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INNEN/3931: Brüderle zu aktuellen politischen Themen


Presservice der Liberalen / F.D.P. Bundestagsfraktion - 12.06.2012

BRÜDERLE zu aktuellen politischen Themen



BERLIN. Zu den aktuellen politischen Fragen des heutigen Tages erklärte der FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer BRÜDERLE vor Medienvertretern:

Heute geht es in der Fraktionssitzung sicherlich um den Euro. Wir haben den Euro immer als ein politisches Projekt gesehen, nicht nur als ökonomische Determinante. Aber der Euro muss eben auch weiterhin einen soliden Weg nehmen. Es ist gut, dass Spanien sich entschlossen hat, Hilfe in Anspruch zu nehmen, um das Bankensystem zu rekapitalisieren. Die Banken sind immer der Schlüsselbereich, der Blutkreislauf einer Volkswirtschaft. Spanien hat in der Realwirtschaft eigentlich gute Fortschritte gemacht, aber eine Immobilienblase, die eng verbunden ist mit dem Banksektor, fordert jetzt ihren Tribut. Der Weg, die Banken zu stabilisieren und wieder handlungsfähig zu machen, ist richtig.

Bei Griechenland liegen die Probleme völlig anders. Die griechische Volkswirtschaft hat große Strukturprobleme. Jetzt sind die Blicke auf die Wahlen am 17. Juni in Griechenland gerichtet. Es bedarf einer handlungsfähigen Mehrheit, die die Vereinbarung mit den europäischen Partnern dann auch umsetzt.

Wir streben in Deutschland an, die Entscheidung zum Fiskalpakt und zum ESM möglichst bald über die parlamentarischen Hürden zu bringen. Deshalb möglichst bald, weil es ein starkes Signal ist für die Kapital- und Finanzmärkte. Und angesichts der Bankenkrise in Spanien ist es notwendiger denn je. Die Wirtschaft kommt nur in Gang, wenn wir Vertrauen herstellen können. Vertrauen in Kapitalmärkte, die die staatlichen Aufgaben erfüllen, damit sie sich finanzieren können. Vertrauen aber auch für private Investitionen. 90 Prozent der Investitionen sind private Investitionen. Wenn man kein Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung in den Ländern hat, finden die Investitionen nicht statt. Wenn diese nicht stattfinden, gibt es auch keine neuen Arbeitsplätze, werden Arbeitsplätze nicht erhalten. Deshalb ist eine Handlungsfähigkeit in Deutschland, dem stärksten Land Europas, entscheidend. Wir haben quasi den Fiskalpakt erfunden und so die deutsche Schuldenbremse auf die europäische Ebene übertragen. Deshalb sollte man der gemeinsamen europäischen Verantwortung der deutschen Parteien gerecht werden und bald zu Ergebnissen kommen. Die Gespräche werden morgen unter Leitung der Bundeskanzlerin fortgesetzt. Und es werden die notwendigen Entscheidungen vor der Sommerpause im Bundestag und Bundesrat zu treffen sein.

Es gibt eine Reihe von Themen, die in den Verhandlungen diskutiert werden. In der Opposition ist leider ein Abweichen von dem festzustellen, was die Verhandlungsführer für das morgige Gespräch auf den Weg gebracht haben. Wir haben es ermöglicht, dass man sich in der Frage der Besteuerung der Finanzmärkte leichter finden kann. Wir wollen negative Folgen vermeiden: Die Verlagerung von Finanzgeschäften von Frankfurt zum Beispiel nach London, den Abbau von Arbeitsplätzen in Deutschland, die Verhinderung von Nachteilen für deutsche Kleinsparer und keine Benachteiligung des deutschen Wirtschaftsstandortes. Das sind unsere Bedenken, die wir bei dieser Besteuerung immer gehabt haben. Und die anderen Parteien haben gesagt, das sei nicht so, das könne man regeln. Wir warten auf die konkreten Vorschläge.

Schuldentilgungsfonds: Davon halte ich überhaupt nichts. Das heißt nichts anderes, als dass wir die Schulden, die die Staaten über die Maastrichtgrenze, im Stabilitäts- und Wachstumspakt von maximal 60 Prozent hinaus gemacht haben, in einen gemeinsamen Topf werfen und vergemeinschaften. Das sind in der Summe 2.000 Milliarden Euro oder zwei Billionen. Für mich wäre das Schuldensozialismus. Es würden quasi die Schulden der Anderen vergemeinschaftet. Das kann kein sinnvoller Weg sein, genauso wenig wie Eurobonds. Einheitszinssätze, ob gute oder schlechte, das Aussetzen des Zinsmechanismus, des Marktmechanismus, das ist für mich Zinssozialismus. Sozialismus ist nicht der richtige Weg, um Europa zu ertüchtigen, in der Wettbewerbsfähigkeit mit anderen Regionen in der Welt stärker zu machen.

Ein weiteres Thema ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Wir laufen Gefahr, dass die Überförderung zu einer Explosion der Strompreise führt. Deshalb ist dringend eine Novellierung des EEG notwendig, damit Förderungen und Strukturen auf ein vernünftiges Maß reduziert oder konzentriert werden. Energie muss umweltfreundlich sein, muss sicher verfügbar sein, aber auch bezahlbar bleiben.

Frage: Herr Brüderle, sehen Sie noch Gesprächsbedarf beim Thema Betreuungsgeld, auch nach der jüngsten OECD Studie?

BRÜDERLE: Wir haben eine Koalitionsvereinbarung geschlossen. Das Thema war nie unser Herzensanliegen, aber Freie Demokraten sind vertragstreu. Wir werden unsere Vereinbarung unsererseits halten und warten die Diskussion beim Koalitionspartner ab.

Frage: Glauben Sie, dass es eine Mehrheit dafür gibt im Bundestag?

BRÜDERLE: Ich glaube ja.

Frage: Glauben Sie denn ernsthaft, dass auf europäischer Ebene diese Finanztransaktionssteuer / Börsensteuer in der Tat bis zum Herbst 2013 auch von allen verabschiedet worden ist, dass sie letztlich dann auch greifen kann?

BRÜDERLE: Es wird sicherlich Zeit benötigen, aber es geht mir darum, dass wir in den Verhandlungen mit den Oppositionsvertretern eine gemeinsame Lösung finden, damit Deutschland möglichst schnell - zur Beruhigung der Märkte und der Stabilität der europäischen Entwicklung - seine Fiskalpakt- und ESM-Zusagen umsetzen kann.

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2012