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NORDRHEIN-WESTFALEN/1930: Streit um Kanal-TÜV geht weiter (Li)


Landtag intern 7/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Streit um Kanal-TÜV geht weiter
CDU und FDP fordern bei Dichtheitsprüfung erneut Umkehr der Beweislast

Von Daniela Braun



21. Juni 2012 - Nach der vorgezogenen Landtagswahl geht die Debatte um den Kanal-TÜV in die nächste Runde. CDU- und FDP-Fraktion haben ihren Gesetzentwurf von Ende der vergangenen Legislaturperiode erneut ins Plenum eingebracht. Darin fordern sie die Umkehr der Beweislast zugunsten von Hausbesitzern (Drs. 16/45). Auch die rot-grüne Landesregierung hat die Dichtheitsprüfung wieder aufgegriffen: Im Koalitionsvertrag kündigt sie Änderungen an.


"Wir sind das letzte Flächenland in Deutschland, das an einer landesweit verpflichtenden Dichtheitsprüfung mit starren Fristen festhält", kritisierte Henning Höne (FDP). Aktuell müssen Hauseigentümer nach dem nordrheinwestfälischen Landeswassergesetz bestehende Abwasserkanäle spätestens bis Ende 2015 bzw. einem von ihrer Kommune festgelegten Termin auf Lecks überprüfen - unabhängig davon, ob ein Schadensverdacht vorliegt oder nicht. Das akzeptierten die Menschen im Land nicht, verwies Höne auf mehrere Bürgerinitiativen.

In ihrem Gesetzentwurf fordern CDU und FDP daher die Umkehr der Beweislast. Heißt: nur bei Neubauten, größeren Umbauten und Verdachtsfällen prüfen. Alles andere belaste die Betroffenen laut Höne finanziell enorm, nutze der Umwelt aber nicht spürbar: "Der drohende ökonomische Aufwand für den einzelnen Hausbesitzer steht in absolut keinem Verhältnis zum ökologischen Nutzen."

Tragfähige Hinweise für Grundwasserprobleme fehlten, monierte auch Josef Hovenjürgen (CDU). Die von der rot-grünen Landesregierung in der letzten Wahlperiode angeführte Argumentation sei damit unhaltbar. Das sei mitnichten der Fall, setzte der GRÜNEN-Politiker Hans Christian Markert entgegen. Neue Daten des Landesumweltamtes zeigten, dass sehr wohl eine Gefahr fürs Grundwasser bestehe.

CDU und FDP hatten ihren Gesetzentwurf erstmals vor der Neuwahl vorgelegt - mit der Begründung, Rot-Grün habe einen gemeinsamen Beschluss von SPD-, GRÜNEN- und CDUFraktion nur mangelhaft umgesetzt, erinnerte Hovenjürgen. "Es wurde noch einmal nachgebessert, aber auch diese Nachbesserung blieb unzureichend." Nun gehe es darum, schnellstmöglich Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen.

Dieser Vorwurf sei nicht korrekt, wehrte Rainer Schmeltzer (SPD) ab. Auch Markert betonte: "Es waren Ihre Pirouetten von CDU und FDP, die zur Verunsicherung im Land geführt haben." Alles in allem laufe die Umsetzung des Gesetzes gut, so Schmeltzer. Wo Menschen verunsichert seien, werde Rot-Grün Gespräche führen und sozialverträgliche Lösungen erarbeiten. Insgesamt hielt Markert aber fest: "Wir bekennen uns aus wasserrechtlichen, baulichen und ökologischen Gründen ausdrücklich zur Notwendigkeit einer Kanalfunktionsprüfung."

Gleichzeitig erteilte der Grüne der im schwarz-gelben Gesetzentwurf vorgeschlagenen Beweislast-Umkehr eine Absage: "Warten wir bei diesem Thema tatsächlich in Zukunft immer ab, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist?" Umweltminister Johannes Remmel verwies zudem auf die lange und komplizierte Rechtsgeschichte der Dichtheitsprüfung: "Da machen Sie es sich zu einfach, allein sozusagen rechts umzukehren und auf Verdacht zu begründen." Insgesamt plädierte er für eine bundeseinheitliche Regelung.

Auch Schmeltzer kritisierte, CDU und FDP verließen mit ihrem Ansatz den Vorsorge- und Besorgnisgrundsatz. Ähnlich wie bei Heizungen, Kaminen und Autos reiche es ihm auch beim Abwasser nicht aus, nur bei Neubauten oder begründetem Verdacht zu prüfen. "Das ist der Grundsatz, der an der Stelle im Wasserhaushaltsgesetz des Bundes verankert ist", stimmte Umweltminister Remmel zu. Zudem hat sich der Kanal-Check laut Schmeltzer angesichts vieler kaputter Rohre mittlerweile als deutlich dringlicher, aber auch kostengünstiger entpuppt, als es CDU und FDP darstellten. "80 Prozent der Abwasserkanäle sind in einem sanierungsbedürftigen Zustand", unterstrich Markert.

Solche Zahlen seien lediglich wilde Behauptungen, bemängelte Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN). Ähnlich wie CDU und FDP forderte er daher wissenschaftliche Nachweise dafür, welche Gefahr tatsächlich von undichten Abwasserkanälen ausgehe. "Wir wollen keinen Generalverdacht", betonte der Pirat.

Die aktuelle Regelung bewertete er als höchst bedenklich: "Sie ist volkswirtschaftlich untragbar, sie ist in manchen Fällen existenzgefährdend für die Hausbesitzer, für die Bürger, und sie ist rechtlich bedenklich, möglicherweise verfassungswidrig." Falls sich daran nichts ändere, behalte sich seine Fraktion vor, das Gesetz gerichtlich prüfen zu lassen. In diesem Zusammenhang kündigte Umweltminister Remmel ein rechtliches Gutachten seitens der Landesregierung an: "Diese gutachterliche Stellungnahme ist fremd vergeben worden und wird in Kürze dem Landtag zugestellt."

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Quelle:
Landtag intern 7 - 43. Jahrgang, 05.07.2012, S. 7
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2012