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NORDRHEIN-WESTFALEN/1919: Die 15. Legislaturperiode im Rückblick (Li)


Landtag intern 4/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Kurz und bündig
Die 15. Legislaturperiode im Rückblick



Es war die kürzeste, aber keinesfalls eine unbewegte Legislaturperiode: Aufgrund knapper Mehrheitsverhältnisse fielen Abstimmungsergebnisse mehrfach nicht eindeutig aus. Zweimal mussten die Abgeordneten bei einer Abstimmung sogar zum sogenannten Hammelsprung antreten. Und auch sonst war einiges anders als sonst. Hier wichtige Ereignisse der vergangenen 22 Monate kurz skizziert.


Bei einer Wahlbeteiligung von nur rund 59 Prozent bescheren die Wählerinnen und Wähler im Mai 2010 der Volksvertretung eine Pattsituation: CDU und SPD liegen bei der Zahl der Mandate gleichauf. Mit den Linken zieht eine fünfte Fraktion in den im Vergleich zur vorangegangenen Wahlperiode insgesamt etwas kleineren, jüngeren und bunteren Landtag ein.

Am 14. Juli 2010 wählt der Landtag Eckhard Uhlenberg zu seinem Präsidenten und zu dessen Stellvertreterinnen und Stellvertreter Carina Gödecke, Oliver Keymis, Angela Freimuth und Gunhild Böth ins neue Präsidium. Nach schwierigen Sondierungsgesprächen bildet sich schließlich eine rot-grüne Minderheitsregierung. Sie verfügt über 90 Mandate, während CDU, FDP und Linke zusammen auf 91 Sitze kommen. Die SPD-Abgeordnete Hannelore Kraft wird dank Enthaltung der Linken erste Ministerpräsidentin von NRW. Mit der Konstituierung von 19 Ausschüssen und 4 Unterausschüssen stellt der Landtag im September seine innere Arbeitsstruktur für die 15. Legislaturperiode auf.

In ihrer Regierungserklärung kündigt Ministerpräsidentin Kraft an, Rot-Grün wolle Schwerpunkte bei der Bildung und beim Umweltschutz setzen sowie die Kommunen stärken. Dass sich ein solcher Ansatz finanziell auszahlt, bezweifeln allerdings CDU und FDP. Außerdem kritisieren beide Fraktionen die Pläne für die Gemeinschaftsschule als Einstieg in die Einheitsschule. Die Linken fordern schnelle Taten, wie die umgehende Abschaffung der Studiengebühren.

Ein einmütiges Vorgehen planen alle Fraktionen hingegen bei der Integration. Und ebenfalls gemeinsam setzen CDU, SPD und Grüne in der Kohlepolitik ihren Antrag zum Erhalt des Ausstiegsdatums 2018 durch. Die EU hat allerdings andere Pläne, die ein Ende bereits im Jahr 2014 bedeuten könnten.

Streit gibt es insbesondere bei der Schulpolitik. Die Fraktionen von SPD, Grünen und Linken legen Gesetzentwürfe vor, um das Schulgesetz zu überarbeiten. Vor allem CDU und FDP lehnen die vorgeschlagenen Änderungen jedoch ab. Bei Enthaltung der Linken setzen SPD und Grüne dann im Dezember durch, dass Schülerinnen, Schüler und Eltern wieder mehr Mitspracherecht in der Schule erhalten und Kommunen Grundschulbezirke einführen dürfen. Hingegen entfallen verpflichtende Noten zum Arbeitsund Sozialverhalten ("Kopfnoten") sowie die verbindlichen Grundschulempfehlungen.

Anlässlich eines geplanten Nachtragshaushalts der Regierung streitet der Landtag im Oktober 2010 ums liebe Geld und verbindet dies mit Fragen der Generationengerechtigkeit, der Verpflichtung zum Schuldenabbau und des sozialen Zusammenhalts. Bei einer Sondersitzung des Plenums zeigen sich die Fraktionen einig, den Kommunen schnell aus ihrer finanziellen Misere zu helfen. Über das Wie gehen die Meinungen allerdings auseinander. Nach langem Ringen gibt es dann im Dezember eine politische Entscheidung: Eine knappe Mehrheit nimmt den Nachtragshaushalt an. Mit Verweis auf die verfassungsrechtlich gebotene Schuldenobergrenze reichen CDU und FDP beim Landesverfassungsgerichtshof in Münster Klage ein.


Das Jahr 2011: Ungewohnte Mehrheiten

Im Januar unterrichtet die Landesregierung den Landtag dann über die Entscheidung des Gerichtshofs. Während die Opposition von CDU und FDP den Richterspruch als Sieg wertet, weil er der Schuldenaufnahme Grenzen setzt, sieht Ministerpräsidentin Hannelore Kraft den Nachtragsetat als Endabrechnung der schwarzgelben Vorgängerregierung.

Im Februar gehen mit dem Haushalt 2011 die Debatten über die Steuermittel in die nächste Runde. Die Regierung verteidigt in der ersten Lesung 7 Milliarden Euro neue Schulden als "Zukunftsinvestition" und "Vorsorge für die Familien, Kinder, Städte und Gemeinden". Die Opposition von CDU und FDP nennt dies eine "verheerende Schuldenpolitik", die "Kinder und Kindeskinder abzustottern" hätten. Die Linke will höhere Ausgaben in vielen Ressorts. Am Ende der Haushaltsberatungen kann die Regierung (bei Enthaltung der Linksfraktion) ihren ersten und - wie sich ein Jahr später zeigen wird - auch einzigen Haushalt durchsetzen. Die Neuverschuldung liegt statt der ursprünglich geplanten 7,1 nunmehr bei 4,8 Milliarden Euro. Nach Dioxinfunden in Futtermitteln wollen Bund und Länder zu Beginn des Jahres über einen Aktionsplan die Produktionsabläufe für Industriestoffe und Lebensmittel trennen. Der grüne Umweltminister Remmel sieht darin einen "Wendepunkt", und fordert mehr nachhaltige, tierfreundliche und ökologische Produktionsverfahren. Die Opposition hält dagegen: Mit mehr "Öko" seien 18 Millionen Menschen nicht zu ernähren.

Im Mai 2011 ebnet der Landtag den Weg, um die Abwahl von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern zu erleichtern. Bis dato mussten die kommunalen Räte hierfür mit einer Zweidrittel-Mehrheit die Weichen für eine Abstimmung durch die Bürgerinnen und Bürger stellen. Eine zu hohe Hürde, findet die antragstellende Links-Fraktion. Zuvor hatten SPD, Grüne, FDP und Linke gemeinsam die Stichwahl bei der Bürgermeister-, Oberbürgermeister- und Landrats-Wahl wieder eingeführt.

Einige Wochen später besucht der damalige Bundespräsident den Landtag. Gesprächspartner von Christian Wulff sind nicht nur die Landespolitiker, sondern auch Schülerinnen und Schüler, die am Informationsprogramm des Landtags teilnehmen.

Kurswechsel bei der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst: Während Schwarz-Gelb in ihrer Regierungszeit die Mitbestimmungsrechte der Personalräte beschränkt hatte, will die Regierung mehr. Gegen die Stimmen von CDU und FDP nimmt der Landtag ein Gesetz an, das über die ursprünglichen Regelungen vor der Änderung im Jahr 2007 hinausgeht.

Neue Wege auch in der Schulpolitik: Nach jahrzehntelangem Streit über die Ausgestaltung des Schulwesens verkünden SPD, Grüne und CDU gemeinsam einen Schulkonsens, den der Landtag dann nach der Sommerpause auch beschließt. Demnach kommt neben Gymnasium, Gesamt- und Hauptschule eine neue Schulform, die Sekundarschule, hinzu. Zudem ist das gegliederte Schulsystem mit integrierten Schulformen ab sofort durch die Landesverfassung abgesichert, die Bestandsgarantie der Hauptschule hingegen gestrichen.

Ein Kapitel Nordrhein-Westfalens ist Geschichte: Mit Mehrheit von CDU, SPD und Grünen verabschiedet der Landtag einen Restrukturierungsplan für die WestLB, der die Aufspaltung der Landesbank bedeutet.

Bis zum Jahr 2030 soll NRW den Ausstoß von Treibhausgasen um 80 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 verringern: Das sieht der Entwurf der Landesregierung für ein Klimaschutzgesetz vor, den die Abgeordneten in einer ersten Beratung diskutieren. Zu einer Verabschiedung kommt es aufgrund der Selbstauflösung des Landtags allerdings nicht mehr.

Im Dezember beschließt der Landtag in zweiter Lesung den "Stärkungspakt Stadtfinanzen" zur Unterstützung der kommunalen Haushaltskonsolidierung. Nach dem Gesetzentwurf der Regierung sollen die betroffenen Kommunen über zehn Jahre lang jährlich 350 Millionen Euro als Finanzhilfe erhalten. Im Gegenzug müssen sich die teilnehmenden Gemeinden verpflichten, in absehbarer Zukunft ausgeglichene Haushalte vorzulegen.

Die Prüfung privater Abwasserkanäle soll ausgesetzt und neu geregelt werden. Ein entsprechender Antrag der FDP findet im Umweltausschuss mit den Stimmen von CDU und Linken eine Mehrheit. Der Landtag kommt allerdings nicht mehr dazu, darauf aufbauende Gesetzentwürfe von SPD und Grünen sowie der CDU abschließend zu behandeln.

In den beiden letzten Sitzungen des Jahres berät der Landtag in erster Lesung den von der Regierung vorgelegten Haushalt fürs Jahr 2012. Er hat ein Volumen von 58,1 Milliarden Euro und sieht eine Neuverschuldung von knapp 4 Milliarden Euro vor. Bei der Abstimmung über Einzelpläne des Haushalts am 14. März 2012 kommt es dann zur entscheidenden Niederlage der Regierung. Noch am gleichen Tag löst sich der Landtag auf. Die 15. Wahlperiode ist zu Ende.


Kasten

15.‍ ‍WAHLPERIODE IN ZAHLEN

59‍ ‍Gesetze in 57 Plenarsitzungen hat das NRW-Parlament in seiner 15. Wahlperiode verabschiedet. Dazu gehören beispielsweise das Gesetz zur Revitalisierung des Gemeindewirtschaftsrechts, das Gesetz zur Verbesserung von Chancengleichheit beim Hochschulzugang, das Gesetz zur Wiedereinführung der Stichwahl, das Gesetz zur Einleitung von Abwahlverfahren von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern bzw. Landrätinnen und Landräten durch Bürgerbegehren, das Gesetz zur Weiterentwicklung der Schulstruktur, das Stärkungspaktgesetz, das Gesetz zur Stärkung der Bürgerbeteiligung, das Gesetz zur Einführung von islamischem Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach, das Tariftreue- und Vergabegesetz, das Gesetz zur Erleichterung von Volksbegehren.

Dem 15. Landtag Nordrhein-Westfalen gehörten 181 Abgeordnete an. Das entspricht der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestzahl. Die Abgeordneten verteilten sich auf fünf Fraktionen: CDU 67 Mitglieder, SPD 67 Mitglieder, Grüne 23 Mitglieder, FDP 13 Mitglieder, Linke 11 Mitglieder.

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Quelle:
Landtag intern 4 - 43. Jahrgang, 18.04.2012, S. 6-7
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Eckhard Uhlenberg, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2012