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NORDRHEIN-WESTFALEN/2049: Einhaltung des Tarifvertrags beim Stahlkonzern Outokumpu (Li)


Landtag intern 10/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Versprochen, gebrochen?
Landtag pocht auf Einhaltung des Tarifvertrags beim Stahlkonzern Outokumpu
Plenarbericht

Von Sonja Wand



16. Oktober 2013 - Die Tariftreue ist in Deutschland ein hohes Gut, birgt sie doch nach einem Ringen um einen Kompromiss zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung Planungssicherheit für beide Seiten für den im Vertrag geregelten Zeitraum. Einen Vertragsbruch werteten alle Landtagsfraktionen grundsätzlich als Schlag ins Gesicht der Betroffenen und zugleich als Vertrauensverlust für die Tarifautonomie. Konkret geht es um die Ankündigung des finnischen Stahlkonzerns Outokumpu, entgegen des Tarifvertrags den Standort Bochum statt Ende 2016 bereits im Laufe des kommenden Jahres schließen zu wollen. Auf Grundlage eines Eilantrags von SPD und GRÜNEN (Drs. 16/4212) diskutierte der Landtag über mögliche Konsequenzen. Von der Besuchertribüne des Plenarsaals aus lauschten auch Betriebsräte des Konzerns gespannt der Debatte.


Thomas Eiskirch (SPD) warb dafür, gemeinsam dafür zu sorgen, dass Tarifbrüche künftig in Deutschland Konsequenzen nach sich zögen und die gesetzliche Möglichkeit bestehe, Sanktionen auszusprechen. Es gehe bei dem Fall schließlich um zweierlei: um die Menschen, die bei Outokumpu in Bochum ihren Arbeitsplatz hätten, und um einen Angriff auf die soziale Marktwirtschaft in Deutschland. Der Abgeordnete erinnerte an die Situation Anfang 2012, als der finnische Konzern die Nirosta-Sparte von Thyssen Krupp gekauft habe: Auch damals habe es schon Überkapazitäten gegeben. Man habe also gewusst, worauf man sich einlasse.

"Mit dem vorliegenden Antrag soll zum Ausdruck gebracht werde, dass die rot-grüne Regierungskoalition die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen im Blick hat", erklärte Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE). Denn was nützten noch Gespräche, wenn sich eine Vertragsseite nicht an geltende Vereinbarungen halte?, fragte sie und betonte die Wichtigkeit von Vertrauen. Beisheim erinnerte an einen ähnlichen Fall aus dem April dieses Jahres und kündigte an, alle Mittel zu nutzen, um Outokumpu seine Verantwortung bewusst zu machen und generell die Möglichkeiten zum Bruch von Tarifverträgen zu begrenzen.

Auch Peter Preuß (CDU) wertete die angekündigte Schließung, die mit 450 verlorenen Arbeitsplätzen verbunden wäre, als herben Schlag ins Gesicht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Verträge seien einzuhalten. Neue Gesetze brauche man dazu aber nicht: Tarifverträge hätten bereits Gesetzesstatus. "In dieses von der Verfassung geschützte und funktionierende System wollen wir und sollten wir nicht eingreifen", argumentierte Preuß. Die CDU habe volles Vertrauen in die Betriebsräte und Gewerkschaften, die Interessen der Beschäftigten notfalls auch mithilfe der Gerichte zu vertreten und durchzusetzen.

"Sie wollen am Exempel Outokumpu weitere Drangsalierungen ableiten, um der deutschen Wirtschaft, insbesondere der auf Aufsichtsratsebene nicht mitbestimmten Wirtschaft, den Saft abzudrehen", kritisierte Ulrich Alda (FDP) und bezeichnete den Eilantrag als Verschlimmbesserung. Die rechtliche Verbindlichkeit von Tarifverträgen sei so hoch, dass weitere Regelungen nur den vielen Firmen schadeten, die sich korrekt verhielten. Nach seinen Informationen, sagte Alda, wolle der Konzern sich an die Tarifverträge halten. Die Arbeitnehmerseite habe alle rechtlichen Mittel an der Hand, falls es anders komme.

Auch ihr gegenüber habe Outokumpu in einem Brief bestritten, dass ein Tarifvertrag gebrochen werde, berichtete die Bochumerin Simone Brand (PIRATEN). Stattdessen heiße es: "Es ist unumgänglich, einige Bestandteile des bestehenden Tarifvertrags anzupassen." Appelle an das soziale Gewissen des Unternehmens hälfen nicht weiter, meinte Brand. "Der richtige Ansatz ist es, Vertragsbrüche zu sanktionieren, und zwar in einer Heftigkeit, dass es auch weh tut." Denn hier gehe es nicht um privatrechtliche Verträge zweier gleichberechtigter Partner, sondern um die Existenzgrundlage von Menschen und ihren Familien.

Das Vorgehen des Konzerns entspreche nicht der Industriekultur in NRW, kritisierte Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD). "Deshalb müssen wir diesen Vorgang auch skandalisieren!" Nicht trotz, sondern wegen der Mitbestimmung und des Tarifvertragssystems sei NRW industriell vorangekommen. Vertragstreue und soziale Partnerschaft seien keine Sahnehäubchen für gute Zeiten, sondern insbesondere dafür da, auch in vermeintlich schlechten Zeiten Bestand zu haben. Im Übrigen gehe es um die Erhaltung von Wertschöpfungsketten. Vor diesem Hintergrund seien nicht 450 Arbeitsplätze in Gefahr, sondern viermal so viele.


ZUSTIMMUNG
Der Eilantrag (Drs. 16/4212) wurde mit den Stimmen von SPD, GRÜNEN und PIRATEN gegen die Stimmen von CDU und FDP angenommen.

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Quelle:
Landtag intern 10 - 44. Jahrgang, 27.11.2013, S. 5
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Dezember 2013