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NORDRHEIN-WESTFALEN/2004: Politische Polizeiführung? (Li)


Landtag intern 5/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Politische Polizeiführung?
FDP: Auswahlverfahren ändern - Regierung: Zivile Führung beibehalten

Von Christoph Weißkirchen



24. April 2013 - Die Führungsetage der Polizei rekrutiert sich nicht aus Polizeibeamtinnen und -beamten des höheren Dienstes, sondern aus zivilen Personen. Dies habe einen politischen Beigeschmack, kritisierte die FDP und verlangte, unterstützt von der CDU, transparent gestaltete Ausschreibungs- und Auswahlverfahren. SPD und GRÜNE verwiesen in der Debatte zum Gesetzentwurf (Drs. 16/2336) auf die gut funktionierende Praxis sowie die historischen Gründe für die zivile Führung. Die PIRATEN wollen die weiteren Ausschussberatungen abwarten.


"Wir möchten in den Polizeipräsidien zukünftig nur noch Beamte haben, die keine politischen Beamten sind", erklärte Dr. Robert Orth (FDP). Es sei unerträglich, dass Polizeipräsidentinnen und Polizeipräsidenten in Nordrhein-Westfalen bei ihrer täglichen Arbeit die politischen Ziele der Landesregierung berücksichtigen müssten. Es bestehe nämlich die Möglichkeit, sie unabhängig von ihrer Leistung jederzeit in den vorläufigen Ruhestand zu versetzen. Notwendig sei eine Besetzung über Ausschreibungs- und Auswahlverfahren, so Orth. Wer im höheren Dienst bei der Polizei sei, müsse die Chance haben, auch solche Führungsposten zu bekleiden.

"Es geht Ihnen darum, ein bisschen zu politisieren statt zu entpolitisieren", entgegnete Hartmut Ganzke (SPD). Erstens betreffe der vorliegende Entwurf nicht die gesamte Polizei, sondern nur die Polizeiführung. Zweitens gehe die geschilderte Gefahr des Vertrauensverlustes "völlig an der Realität in Nordrhein-Westfalen vorbei", so Ganzke. Vielmehr mache die sensible Materie "Sicherheitspolitik" eine besonders vertrauensvolle Zusammenarbeit der Polizeipräsidentinnen und -präsidenten mit dem Innenminister notwendig. Ihre Auswahl erfolge im Übrigen in erster Linie nach Eignung und Befähigung. Sieben andere Bundesländer handelten genauso.

Aufgrund von Personalentscheidungen und -entwicklungen in den vergangenen Wochen sei der Gesetzentwurf der FDP-Fraktion berechtigt, meinte Theo Kruse (CDU). Die Polizeiführung in Nordrhein-Westfalen sei im Vergleich der Bundesländer nahezu einmalig. Dabei müsse Polizeiarbeit von hoher Sachlichkeit geprägt sein, so Kruse. Notwendig seien Ausschreibungs-, Bewerbungs- und Auswahlverfahren, denn das "Zuschanzen von Stellen" an Parteigenossen oder Interessenvertreter sei die schlimmste Form der Ausbeutung des Staates durch die politischen Parteien. Dies könne die innere Emigration fördern und die Leistungsbereitschaft des Einzelnen untergraben.

In Nordrhein-Westfalen habe man "eine rechtsstaatlich handelnde und eben keine politische Polizei", betonte Verena Schäffer (GRÜNE). Sie arbeite nach rechtsstaatlichen Prinzipien und könne daher den Schutz der Grund- und Freiheitsrechte gewährleisten. Bei der Besetzung der Führungsstellen müssten Recht, Eignung, Befähigung und fachliche Leistung berücksichtigt werden. Aber es sei auch richtig, dass man sich in Nordrhein-Westfalen für die sogenannte zivile Führung entschieden habe, also für Personen ohne polizeiliche Sozialisation. In den Städten seien dies die Polizeipräsidentinnen und -präsidenten, im kreisangehörigen Raum die Landräte.

Die Argumentation des Antrags sei nicht verkehrt, meinte Dirk Schatz (PIRATEN). Wie er sich letztendlich entscheide, werde er in der Ausschussdiskussion sehen. Es sei ein Vorteil, wenn bei der Besetzung der Führungspositionen auch Polizeibeamte des höheren Dienstes in die Auswahl kämen. Dies sei auch ein Zugewinn für den Pluralismus. Wenn das Gesetz so beschlossen werde, könne die Auswahl in Zukunft ohne politischen Druck erfolgen. Gleiches gelte auch für die Amtsführung. Es werde für Polizeipräsidentinnen und -präsidenten leichter, innerhalb der Grenzen von Recht und Gesetz ihrer Auffassung nachzugehen, ohne politisch konform sein zu müssen.

"Alle 18 Polizeipräsidentinnen und -präsidenten in Nordrhein-Westfalen leisten sehr gute Arbeit", hob Innenminister Ralf Jäger (SPD) hervor. Die von ihm ernannten Amtsträger hätten zuvor in ziviler Verantwortung außerordentliche und gute Arbeit geleistet und in ihrem neuen Amt parteiübergreifende Wertschätzung erfahren, so Jäger. Die zivile Führung der Polizei sei nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt worden und man sei damit immer gut gefahren. Die Kandidaten seien in der Regel gelernte Verwaltungsbeamtinnen und -beamte. Wichtig sei, dass die Auswahl auch nach Eignung, Leistung und Befähigung erfolge.


ÜBERWEISUNG:
Der Gesetzentwurf der FDP Drs. 16/2336 wurde einstimmig an den Innenausschuss unter Mitberatung des Kommunalausschusses überwiesen.

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Quelle:
Landtag intern 5 - 44. Jahrgang, 15.5.2013, S. 7
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Mai 2013