Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE

NORDRHEIN-WESTFALEN/1888: Jülich oder Ahaus (Li)


Landtag intern 13/2011
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Jülich oder Ahaus
Aktuelle Stunde zu Atomtransporten durch NRW

Von Christoph Weißkirchen


8. Dezember 2011 - Sollen 152 Behälter mit atomar verstrahlten Brennelementekugeln vom Forschungszentrum Jülich ins Zwischenlager Ahaus wandern? Die von der Bundesregierung gewünschten Transporte seien unverantwortlich und müssten verhindert werden, so die rot-grünen Regierungsfraktionen in einer Aktuellen Stunde (Drs. 15/3457). Die Linken teilten die Kritik am Bund, forderten aber den Bau eines neuen Zwischenlagers in Jülich. Der Transport nach Ahaus sei wegen auslaufender Lizenzen und unzureichender Sicherheitslage in Jülich unumgänglich, meinten CDU und FDP (Drs. 15/3458 bzw. Drs. 15/3459).


Von einem "Elefant im Porzellanladen" sprach André Stinka (SPD) mit Blick auf die nun geplanten Atomtransporte von Jülich nach Ahaus. Man arbeite hart daran, dass die Akzeptanz für Industrie und Energiewirtschaft in der Bevölkerung steige. Jetzt werde atomares Material "völlig sinnlos" durchs Land geschickt und die Menschen würden verunsichert. Die Brennelementekugeln dürften nur noch ein einziges Mal transportiert werden, und zwar ins Endlager, so der SPD-Sprecher. Für einen Verbleib in Jülich könne man eine juristisch und sicherheitstechnisch einwandfreie Lösung finden. Allerdings habe der Bund als Haupteigentümer des Forschungszentrums dies nicht gewollt.

Auf den breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens beim Ausstieg aus der Atomtechnik verwies Hans Christian Markert (Grüne). Mit der Entscheidung für den Transport des atomaren Materials habe die Bundesregierung gezeigt, dass sie den Ausstieg nur aus Kalkül mitgetragen habe. Ein Verbleib der Kugeln in Jülich hätte in ihrem Ermessen gelegen. Bundesumweltminister Röttgen werde nun die größten Atomtransporte aller Zeiten in NRW verantworten müssen. Die Bundesregierung stelle sich gegen Beschlüsse von Landesregierung und Landtag, von Innenministerkonferenz und Gewerkschaft der Polizei. Letztere habe auf Kosten und Risiken der Transporte hingewiesen.

Es sei eine "inszenierte Angstkampagne", meinte dagegen Dietmar Brockes (FDP). Rot-Grün scheue nicht davor zurück, dieses "überaus sensible" Thema in verantwortungsloser Art und Weise zu missbrauchen. Der Bund habe die Voraussetzungen für eine rechtlich wie auch faktisch sichere Lagerung der Brennelementekugeln in Jülich geschaffen. Landesumweltminister Remmel dagegen habe geltende Vereinbarungen ohne Not aufgekündigt. "Damit ist das Ihr Atommüll", betonte Brockes. Nach Mitte 2013 gebe es nur noch eine Möglichkeit, den Atommüll rechtlich zulässig aufzubewahren, und das sei in Ahaus. Ansonsten müsse man in Jülich ein komplett neues Lager bauen.

Den Aufschrei habe Rot-Grün von langer Hand geplant, kritisierte Lutz Lienenkämper (CDU). Im Februar habe die Landesregierung erklärt, die 152 radioaktiven Behälter sollten in Jülich verbleiben. Dann habe sie gewartet, bevor sie "zufällig" zeitgleich mit den Protesten in Gorleben einen entsprechenden Antrag eingereicht habe. "Sie kümmern sich um gar nichts", meinte der CDU-Sprecher mit Verweis auf die Sorgen der Menschen in Jülich, einem Standort mit aus seiner Sicht vergleichsweise schlechter Sicherheitslage. Die Landesregierung sage nicht, was sie gegen eine mögliche ungenehmigte Lagerung tun wolle oder was das Forschungszentrum konkret unternehmen solle.

Als "teure, riskante und überflüssige atomare Irrfahrt" bezeichnet Michael Aggelidis (Linke) den geplanten Transport des atomaren Materials. Dieser werde massive Polizeieinsätze notwendig machen. Insofern unterstütze er die Kritik an der schwarzgelben Bundesregierung, so der Linken-Sprecher. Er forderte allerdings auch, dass die rot-grüne Landesregierung alle Möglichkeiten ausschöpfe, um die geplanten Transporte zu unterbinden. Trotz Atomausstiegs werde in Deutschland noch über viele Jahre Atommüll produziert. Daher müsse man die Suche nach einem Endlager für dieses Material verstärken. Bis dahin sei ein neues Zwischenlager in Jülich notwendig.

Die Landesregierung habe immer wieder deutlich gemacht, dass "wir Atomtransporte in Nordrhein-Westfalen verhindern wollen", erklärte Wirtschaftsminister Harry Kurt Voigtsberger (SPD). Der Bund habe aber nur diese Option verfolgt und ein Zwischenlager in Jülich abgelehnt. Die Landesregierung habe in Gesprächen über dieses Thema betont, dass die Brennelemente nur noch ein Mal und zwar in Richtung Endlager bewegt werden sollten. Sie habe unnötige Transporte vermeiden wollen, während der Bund angestrebt habe, das Forschungszentrum Jülich brennstofffrei zu machen. Die Hoffnung auf eine Neubewertung dieses Standorts nach der Energiewende hätte sich aber leider zerschlagen. Diese Auffassung unterstrich auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD).


*


Quelle:
Landtag intern 13 - 42. Jahrgang, 21.12.2011, S. 3
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Eckhard Uhlenberg, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
Postfach 10 11 43, 40002 Düsseldorf
Telefon (0211) 884-25 45, -23 04, -23 09
Telefax (0211) 884-35 51
email@landtag.nrw.de
Internet: www.landtag.nrw.de, www.landtagintern.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2012