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BAYERN/2952: Klage Bayerns gegen Länderfinanzausgleich parteipolitisch und wahltaktisch motiviert (SPD)


Pressemitteilung der SPD-Landtagsfraktion vom 17.07.2012

Ude vor SPD-Fraktion: Klage Bayerns gegen Länderfinanzausgleich von Staatsregierung parteipolitisch und wahltaktisch motiviert



Die angekündigte Klage der Bayerischen Staatsregierung gegen den Länderfinanzausgleich ist aus Sicht des designierten SPD-Spitzenkandidaten zur Landtagswahl 2013, Christian Ude, rein parteipolitisch und wahltaktisch motiviert. Als Gast der wöchentlichen Sitzung der SPD-Landtagsfraktion sprach Ude am Dienstag (17.7.) von der "Wahlkampfaktion 'Karlsruher Klage'". Klaglos habe die Staatsregierung das angeblich schreiende Unrecht über ein Jahrzehnt hingenommen und jetzt so spät vor dem nächsten Landtagswahltermin eine Klage eingereicht, "dass die befürchtete Klageabweisung erst nach der Landtagswahl erfolgt und nur noch die Nachfolgeregierung belastet".

Bei einem Pressebriefing am Rande der Fraktionssitzung erklärte Ude:

Der Rechtsstreit müsste unter dem Titel "CSU gegen CSU wegen Selbstschädigung" geführt werden. Der Länderfinanzausgleich ist nämlich 2001 vom damaligen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber ausgehandelt und als "Sternstunde des Föderalismus" gefeiert worden; anschließend wurde er von Bundestagsabgeordneten wie Horst Seehofer, Peter Ramsauer und Gerda Hasselfeldt in Gesetzesform gegossen. Die CSU-geführte Staatsregierung will also gegen Abkommen der CSU-Alleinregierung klagen sowie gegen gesetzliche Vorschriften, denen ihr eigener Ministerpräsident als Bundestagsabgeordneter zugestimmt hat.

In der Klagschrift wird die CSU sich selbst bezichtigen müssen, den Freistaat Bayern in verfassungswidriger Weise benachteiligt zu haben. Es dürfte in der Geschichte des höchsten deutschen Gerichtes einmalig sein, dass eine Landesregierung sich als eine Klagepartei derartig selber des verfassungswidrigen Treibens und der Benachteiligung des eigenen Landes bezichtigt. Je überzeugender die Klagschrift diesen Vorwurf begründet, desto dringlicher wird die Abwahl einer nach eigenem Eingeständnis verfassungswidrig und bayernfeindlich agierenden Landesregierung dargelegt.

Zur Entschuldigung wird ausgeführt, dass der Finanzausgleich "aus dem Ruder" gelaufen sei. Mit dieser Ausrede bezichtigt sich die Staatsregierung auch noch eines unverantwortlichen Dilettantismus in finanzpolitischen Fragen.

Eine sozialdemokratisch geführte Staatsregierung wird nur finanzpolitischen Abkommen und Gesetzen zustimmen, die vorher unter verschiedenen Annahmen für die wirtschaftliche Entwicklung durchgerechnet worden sind. Wer von den Auswirkungen seiner eigenen Regelwerke überrascht wird, hat sie offenbar höchst fahrlässig zustande kommen lassen.

Es fällt auf, dass die Leistungen des Finanzausgleichs über ein Jahrzehnt lang (!) klaglos gezahlt wurden, als in Nordrhein-Westfalen Parteifreund Jürgen Rüttgers regierte. Ein Handlungsdruck entstand für die Staatsregierung offenkundig erst, als Hannelore Kraft Ministerpräsidentin wurde und in diesem Jahr Rot-Grün in NRW im Amt bestätigt worden ist.

Dies offenbart den parteipolitischen Charakter der Wahlkampfaktion "Karlsruher Klage". Der Zeitpunkt der Klageerhebung ist aber nicht nur parteipolitisch motiviert, sondern auch von tiefer Ängstlichkeit geprägt: Das schreiende Unrecht zu Lasten Bayerns wurde über ein Jahrzehnt lang klaglos hingenommen und die Klage soll jetzt so spät eingereicht werden, dass die befürchtete Klageabweisung erst nach der Landtagswahl erfolgt und nur noch die Nachfolgeregierung belastet.

Obwohl im Karlsruher Prozess die Verfassungswidrigkeit eines Bundesgesetzes dargelegt werden soll, hat das Dreier-Bündnis Merkel-Seehofer-Rösler auf Bundesebene noch keinerlei Initiative ergriffen, um die angeblich verfassungswidrigen Zustände abzustellen. Das Gleiche gilt für den deutschen Bundesrat, in dem Schwarz-Gelb bis Mai 2010 eine Mehrheit gehabt hätte.

Horst Seehofer und die CSU konnten und können also offenbar nicht einmal die eigene Bundesregierung und die eigenen Parteifreunde von der verfassungswidrigen Benachteiligung Bayerns überzeugen und die in der Tat überfälligen Verbesserungen für Bayern politisch durchsetzen. Von dieser totalen Isolierung im schwarz-gelben Teil der politischen Landschaft soll mit Beschimpfungen der SPD offenbar abgelenkt werden.

Die Staatsregierung geht mit der angekündigten Klage das Risiko einer Klageabweisung ein. Sie hat offensichtlich den Kampf gegen angeblich schreiendes Unrecht jahrelang hinausgezögert, um dieses Risiko der eigenen Vorgehensweise auf die Nachfolgeregierung abwälzen zu können.

Sollte die Klage abgewiesen werden, würde dies die Verhandlungsposition des Freistaats Bayern schwächen und schädigen, weil sich alle Nehmerländer auf die Verfassungsmäßigkeit berufen könnten und dies nicht nur beim Versuch von Nachverhandlungen, sondern auch bei den für 2019 anstehenden Neuverhandlungen vorbringen könnten. Mit dem vermeintlich imposanten Theaterdonner wird also möglicherweise die Position Bayerns nachhaltig geschwächt.

Darüberhinaus besteht sogar die Gefahr einer Verschlechterung: Das Bundesverfassungsgericht könnte nämlich - nachdem die Rolle der Gemeinden auch beim Fiskalpakt mit Recht betont worden ist - die kommunale Finanzsituation in den finanziellen Ländervergleich einbeziehen, was für Bayern auf eine Mehrbelastung hinauslaufen würde. Die Eingehung solcher Risiken erscheint unvertretbar, solange der Klageweg nicht tatsächlich die "ultima ratio" zur Wahrnehmung bayerischer Interessen ist.

Ein Länderfinanzausgleich zwischen 16 Bundesländern erfordert einen komplexen Interessensausgleich. Mit ihrem Solo-Auftritt als Wahlkampfauftakt wird die Staatsregierung die Reihen der Geberländer durcheinanderwirbeln und die Nehmerländer zusammenschweißen. Eine Suche nach Mehrheiten kann man nicht dümmer anstellen.

Eine sozialdemokratisch geführte Landesregierung wird versuchen, unabhängig von Wahlterminen und Selbstdarstellungswünschen eine Koalition der Geberländer zu bilden und Mehrheiten für eine Korrektur mit dem Ziel einer Entlastung der hauptbetroffenen Geberländer zu schaffen.

In der Sache ist die Position der bayerischen SPD seit vielen Jahren klar und auch im Bayerischen Landtag immer wieder dargelegt worden: Die Belastung von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen im Rahmen des Finanzausgleichs ist zu groß, der Beitrag der Geberländer müsste limitiert werden und den Geberländern müsste auf jeden Fall der Anreiz verbleiben, von staatlichen Mehreinnahmen auch selbst zu profitieren und diese Mittel nicht in den Ausgleich stecken zu müssen.

Nach 55 Jahren beklagt die CSU eine angeblich verfassungswidrige Benachteiligung Bayerns durch den Länderfinanzausgleich - sie trägt damit nicht nur den Anspruch, Bayerns Interessen gut vertreten zu haben, kleinlaut zu Grabe, sondern auch den Anspruch, in der deutschen Politik Einfluss und Macht gehabt zu haben.

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Quelle:
Pressestelle der BayernSPD-Landtagsfraktion
Bayerischer Landtag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juli 2012