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NORDRHEIN-WESTFALEN/1918: Experten fordern weitergehende Stärkung des Kommunalen Ehrenamtes (Li)


Landtag intern 3/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

"Eine Kommune lässt sich nicht nebenbei regieren"
Experten fordern weitergehende Stärkung des Kommunalen Ehrenamtes

Von Marie Schwinning



9. März 2012: Für die Wahrnehmung eines kommunalen Ehrenamtes sollen sich künftig auch Arbeitnehmer in Gleitzeit oder mit vollständig flexiblen Arbeitszeiten von ihren Arbeitgebern freistellen lassen können. Den gestiegenen Ansprüchen an die ehrenamtliche kommunalpolitische Tätigkeit soll durch eine angemessene Fort- und Weiterbildung Rechnung getragen werden. Das sieht ein Gesetzesentwurf der Fraktionen von SPD, Grünen und FDP zur Stärkung des kommunalen Ehrenamtes vor. "Ein erster Schritt in die richtige Richtung, weitere müssen folgen", dieses Fazit zogen Experten im Ausschuss für Kommunalpolitik (Vorsitz: Carina Gödecke, SPD).


Das kommunale Ehrenamt sei ein Ausdruck der Demokratie und verlange daher eine besondere Wertschätzung, betonte Bernhard Daldrup für die kommunalpolitischen Vereinigungen von CDU, SPD, Grünen und der FDP in NRW: "Es ist fatal, pauschal von einem Missbrauch des Freistellungsanspruches auszugehen".

Dr. Marco Kuhn von der Arbeitsgemeinschaft für kommunale Spitzenverbände in NRW äußerte sich in seiner Stellungnahme insbesondere zur Freistellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch für die Teilnahme an Sitzungen von Drittorganisationen. Grundsätzlich sehe er dort keine Bedenken, so der Sachverständige. Problematisch sei nur, dass die Kommune kein Recht zur Kontrolle und Entscheidung über die Terminierung solcher Sitzungen habe. "Es sollte gesetzlich sichergestellt werden, dass entweder die betreffende Drittorganisation die Kosten für den Verdienstausfall übernimmt oder die Kommune ein Entscheidungsrecht über die Terminierung bekommt, das sicherstellt, dass die Tätigkeit in Drittorganisationen sachgerecht unter Berücksichtigung der Interessen der Kommunen wahrgenommen wird."

Zentral für die die Stärkung des Ehrenamtes, die Qualität der Ratsarbeit und die Unabhängigkeit der Fraktionen von Verwaltung und anderen Fraktionen, sei eine gute sachliche und insbesondere personelle Ausstattung der Fraktionsgeschäftsstellen durch die Kommunen, erklärte Marion Reiser (Goethe-Universität, Frankfurt/Main). Dies gelte insbesondere für kleine Fraktionen. "Studien zeigen, dass Ratsmitglieder kleinerer Fraktionen einen sehr hohen Zeitaufwand haben. Hier ist im Gegensatz zu großen Fraktionen keine interfraktionelle Arbeitsteilung möglich. Eine Finanzierung der Fraktion über die Aufwandsentschädigungen für Politiker halte sie grundsätzlich für problematisch.

Freistellung gefordert

Dr. Frank Überall (Politologe und freier Journalist, Köln) regte in seiner Stellungnahme an, über alternative Formen der demokratischen Beteiligung nachzudenken, beispielsweise über eine hauptamtliche oder nebenamtliche Beschäftigung der Kommunalpolitiker bei gleichzeitiger Verkleinerung des Stadtrates. "Damit einhergehend könnte auch ein verbindlicher Pflichtenkatalog zur Fortbildung in wesentlichen Fragen der haushalterischen und juristischen Rahmenbedingungen beschlossen werden", so Überall.

Nach Ansicht von Thomas Böll (Mitglied der SPD-Fraktion in der Landschaftsversammlung Rheinland) sollte ein entsprechender Freistellungsanspruch auch in die Landschaftsverbandsordnung aufgenommen werden. Hier gebe es eine solche Regelung bislang noch nicht. Folglich seien viele Arbeitgeber nicht ohne weiteres bereit, die Mitglieder der Landschaftsversammlung für ihr politisches Engagement von der Arbeit freizustellen. "Auch unser Amt ist ohne Freistellungsauftrag nur schwer ausführbar", so Böll.

"Wir sehen dringenden Handlungsbedarf, um kleine Fraktionen in NRW ausreichend und rechtssicher mit Fraktionszuwendungen zu versehen", betonte Klaus Löhring (Fraktion der Grünen im Rat der Stadt Ahaus). Bislang stehe die finanzielle Ausstattung der Fraktionen im der jeweiligen Ratsmehrheit. Da scheine es bedenklich, dass inflationsbedingte Kostenanstiege nicht angepasst würden. Löhring forderte die Landesregierung auf, Vorgaben zur Mindestausstattung der Fraktionen zu machen. Bezüglich der Höhe schlug er eine Staffelung nach Einwohnerzahlen vor.

Eleonore Lubitz (Die Linke im Rat der Stadt Schwelm) forderte, dass die neuen Regelungen insbesondere Frauen und Alleinerziehenden die Zeit und Chance bieten sollten, ein politisches Mandat auszuüben. Es sei schwierig, Kinder, Haushalt und Beruf auch trotz der rechtlichen Freistellung so zu organisieren, dass ein kommunales Ehrenamt zufriedenstellend wahrgenommen werden könne. Insbesondere die sogenannte "Hausfrauenentschädigung" müsse daher belassen und gegebenenfalls sogar anders gewichtet werden.

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Quelle:
Landtag intern 3 - 43. Jahrgang, 14.03.2012, S. 11
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2012