doch nicht um einen flächendeckenden Gigaliner-Einsatz, sondern lediglich um spezielle Strecken.

Was die Straßen betrifft, rechnet der Landesbetrieb Straßenbau NRW zumindest bei 40-Tonnen-Gigalinern nicht mit zusätzlichen Schäden, so der Geschäftsführer Ralf Pagenkopf. Anders sehe dies allerdings aus, falls das zulässige Gesamtgewicht der Lang-Laster weiter hochgeschraubt würde. Zudem rechnet Pagenkopf bereits bei der Light-Version mit Herausforderungen für den Straßenverkehr: Das Auffahren auf die Autobahn oder Überholmanöver könnten sich mitunter als schwieriger erweisen und der Straßenverkehr werde wohl auch weniger flüssig rollen.


AKTUELLE REGELUNG:
Deutschlandweit sind nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung derzeit grundsätzlich Fahrzeuge mit einem maximalen Gesamtgewicht von 40 Tonnen (Kombiverkehr 44 Tonnen) sowie einer Maximallänge von 18,75 Metern zugelassen. Auf Basis der EU-Richtlinie 96/53/EG haben einige Bundesländer darüber hinaus versuchsweise den Einsatz von bis zu 25,25 Meter langen 40-Tonnern/44-Tonnern freigegeben.

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Quelle:
Landtag intern 1 - 45. Jahrgang, 29.1.2014, S. 13
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. März 2014