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NORDRHEIN-WESTFALEN/2022: Sorge um Wirtschaftsspionage in NRW (Li)


Landtag intern 7/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

PLENUM
Lauschangriff per Datenkabel
Sorge um Wirtschaftsspionage in NRW

Von Sonja Wand



11. Juli 2013 - Auf Antrag der Piraten-Fraktion hat der Landtag über das Problem möglicher Wirtschaftsspionage durch staatliche Geheimdienste der USA und Großbritanniens debattiert. Unter Berufung auf Medienberichte schreibt die Fraktion in einem Antrag (Drs. 16/3434), der britische Geheimdienst habe unter anderem ein Glasfaserkabel ausgespäht, über das ein großer Teil der deutschen Übersee-Kommunikation abgewickelt werde. Somit habe er sich offenbar auch systematisch Zugang zu Internet- und Telefondaten aus Deutschland verschafft. Der US-amerikanische Geheimdienst überwache in Deutschland jeden Monat rund eine halbe Milliarde Kommunikationsdaten. Es gebe Hinweise, dass Überwachungsprogramme gezielt für Wirtschafts- und Industriespionage eingesetzt würden.


Daniel Schwerd (PIRATEN) forderte die Landesregierung und die anderen Fraktionen zum Handeln auf. Zunächst gelte es, das Ausmaß der Spionage aufzuklären. Zweitens müssten Unternehmen aufgeklärt werden, damit sie die Gefahr einschätzen und sich vor Abhörmaßnahmen schützen könnten. Drittens müsse die Landesregierung für die Förderung, Entwicklung und Herstellung von benutzerfreundlicher und lizenzfreier Kryptosoftware sorgen, mit der Geräte abhörsicher gemacht werden könnten. Viertens schließlich forderte der Abgeordnete eine Landes-Task-Force. Die Politik dürfe die Wirtschaft nicht allein lassen.

Auch Dietmar Bell (SPD) fand es skandalös, dass befreundete Staaten offenbar Unternehmensdaten ausgespäht hätten. Die Firmen seien damit ihrer Innovationskraft und ihres Wettbewerbsvorteils auf den internationalen Märkten beraubt worden. Die Höhe des wirtschaftlichen Schadens sei schwer zu schätzen, weil die Unternehmen kein Interesse hätten, sich als Opfer darzustellen. Der Verfassungsschutz betreibe zwar bereits eine Aufklärungskampagne, aber man müsse nun überlegen, welche weiteren Maßnahmen zu ergreifen seien. Traditionelle Sicherheitsinstrumente wie etwa eine Firewall reichten nicht mehr aus.

Es dürfe nicht sein, dass Innovationen aus NRW in den USA oder Großbritannien auf den Markt kämen, schloss sich Rainer Spiecker (CDU) seinen Vorrednern an. Überwachung sei allerdings kein spezifisches Landesthema, sondern gehe über Grenzen hinaus, bemerkte er. Deshalb habe der Bundesinnenminister bereits umfassende Aufklärung zugesagt. Spiecker zeigte sich alarmiert darüber, dass nicht mehr so sehr große Unternehmen Opfer von Wirtschaftsspionage seien, sondern zu einem großen Teil kleine und mittelständische Betriebe. Weil das diesen oft nicht bewusst sei, komme es besonders auf die Aufklärung an.

Matthi Bolte (GRÜNE) sah im Internet den Innovationsmotor unserer Zeit. Das aber setze das Vertrauen voraus, dass bestimmte Daten nur bestimmten Personen zugänglich seien. Durch die Digitalisierung entstünden im Datenschutz Dilemmata. So verwies er auf die vermehrte Nutzung von sogenannten Clouds, also die Auslagerung von Daten und damit verbundene mangelnde Kontrolle. Bolte sah den Spielball im Feld der Bundesregierung liegen, die aber untätig bleibe. Selbst die Aufklärung über den Skandal sei ihr nur lästig. Sie nehme ihren Schutzauftrag den Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen gegenüber nicht ernst.

Anlasslose Ausspähung fand auch Ralph Bombis (FDP) inakzeptabel. Er sprach sich aber dafür aus, keine voreiligen Schlüsse aus Medienberichten zu ziehen, sondern zunächst die Sache aufzuklären. "Niemand sollte überrascht tun", fügte er hinzu: Wer es habe wissen wollen, habe es auch wissen können. Statt auf Vereinbarungen zu warten, sei es für die Unternehmen nun am besten, ihre Daten im deutschen Rechtsraum zu belassen, sie zu verschlüsseln und nur sichere Cloud-Dienste zu nutzen. Auf Landesebene gehe es darum, vor allem ein Problembewusstsein bei den Unternehmen zu schaffen, erklärte Bombis.

"Wirtschaftsspionage trifft uns alle", sagte Innenminister Ralf Jäger (SPD). Arbeitsplätze gingen verloren, der Wirtschaftsstandort NRW werde beschädigt. Bei exportorientierten Unternehmen gehe es schnell um die Existenz. Mindestens genauso gravierend sei aber der Vertrauensverlust in das Unternehmen, ergänzte Jäger. In NRW gebe es bereits seit zwölf Jahren eine Sicherheitspartnerschaft zwischen Ministerien, Sicherheitsverbänden und der Wirtschaft. Zudem arbeite man daran, Vertrauen aufzubauen, damit Unternehmen Spionage meldeten. Auch der Verfassungsschutz kümmere sich intensiv um Spionageabwehr.


FACHBERATUNG
Der Antrag (Drs. 16/3434) und mögliche Maßnahmen sollen im Wirtschaftsausschuss und mehreren weiteren Fachausschüssen detailliert beraten werden.

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Quelle:
Landtag intern 7 - 44. Jahrgang, 24.7.2013, S. 5
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. August 2013