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NORDRHEIN-WESTFALEN/1904: Zwischenbilanz zu verlängerten Ladenöffnungszeiten (Li)


Landtag intern 1/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Shopping und Lebensqualität
Zwischenbilanz zu verlängerten Ladenöffnungszeiten

Von Christoph Weißkirchen


18. Januar 2012 - Bequem einkaufen, wer will das nicht? Dass die in NRW seit Ende 2006 geltenden längeren Ladenöffnungszeiten aber sowohl Vor- als auch Nachteile haben, wurde im Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie (Vorsitz Dr. Jens Petersen, CDU) bei einer Anhörung von Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft und Gesellschaft deutlich.


Die jetzige Regelung der Ladenöffnungszeiten samt erleichterter Durchführung verkaufsoffener Sonntage habe sich "eindeutig bewährt", positionierte sich der Einzelhandelsverband NRW gegen mögliche Änderungen. Immerhin fielen 10 bis 15 Prozent der Umsätze auf die Zeit nach 20 Uhr, erklärte dessen Vertreter Dr. Peter Achten. Zudem hätten die längeren Ladenöffnungszeiten mehr Arbeitsplätze in allen Beschäftigungsformen geschaffen.

Die Konsumgewohnheiten hätten sich eben geändert, betonte Stefan Postert von der Vereinigung der IHK in NRW. Ohne die heutige Flexibilität drohe eine verstärkte Abwanderung der Käuferinnen und Käufer in nah gelegene niederländische und belgische Einkaufszentren, warnte Jörg Hamel vom Einzelhandelsverband Aachen-Düren-Köln. Für grenznahe Gemeinden sollten daher erweiterte Regelungen wie für Kurorte, Ausflugs- und Wallfahrtsorte gelten, so Dr. Frank Wackers vom Handwerkstag NRW.

Konsequenzen

Eine Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitoder gar Minijobs, teils gegen den Willen der Betroffenen, kritisierte dagegen Carmen Tietjen für den DGB-Bezirk NRW als Folge der längeren Öffnungszeiten. Nachtarbeit gefährde die Gesundheit und führe damit zu Folgekosten, die die Allgemeinheit tragen müsse, warnten Lieselotte Hinz und Folkert Küpers für die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Man müsse auch bedenken, dass die Angestellten ein Privatleben und Zeit für Familie, Freizeit und Vereine haben müssten, betonte Ernst-August Kortenhaus von der Innung für Uhren, Schmuck und Zeitmesstechnik.

Als Gefahr für kleine, arbeitsintensive Familienunternehmen wertete Dieter Mückenberger, selbst Einzelhändler, die langen Ladenöffnungszeiten von großen Einkaufszentren. Der anwachsenden Insolvenzwelle könne das Land nur durch wieder kürzere Öffnungszeiten bis längstens 20 Uhr begegnen. Dies unterstrich auch Peter Karst für das Bäckerhandwerk. Die Verpflichtung, in Einkaufszentren bis zum Ladenschluss frische Backwaren vorzuhalten zu müssen, führe dazu, dass hier am Abend fast doppelt so viele Lebensmittel im Müll landeten.

Auf die Vorteile einheitlicher Öffnungszeiten, zumindest stadtteilbezogen, wies Anja Sabrowski, Betriebsratsvorsitzende bei Galeria Kaufhof in Gelsenkirchen, hin. Mit einem gemeinsamen Ladenschluss um 19 Uhr habe man gute Erfahrungen gemacht.

"Shopping" sei ein wichtiges Reisemotiv, betonte dagegen Josef Sommer vom Tourismusverband. NRW solle sich an den längeren Öffnungszeiten anderer Länder orientieren, um in NRW die entsprechende Umsätze zu erzielen.

Änderungsbedarf bei der Uhrzeit des heutigen Ladenschlusses meldeten die kommunalen Spitzenverbände, vertreten durch Barbara Meißner, nicht an. Allerdings forderten sie, analog zu Baden-Württembeg ein Verbot des nächtlichen Alkoholverkaufs zu prüfen.

Hinsichtlich der längeren Ladenöffnungszeiten seien weder die damit verbundenen Hoffnungen noch die Befürchtungen eingetreten, stellte Klaus Müller von der Verbraucherzentrale NRW fest. Insgesamt seien die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht unzufrieden mit den neuen Möglichkeiten eines stressfreien Einkaufs, eine Kaufwelle in Richtung Abend sei aber nicht festzustellen. "Warum brauchen wir sie dann?", fragte Hinz und verwies ebenso wie Tietjen auf gut gefüllte Kühlschränke. Und in Bayern sei ja auch um 20 Uhr Schluss mit Einkauf.

Problem Sonntagsöffnung

"Ein Leben ohne Unterbrechung macht krank", verteidigte Kirchenrat Rolf Krebs vom Evangelischen Büro den freien Sonntag als hohes Kulturgut, das in die Schöpfungsordnung eingebunden sei: "Und ein einmal aufgegebenes Kulturgut holen wir nicht mehr zurück." Vor dem Gedanken, alles müsse jederzeit verfügbar sein, warnte auch Dr. Burkhard Kämper vom Katholischen Büro und fragte: "Ist Shopping wirklich ein Zeichen von Lebensqualität?" Beide wiesen ebenso wie Tim Kurzbach von der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) darauf hin, dass der Sonntag bereits am Sonnabend eingeläutet werde. Daher müsse am Samstag um 18 Uhr für alle die notwendige Ruhe einkehren. Außerdem habe die jetzige Praxis mit vier verkaufsoffenen Sonntagen pro Stadtteil gezeigt, dass es in einigen Kommunen mehr verkaufsoffene Sonntage als Wochen im Jahr gebe. Diese Regel funktioniere also nicht, so Kämper.

Ein Problem sahen die Fachleute bei den Ausnahmeregelungen für Bäckereien, Blumengeschäfte wie auch Hofläden an Sonn- und Feiertagen. Die Vertreter dieser Branchen wiesen auf die große Bedeutung des sonntäglichen Umsatzes hin. In der Debatte blieb dann aber offen, ob die bestehende Regelung, es dürften nur "überwiegend" Blumen, Obst bzw. Backwaren verkauft werden, durch ein "ausschließlich" ersetzt werden sollte. Oder ob eine abgeschlossene Liste von Produkten, die für den Sonntagshandel zugelassen seien, der bessere Weg sei.


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Quelle:
Landtag intern 1 - 43. Jahrgang, 25.01.2012, S. 15
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Februar 2012