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NORDRHEIN-WESTFALEN/1901: Der Islam kommt in die Schule (Li)


Landtag intern 1/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Der Islam kommt in die Schule
Die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts ist beschlossene Sache

Von Sonja Wand


21. Dezember 2011 - Laut Gesetzentwurf der Landesregierung (Drs. 15/2209) soll in Nordrhein- Westfalen islamischer Religionsunterricht an deutschen Schulen eingeführt werden. Die Ausbildung der Lehrkräfte soll an deutschen Hochschulen, der Unterricht nach deutschen Lehrplänen und unter deutscher Schulaufsicht erfolgen. Um die Lehrinhalte festzulegen, ist als Übergangslösung ein religionspädagogisch qualifizierter, staatsunabhängiger Beirat geplant. Denn eine einheitliche islamische Religionsgemeinschaft, die dafür laut Verfassung eigentlich zuständig wäre, gibt es bisher nicht. Das Gesetz ist bis 2019 befristet.


Als fair und zugleich im Eigeninteresse der Gesellschaft empfand Michael Solf (CDU) die Einführung des islamischen Religionsunterrichts. Man wolle den muslimischen Menschen dasselbe zugestehen wie auch allen anderen: Religionsunterricht. Die Gesellschaft profitiere auf der anderen Seite insofern, als der Unterricht gegen Fundamentalismus und religiöse Abschottung wirke. Statt auf blinden religiösen Eifer ziele er auf einen reflektierten, vom Verstand verantworteten Glauben. Zwar gehe die Einrichtung des Unterrichts an rechtliche Grenzen, man nehme die Schwierigkeiten aber in Kauf, weil Integration gelingen müsse.

Das Gesetz lege den Grundstein dafür, dass Kinder muslimischen Glaubens künftig ein ganz normaler Bestandteil des Landes seien, nicht mehr und nicht weniger. "Das ist die eigentliche, positive Botschaft des heutigen Tages", unterstrich Sören Link (SPD). Er räumte ein, dass die konkrete Arbeit nun erst beginne. Es gelte, Lehrkräfte zu finden und auszubilden, Lehrpläne zu erarbeiten und eine Kultur des Wollens an den Schulen zu etablieren. Der Abgeordnete zeigte sich zuversichtlich, dass das Gesetz nach 2019 nicht mehr gebraucht, weil die Frage islamischer Religionsgemeinschaften bis dahin hoffentlich geklärt sein werde.

Arif Ünal (Grüne) sprach von einer historischen Zäsur. Erstmals arbeiteten Staat und muslimische Organisationen auf freiwilliger Basis strukturell zusammen. Ein zehn Jahre alter überparteilicher Konsens im Landtag, die Entwicklung einer gemeinsamen Stimme der muslimischen Verbände und auch die grundsätzliche Unterstützung der christlichen Kirchen zur Einführung eines islamischen Religionsunterrichts hätten dies möglich gemacht. Muslima und Muslime stellten in NRW knapp 10 Prozent der Bevölkerung. Somit hole das Parlament lediglich etwas nach, was längst fällig gewesen sei, erklärte der Grünen-Sprecher.

Ihre Fraktion unterstütze das gemeinsame Ziel eines islamischen Religionsunterrichts, betonte Ingrid Pieper-von Heiden (FDP). Sie habe aber bei der geplanten Beiratslösung verfassungsrechtliche Bauchschmerzen und könne dem Gesetzentwurf deshalb nicht zustimmen. Zwar bedauerte sie, dass sich eine anerkannte islamische Religionsgemeinschaft bisher noch nicht gebildet habe. Bis dies geschehe, müsse der Religionsunterricht aber warten. Ein Scheitern der Übergangslösung vor Gericht könne dem gesamten Anliegen enormen Schaden zufügen und auch das Entstehen einer Religionsgemeinschaft behindern, warnte die Abgeordnete.

Der Gesetzentwurf räume die Bedenken aus der Expertenanhörung nicht aus, kritisierte Gunhild Böth (Linke). "Die Legitimation der Vertreterinnen und Vertreter dieses Beirats ist das ganz große Problem", sagte sie. Zum einen sei die beteiligte Organisation Ditib vom türkischen Staat abhängig, auch finanziell. Zum anderen hätten Verfassungsrechtler moniert, der deutsche Staat greife in die Hoheit der Religionsgemeinschaften ein, wenn das Schulministerium Personen in den Beirat entsende. Außerdem handle es sich bei dem Gesetzesvorhaben nicht um die Einführung eines islamischen, sondern eines sunnitischen Religionsunterrichts.

"Ich halte die gebaute Brücke für stabil und freue mich darauf, sie auch zu benutzen", verteidigte Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) das Beiratsmodell. Ohne Zwischenlösungen werde sich ein zügiges Vorankommen nicht realisieren lassen, zitierte sie einen Wissenschaftler und warb für Verständnis, dass die Politik sich an einer solchen Stelle entscheiden müsse. Der islamische Religionsunterricht ermögliche es vielen Menschen, Deutschland mehr zu ihrer Heimat werden zu lassen. Die Anhörung habe Mut gemacht, und das Vorhaben sei rechtlich gut abgesichert. Das Beiratsmodell sei auf freiwilliger Basis entstanden.


ZUSTIMMUNG Der Gesetzentwurf (Drs. 15/2209) fand mit den Stimmen von CDU, SPD und Grünen gegen die der Linksfraktion bei Enthaltung der FDP eine parlamentarische Mehrheit und wurde angenommen.


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Quelle:
Landtag intern 1 - 43. Jahrgang, 25.01.2012, S. 6
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2012