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NORDRHEIN-WESTFALEN/1997: Nachfragen zum Nahverkehr (Li)


Landtag intern 4/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Nachfragen zum Nahverkehr
Sachverständige erläutern, was sie von einer Datenerhebung halten und wie sie das Zusammenspiel mit dem Fernverkehr beurteilen
Ausschussbericht

Von Sonja Wand und Daniela Braun



15. April 2013 - In gleich zwei Anhörungen haben sich Fachleute im Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr (Vorsitz Dieter Hilser, SPD) mit dem öffentlichen Nah- und Fernverkehr in Nordrhein-Westfalen befasst. Auf CDU-Antrag (Drs. 16/1474) standen der Ausbau des Nahverkehrs sowie die Verbesserung des Fernverkehrs auf der Tagesordnung. Wenige Stunden zuvor hatten Experten auf Antrag der PIRATEN (Drs. 16/1258) bereits über eine von der Fraktion geforderte Studie zur Finanzierungsstruktur des ÖPNV-Systems beraten.


Konkret fordern die PIRATEN in ihrem Antrag, zusätzliche Grundlagendaten zu erheben, um die Finanzierungsstrukturen im öffentlichen Nahverkehr im Vergleich zum Individualverkehr transparent darlegen zu können.

Volker Wente vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen begrüßte dies grundsätzlich, betonte aber wie auch zahlreiche weitere Fachleute, dass eine Vielzahl an validen Daten bereits vorliege. Dem widersprach Lothar Ebbers vom Fahrgastverband Pro Bahn. So fehle bislang zum Beispiel ein zentrales Portal zum Abruf von Fahrgastdaten.

Zahlen von privatwirtschaftlichen Unternehmen könnten nicht alle ohne Weiteres veröffentlicht werden, gab hingegen Dr. Norbert Reinkober vom Zweckverband Nahverkehr Rheinland zu bedenken. Jörg Mühlenhaupt von IT.NRW betonte, für eine Datenerhebung brauche man eine gesetzliche Grundlage.

Dr. Martin Arnold von der Intraplan Consult GmbH machte zudem deutlich, dass ein Kostenvergleich zwischen den unterschiedlichen Verkehrsträgern nicht alleiniges Entscheidungskriterium für die Gestaltung des Verkehrsangebots sein dürfe: Der ÖPNV diene der Daseinsvorsorge, darüber hinaus gebe es individuelle Präferenzen - beides sei wichtig. In diesem Zusammenhang warnte Rolf Zimmermann von den Baugewerblichen Verbänden vor einer "einseitigen Verteufelung des Individualverkehrs".

Martin Husmann lenkte den Fokus der Debatte weg von der Datenerhebung hin zu perspektivisch konkreten Zielen für den Nahverkehr. Er plädierte dafür, in den kommenden zehn bis 15 Jahren schwerpunktmäßig in die bestehende Infrastruktur zu investieren. Dies werde bereits so teuer, dass für Neues wohl kaum noch Geld bleibe. Auch Joachim Brendel von der Industrie- und Handelskammer meinte: "Vielmehr als ein Datenproblem haben wir ein Umsetzungsproblem."

Nah- und Fernverkehr

In der zweiten Expertenanhörung widmete sich der Verkehrsausschuss dem Zusammenspiel von Nah- und Fernverkehr. Konkret ging es um die Auswirkungen des geplanten Rhein-Ruhr-Expresses (RRX) auf Intercity-Verbindungen. Die CDU-Fraktion fordert, das Intercity-Angebot möglichst in ein Gesamtkonzept mit dem RRX zu integrieren, und will verhindern, dass der RRX eine Ausdünnung der Intercity-Strecken zur Folge hat. Diese Gefahr sah Volker Wente nicht. Der Bedarf zwischen Dortmund und Köln sei groß genug für ein Nebeneinander von Nah- und Fernverkehr.

Burkhard Bastisch vom Nahverkehr Westfalen-Lippe berichtete, wo Fernverkehrsangebote außerhalb des Ballungsraums in der Vergangenheit weggefallen seien, habe der Nahverkehr dies auffangen müssen. Ein Fernverkehrshalt sei aber ein wichtiger Standortfaktor für Unternehmen vor Ort, gab Joachim Brendel zu bedenken.

Zur Integration gab es verschiedene Überlegungen. Einen integrierten Nah- und Fernverkehr befürwortete beispielsweise Hans Leister von der Initiative Deutschlandtakt. Er schaute über die Landesgrenzen in die Niederlande und in die Schweiz, wo es einen einheitlichen Tarif gebe. "Sie können von überall nach überall ein Ticket lösen", erklärte er. Abgerechnet werde hinterher unter den verschiedenen Anbietern. Dort, ergänzte Lothar Ebbers, könne man einen Aufschlag für eine Fahrt im Intercity bezahlen und dann mit einem Nahverkehrsticket einsteigen. Eine solch flexible Lösung unterstützte auch Jürgen Eichel vom Verkehrsclub Deutschland und veranschaulichte zum Vergleich: "Man darf ja auch mit einem Kleinwagen auf die Autobahn." Diskutiert wurde daher auch, ob es in NRW auf der Schiene eine künstliche Trennung von Nahund Fernverkehr gebe.

"Besteht denn wirklich das Bedürfnis, alles zu harmonisieren?", fragte Wente und wandte sich damit an die Kritiker unterschiedlicher Lösungen in verschiedenen Verkehrsverbünden in NRW: "Wer ist denn ständig in fünf Verbünden unterwegs?"

Christoph von Nell von der Spiekermann AG Consulting Engineers, Berater in Verkehrsfragen, meinte, das Themenfeld sei so komplex, dass man eine große Lösung ohnehin nicht finde. Er riet deshalb zu konkreten Ansätzen in Einzelfragen. Einig waren sich alle Sachverständigen darin, dass die Infrastruktur im Rhein-Ruhr-Ballungszentrum dringend ausgebaut werden müsse.

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Quelle:
Landtag intern 4 - 44. Jahrgang, 24.4.2013, S. 13
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2013