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NORDRHEIN-WESTFALEN/1964: Unterschiedliche Ansichten zur Annäherung an die Schuldenbremse (Li)


Landtag intern 1/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

"Ohne Geld läuft da nix"
Unterschiedliche Ansichten zur Annäherung an die Schuldenbremse

Von Christoph Weißkirch



17. Januar 2013 - Den einen geht es zu schnell, den anderen zu langsam: Die Einsparungen im Haushaltsentwurf fanden bei den geladenen Fachleuten im Haushaltsausschuss (Vorsitz Christian Möbius, CDU) ein unterschiedliches Echo. Und die Kommunen beklagten, das Land verstoße gegen das Konnexitätsprinzip, übernehme also nicht die finanzielle Verantwortung für Dinge, für die es zuständig sei.


Nicht zufrieden mit dem Haushaltsentwurf 2013 zeigten sich die Städte und Gemeinden. Ein Hauptpunkt ihrer Kritik: Bei der Umsetzung der Inklusion, bei der behinderte und nicht-behinderte Kinder zukünftig gemeinsam lernen sollen, werde das Konnexitätsprinzip nicht berücksichtigt. Es reiche nicht, Förderschulen zu schließen und an die anderen ein Schild "inklusives Lernen" zu heften, so Prof. Dr. Angela Faber für die kommunalen Spitzenverbände. Notwendig seien ein Konzept und die entsprechenden finanziellen Mittel. Immerhin seien die Länder für die Schulgesetze zuständig.

Die Wahrung der Konnexität klagten die Kommunen auch im Hinblick auf den Klimaschutz ein. Das kommende Gesetz in diesem Bereich mache nur Sinn, wenn dessen Umsetzung - also zum Beispiel über die energetische Gebäudesanierung - Pflicht werde für die Kommunen, so Axel Welge. Dafür müsse aber im Landeshaushalt vorgesorgt werden. Weitere Kritikpunkte betrafen geplante Kürzungen bei der Städtebauförderung sowie beim Hochwasserschutz. Beim U3-Ausbau befürchteten die Kommunalverbände, dass sie mit den vorgesehenen Mitteln nicht auskommen, um den zum 1. August 2013 feststehenden Bedarf zu decken.


Kurzer oder langer Bremsweg?

Das Verbot neuer Schulden ab dem Jahr 2020 bestimmte die Auseinandersetzung über die grundsätzliche Richtung des Haushalts. So warnte Sebastian Gechert (Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung) vor der Gefahr zu früher und starker Sparmaßnahmen: Diese könnten einen Konjunkturabschwung noch verstärken. Grundsätzlich solle seiner Meinung nach eine Konsolidierung überwiegend über die Einnahmenseite erfolgen. So sei die gegebene strukturelle Unterfinanzierung auch das Ergebnis der Steuergesetzgebung der letzten 15 Jahre.

Dr. Michael Thöne (Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut Uni Köln) wandte sich zwar auch gegen Kürzungen mit der "Rasenmäher-Methode", die jetzt vorgenommenen selektiven Einschnitte wertete er aber als nicht ausreichend. Dies erwecke den Eindruck, der wesentliche Abbau solle in den Jahren 2017, 2018 und 2019 stattfinden. Jedenfalls müsse jetzt erstens ein klarer Konsolidierungspfad festgelegt werden, zweitens müsse dabei auch die Frage der Versorgungslasten hinsichtlich der Beamtinnen und Beamten berücksichtigt werden.

Als "unzureichende Schritte zur Rückführung des strukturellen Defizits" beschrieb auch Heinz Gebhardt vom Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsinstitut die aktuellen Konsolidierungsvorschläge. Anscheinend glaube die Landesregierung, dass es nicht ohne zusätzliche Einnahmen über Steuererhöhungen (bei Einkommens-, Erbschafts- und Vermögenssteuer) gehe. Dies werde aber eher wachstumsdämpfend wirken, so Gebhardt. Ausgabenkürzungen seien dagegen eher wachstumsstimulierend. Vor diesem Hintergrund definierte er aus seiner Sicht: "Die Landesregierung hat ein Ausgabenproblem."

"Die starken Schultern können und müssen mehr tragen", entgegnete Andreas Meyer-Lauber (DGB NRW). Immerhin seien die großen Vermögen in den letzten zehn Jahren stetig gestiegen. Heute besäßen die reichsten ein Prozent der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen, also 180.000 Bürgerinnen und Bürger, rund 700 Milliarden Euro. Das sei ein Vielfaches des Defizits. Gleichzeitig sei bei 722.000 Arbeitslosen das Ziel der Vollbeschäftigung immer noch nicht erreicht. Und das Risiko der Armut steige: Es beträfe fast 17 Prozent der Bevölkerung und fast jedes fünfte Kind in Nordrhein-Westfalen.

Die Personalkosten seien seit dem Jahr 2000 im Verhältnis zum Gesamthaushalt gesunken, betonte Hans-Jürgen Schnieber (Deutsche Steuer-Gewerkschaft). Wenn Einsparungen im öffentlichen Dienst unumgänglich seien, dann müssten auch die entsprechenden Aufgaben und Dienstleistungen entfallen. "Ohne Geld läuft da nix", so Schnieber. Auch er plädierte für einen Ansatz über höhere Einnahmen. Dies setze aber eine materiell und personell entsprechend ausgerüstete Finanzverwaltung voraus. Schließlich stelle ein qualifizierter öffentlicher Dienst einen Standortvorteil dar.

Die Neuverschuldung sei angesichts der aktuellen Steuereinnahmen zu hoch, so Heinz Wirz (Bund der Steuerzahler). Außerdem müssten die Steuereinnahmen ja nicht unbedingt permanent steigen, warnte er vor "Hoffnungswerten" in der mittelfristigen Planung.

Ebenso wie Meyer-Lauber kritisierte auch Wirz, dass durch globale Minderausgaben, die auf 1,2 Milliarden Euro ansteigen sollen, das Kontrollrecht des Parlaments ausgehebelt werde.

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Quelle:
Landtag intern 1 - 44. Jahrgang, 23.1.2013, S. 6
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Februar 2013