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NORDRHEIN-WESTFALEN/1941: Sachverständige fordern in Debatte um Haushalt 2012 mehr Sparwillen (Li)


Landtag intern 10/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Schuldenabbau: "Worauf wartet die Politik noch?"
Sachverständige fordern in Debatte um Haushalt 2012 mehr Sparwillen

Von Christoph Weißkirchen



1. Oktober 2012 - Die ab dem Jahr 2020 geltende Schuldenbremse auf der einen Seite, die notwendigen Ausgaben insbesondere für Kommunen auf der anderen Seite waren die beiden wesentlichen Pole der Anhörung des Haushalts- und Finanzausschusses zum Landeshaushalt 2012. Dabei waren sich die geladenen Fachleute grundsätzlich einig, dass das Land seinen Haushalt sanieren müsse. Dies dürfe aber nicht zulasten der Kommunen geschehen. Die Vertreter der Wirtschaftsinstitute betonten, die Einhaltung der Schuldengrenze ab dem Jahr 2020 sei möglich, mehr Sparen aber schon heute notwendig.


Die finanzielle Lage der Kreise, Städte und Gemeinden war auch in dieser Anhörung zentrales Anliegen der drei Vertreter der kommunalen Spitzenverbände. So wies Dr. Christian von Kraack darauf hin, dass der Verbundsatz (siehe Kasten) von seinerzeit 28,5 auf nunmehr 23 Prozent gesunken sei - was effektiv 21,87 Prozent bedeute -, obwohl die Zahl der an die Kommunen übertragenen Aufgaben zugenommen habe. Er mahnte, der europäische Fiskalpakt beziehe bei der Berechnung der Verschuldungsquote ausdrücklich auch die Schulden der Kommunen mit ein.

Dr. Kai Zentara hob für den Bereich "Schule und Gesundheit" das Beispiel "Inklusion" hervor. Die gleichberechtigte Einbeziehung behinderter Menschen sei seit 2009 auch in Deutschland geltendes Recht. Bereits seit Jahren würde von den Kommunen unter Berufung auf die UN-Behindertenrechtskonvention gefordert, zum Beispiel den barrierefreien Umbau von Gebäuden voranzutreiben. Das Land müsse diese zum Teil erheblichen Kostenbelastungen, für die es nach dem Konnexitätsprinzip mitverantwortlich sei, anerkennen und spätestens in den Haushalt 2013 entsprechende Ausgleichszahlungen aufnehmen.

Eine ähnliche Kritik brachte Axel Welge mit Blick auf das aktuell diskutierte Klimaschutzgesetz vor. Ihm ging es dabei nicht in erster Linie um eine Erhöhung, sondern um eine Verlagerung der Ausgaben. Es könne nicht sein, dass im Umweltministerium nach den Jahren 2010 und 2011 auch im Jahr 2012 erneut 100 neue Stellen zur Umweltüberwachung geschaffen würden. Die Leistungen der Kommunen in diesem Bereich würden hierbei nicht berücksichtigt.

Um die Schuldenbremse einzuhalten, muss auch NRW die Nettoneuverschuldung bis zum Jahr 2020 vollständig abbauen. Diesem Themenkomplex widmeten sich die befragten Wirtschaftsinstitute sowie der Bund der Steuerzahler NRW.

Abbau der Schulden

Ralph Brügelmann vom Institut der Deutschen Wirtschaft bezifferte unter Berücksichtigung der aktuellen Nettokreditaufnahme und der konjunkturellen Entwicklung ein strukturelles Defizit von jährlich rund 3 Milliarden Euro. Dies könne man nicht nur über Mehreinnahmen des Landes abbauen, meinte er. Höhere Steuern wirkten sich negativ auf das wirtschaftliche Wachstum aus. Notwendig seien also weniger Ausgaben, möglicherweise auch beim Personal. Für weitere Einzelheiten sei eine detaillierte Analyse der Ausgabenstruktur des Landes notwendig, so Brügelmann und betonte an die Abgeordneten gerichtet: "Am Ende bleibt die Verantwortung für die politisch unangenehmen Entscheidungen bei Ihnen."

Ähnlich argumentierte Dr. Rainer Kambeck vom Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsinstitut Essen. Aus seiner Sicht wäre allerdings schon viel geholfen, wenn der Ausgabenzuwachs gedrosselt werden könnte. Die Hoffnung, den Landeshaushalt durch höhere Steuereinnahmen in den kommenden Jahren sanieren zu können, lehnte er als "nicht redlich" ab. Notwendig sei auch, dass geplante oder bereits durchgeführte Maßnahmen wie die weggefallenen Studiengebühren oder das beitragsfreie Kindergartenjahr durch Einsparungen an anderer Stelle gegenfinanziert würden.

Ein "unvertretbar hohes Maß an Finanzierung auf Pump" kritisierte denn auch Heinz Wirz vom Bund der Steuerzahler. Bei den aktuellen erheblichen Steuermehreinnahmen und sinkenden Zinsen hätte sich die im Etatentwurf ausgewiesene Nettoneuverschuldung merklich verringern lassen, meinte er. Es sei nicht selbstverständlich, dass die Steuereinnahmen auch in den kommenden Jahren weiter anstiegen. Außerdem habe das Land mögliche höhere Ausgaben durch steigende Zinsen, verbleibende Risiken der WestLB sowie kommende Pensionslasten bislang nicht einkalkuliert. Als verfassungsrechtlich bedenklich wertete Wirz das Sparen über sogenannte globale Minderausgaben, also durch alleinige Entscheidungen der Regierung ohne Beteiligung des Parlaments.


Kasten
 
ERMITTLUNG DER FINANZAUSGLEICHSMASSE

Aus dem Entwurf des Gemeindefinanzierungsgesetzes für das Haushaltsjahr 2012, Steuerverbund, Paragraph 2, Ermittlung der Finanzausgleichsmasse:
"Das Land stellt den Gemeinden und Gemeindeverbänden 23 Prozent (Verbundsatz) seines Anteils an der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer (Gemeinschaftssteuern) zur Verfügung. Ferner beteiligt das Land die Gemeinden und Gemeindeverbände in Höhe des Verbundsatzes an vier Siebteln seiner Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer. Der Verbundsatz enthält 1,17 Prozentpunkte zur vorläufigen pauschalen Abgeltung von Ausgleichsansprüchen aus der Beteiligung der Gemeinden und Gemeindeverbände an den finanziellen Belastungen des Landes aus der Deutschen Einheit im Haushaltsjahr 2012."

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Quelle:
Landtag intern 10 - 43. Jahrgang, 07.11.2012, S. 18
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2012