Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE

NORDRHEIN-WESTFALEN/2005: NRW bekommt ein Gesetz zum Jugendarrestvollzug (Li)


Landtag intern 5/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Erziehung statt Sanktionen
NRW bekommt ein Gesetz zum Jugendarrestvollzug

Von Sonja Wand



24. April 2013 - Nordrhein-Westfalen bekommt ein eigenes Gesetz speziell zum Jugendarrestvollzug (Drs. 17/746). Bisher war dies gesetzlich nur rudimentär im Jugendgerichtsgesetz und im Übrigen durch Rechtsverordnung und allgemeine Verwaltungsvorschriften geregelt. Neu ist, dass der Arrest pädagogischen Charakter bekommen und nicht mehr durch repressive Sanktionsmaßnahmen geprägt sein soll. Alle Fraktionen lobten die sachliche, konstruktive Arbeit am Gesetzentwurf, bewerteten manche Aspekte aber unterschiedlich.


"Wir werden mit diesem Beschluss dieses vielleicht etwas antiquierte Zuchtmittel des Arrests mit sehr konkreten pädagogischen Instrumenten anreichern", erklärte Sven Wolf (SPD). Als Highlight bezeichnete er die Möglichkeit der Konfliktlösung im Gespräch. Auch der Abschlussbericht solle Fähigkeiten sowie Förderund Entwicklungsmöglichkeiten der Jugendlichen nennen, statt nur Defizite aufzuzeigen. Damit solle auch eine bessere Verzahnung mit der Jugendhilfe und Jugendgerichtshilfe, die die Anschlussbetreuung übernehmen, möglich werden. Erfolgreiche Schul- und Berufslaufbahnen sollten durch den Arrest künftig weniger gestört werden, erklärte Wolf.

Letzteres aber könne dazu führen, dass die Strafe nicht mehr auf dem Fuße folge, wandte Jens Kamieth (CDU) ein. Der Abschreckungseffekt sei besonders groß, wenn die Jugendlichen den Arrest unmittelbar nach der Verurteilung antreten müssten, kritisierte der Abgeordnete den Ansatz, auf schulische und berufliche Verpflichtungen Rücksicht zu nehmen. Des Weiteren forderte er, auch die Möglichkeit zu Disziplinarmaßnahmen ins Gesetz aufzunehmen - als Ultima Ratio für besonders renitente Jugendliche. Kritikwürdig fand Kamieth auch, dass bestimmte Regelungen nur für den Dauerarrest und nicht für den Kurzzeit- oder Wochenendarrest gelten sollten.

Der Gesetzentwurf habe wegen seiner konsequenten pädagogischen Ausrichtung bundesweit Anerkennung erfahren, freute sich Dagmar Hanses (GRÜNE). Der CDU-Forderung nach Disziplinarmaßnahmen widersprach sie. Solche senkten die Rückfallquote nicht, dies sei längst wissenschaftlich belegt. Stattdessen würden im "Herzstück" des aktuellen Gesetzentwurfs weitergehende, bessere pädagogische Maßnahmen wie Wiedergutmachung und Entschuldigungen ausführlich beschrieben. Trotz des Prinzips "Strafe auf dem Fuße folgend" hielt Hanses es für sinnvoll, den Arrest gegebenenfalls in die Schul- oder Semesterferien zu legen, um Brüche im Lebenslauf zu vermeiden.

Dirk Wedel (FDP) sah im Gesetzentwurf gute Ansätze ebenso wie eklatante Mängel. Zu letzteren zähle ein "inakzeptabler Zweiklassenarrestvollzug". Die Mehrzahl der betroffenen Jugendlichen, nämlich die im Kurz- oder Freizeitarrest, würden schlechter gestellt. Auch Wedel betonte, dass die Sanktion der Tat auf dem Fuße folgen müsse, damit für die Jugendlichen der Zusammenhang zwischen Tat und Strafe erlebbar sei und eine lernpsychologische Wirkung eintreten könne. Außerdem forderte er, die Jugendlichen im Arrest allein unterzubringen. Darüber hinaus müssten die Vollzugsbediensteten im Umgang mit jungen Menschen pädagogisch geschult sein.

"Es liegt ein Entwurf auf dem Tisch, der positiv zu bewerten ist", sagte Dietmar Schulz (PIRATEN). Dazu hätten alle Fraktionen in einer erfreulich konstruktiven Weise zusammengearbeitet. Vor allem der pädagogische Ansatz habe seiner Fraktion sehr am Herzen gelegen. Grundsätzlich sei noch die Frage zu klären, ob Kurzarrest vor dem Hintergrund des pädagogischen Ansatzes überhaupt nötig, sinnvoll und praktikabel sei. Erfreulich fand der Abgeordnete, dass der Jugendarrest klar vom Erwachsenenvollzug getrennt werde. Wenn die Zeitspanne zwischen Tat und Strafe zu lang gerate, liege das nicht am Gesetz, sondern an seiner praktischen Umsetzung.

Die jungen Menschen sollten während des Arrestes befähigt werden, zukünftig eigenverantwortlich und ohne weitere Straftaten zu leben, beschrieb Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) das Ziel des Gesetzentwurfs. Trotzdem sei der Jugendarrest keineswegs ein ideales Erziehungsmittel. Es könne nur darum gehen, das Beste aus ihm zu machen. Deshalb orientierten sich alle Angebote an den Zielen, eigenverantwortlich zu handeln, die Rechte anderer zu respektieren und nicht straffällig zu werden. Während der Zeit von Freizeit- oder Kurzarrest, also in ein bis zwei Tagen, könne man allerdings keine nachhaltig erzieherische Wirkung erzielen.


BESCHLOSSEN
Mit den Stimmen von SPD, GRÜNEN und PIRATEN hat der Landtag den Gesetzentwurf (Drs. 16/746) gegen die Stimmen von CDU und FDP angenommen.

SICHERUNGSVERWAHRUNG
Mit einem zweiten Gesetz (Drs. 16/1435) hat der Landtag den Vollzug der Sicherungsverwahrung novelliert. Das Bundesverfassungsgericht hatte gefordert, dass sich dieser deutlich vom Strafvollzug unterscheiden müsse.

*

Quelle:
Landtag intern 5 - 44. Jahrgang, 15.5.2013, S. 8
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
Postfach 10 11 43, 40002 Düsseldorf
Telefon (0211) 884-25 45, -21 07, -23 09, -23 04
Telefax (0211) 884-35 51
email@landtag.nrw.de
Internet: www.landtag.nrw.de, www.landtagintern.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Mai 2013