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NORDRHEIN-WESTFALEN/2015: Landtag debattiert über Gleichbehandlung von Internetinhalten (Li)


Landtag intern 6/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Ein Klick zu viel
Landtag debattiert über die Gleichbehandlung von Internetinhalten
Plenarbericht

Von Sonja Wand



16. Mai 2013 - Bisher gilt im Internet die sogenannte Netzneutralität: Alle Inhalte, die der Nutzer aufruft, werden gleich schnell durchs Netz geleitet und auf den Bildschirm gebracht. Nun aber hat die Telekom für Neukunden ihre Tarife umgestellt und bietet für Neuverträge anstelle von Flatrates, mit denen die Kundinnen und Kunden zu einem Festpreis unbegrenzt durchs Internet surfen können, Volumentarife an, bei denen für eine bestimmte Datenmenge bezahlt wird. Ist diese Datenmenge aufgebraucht, soll die Geschwindigkeit verringert werden, mit der die Internetinhalte auf dem Bildschirm landen. Kompliziert wird es, wenn trotz langsamen Datenflusses die eigenen Inhalte des Unternehmens oder von Partnern weiterhin mit der vollen Geschwindigkeit durchgelassen werden. Dann hat es mit der Neutralität im Netz ein Ende, da sind sich alle Landtagsfraktionen einig. SPD und GRÜNE haben ebenso wie die PIRATEN einen Antrag vorgelegt, der das Problem thematisiert (Drs. 16/2888 bzw. Drs. 16/2892). Was also tun?

Alexander Vogt (SPD) veranschaulichte seine Befürchtung: Man stelle sich vor, alle Straßen gehörten einem Unternehmen und dieses bestimme, nur die Autos einer bestimmten Marke dürften schnell fahren; alle anderen lediglich Schrittgeschwindigkeit. Das sei ebenso diskriminierend wie das Vorhaben der Telekom, bei gedrosselter Internetgeschwindigkeit eigene und Partner-Inhalte schnell durchzuleiten. Da die Bundesregierung nichts unternehme, um die Netzneutralität zu schützen, müsse eine Bundesratsinitiative im Sinne von Meinungsvielfalt und gleichberechtigtem Zugang nachhelfen.

Es gehe nicht allein um die Tarifreform der Telekom, sagte Matthi Bolte (GRÜNE). Es gelte, die jetzt aufgetretene Situation für die Zukunft unbedingt auszuschließen. Deshalb sei es dringend notwendig, eine Garantie der Netzneutralität im Telekommunikationsgesetz des Bundes festzuschreiben. Ohne eine solche gesetzliche Garantie drohe ein Zwei-Klassen-Internet und ernste Gefahr für die Meinungs- und Medienvielfalt im digitalen Zeitalter. Von der Netzneutralität profitierten im Übrigen auch innovative Unternehmen - wegen eines fairen Wettbewerbs und freier Marktzugänge.

"Die Freiheit des Internets steht auf dem Spiel", warnte Daniel Schwerd (PIRATEN). Daher forderte er, das Recht auf netzneutralen Internetzugang in der Verfassung zu verankern. Weil bei einer Drosselung der normale Aufbau einer Seite Minuten dauere, sei damit der Netzzugang funktional kaputt. Das sei, als ob der Stromanbieter einen Vertrag mit RTL II abschließe. Bei anderen Fernsehsendern werde dann nach 30 Stunden der Strom abgedreht. Nur finanzstarke Konzerne könnten sich von der Drosselung freikaufen. Darin sah der Abgeordnete einen Einstieg in das Zwei-Klassen-Internet.

"Im Ziel sind wir uns zu 100 Prozent einig. Netzneutralität ist unverzichtbar für mediale Vielfalt und journalistische Chancengleichheit", sagte Torsten Schick (CDU). Appelle an die Bundesregierung seien jedoch nicht nötig. Es gebe auf Bundesebene bereits einen Instrumentenkoffer, um die kritikwürdigen Bestrebungen der Telekom, die zu massiven Wettbewerbsverzerrungen führen könnten, auszubremsen. Die Landesregierung solle sich lieber darauf konzentrieren, mit den in NRW ansässigen Telekommunikationsunternehmen in einen engen Dialog zu treten, forderte der Abgeordnete.

Die Bundesregierung habe sich dazu bekannt, die Netzneutralität zu wahren, und den Grundsatz, dies zu gewährleisten, im Telekommunikationsgesetz verankert, erklärte Thomas Nückel (FDP). Natürlich gebe es Diskussionen, welche Wege zur Netzneutralität führten. Mit Blick auf die gesellschaftspolitische Dimension der Debatte riet er zur Besonnenheit. Darüber hinaus gelte es, den Datenschutz zu beachten. Die Frage der Abrechnung der verschiedenen Datenpakete müsse dringend überprüft werden. "Wie weit muss dazu der Internetkonsum des Einzelnen überwacht werden?", fragte Nückel.

"Wir gehen davon aus, dass eine gute gesellschaftliche, aber auch wirtschaftliche Entwicklung Netzneutralität braucht", unterstrich auch Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD). Er bedauerte, dass bei der letzten Neufassung des Telekommunikationsgesetzes auf eine klare Stellungnahme zur Netzneutralität verzichtet worden sei. Der Minister hoffte, dass sich im Laufe der weiteren Beratung eine gemeinsame Position der Fraktionen finden lasse, die sich dann aber in der Gesetzgebung des Bundes widerspiegeln müsse. Ansonsten nütze das Bekenntnis zur Netzneutralität nichts.


FACHBERATUNG

Der Landtag hat beide Anträge (Drs. 16/2888 und Drs. 16/2892) zur Fachberatung an den Ausschuss für Kultur und Medien überwiesen. Der Wirtschaftsausschuss soll mitberatend tätig werden.

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Quelle:
Landtag intern 6 - 44. Jahrgang, 26.6.2013, S. 9
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juli 2013