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PRESSEKONFERENZ/1999: Regierungspressekonferenz vom 21. Februar 2020 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 21. Februar 2020
Regierungspressekonferenz vom 21. Februar 2020

Themen: Anschlag in Hanau, Lage in Syrien, Novellierung der Düngeverordnung, Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Bundeszollverwaltung

Sprecher: SRS'in Demmer, Kushnerovich (BMI), Kempe (BMFSFJ), Breul (AA), Frischemeyer (BMEL), Haufe (BMU), Kuhn (BMF), Stoltenberg (BMAS)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'in Demmer sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS'in Demmer: Auch wenn der Anschlag in Hanau hier schon eine Stunde lang ein Thema war und die Kanzlerin sich gestern auch persönlich geäußert hat, möchte ich hier noch einmal für die Bundesregierung tiefe Bestürzung über diese abscheuliche und durch nichts zu rechtfertigende Gewalttat zum Ausdruck bringen und sie auf das Schärfste verurteilen. Die Bundesregierung und alle staatlichen Institutionen stehen für die Rechte und die Würde eines jeden Menschen in unserem Land. Wir unterscheiden Bürger nicht nach Herkunft oder Religion. Wir stellen uns denen, die versuchen, Deutschland zu spalten, mit aller Kraft und Entschlossenheit entgegen.

Neben diesem Thema möchte ich gern noch auf ein weiteres hinweisen:

Aufgrund der Dringlichkeit und der Aktualität dürfen wir nicht vergessen, welches Leid die Menschen in Syrien, insbesondere rund um Idlib, erleiden. Die Bundeskanzlerin hat dazu gestern gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Macron und dem russischen Staatspräsidenten Putin telefoniert. Der Europäische Rat, der ja ansonsten zurzeit monothematisch zur mittelfristigen Finanzplanung tagt, hat dazu gestern eine Erklärung abgegeben, die ich hier gern vortragen möchte:

"Die erneute Militäroffensive in Idlib durch das syrische Regime und seine Unterstützer, die enormes menschliches Leid verursacht, ist nicht hinnehmbar. Die EU fordert alle Akteure auf, die Feindseligkeiten unverzüglich einzustellen.

Die EU appelliert an alle Konfliktparteien, ihre Pflichten nach dem humanitären Völkerrecht und den internationalen Menschenrechtsnormen in vollem Umfang zu achten und den ungehinderten und unmittelbaren humanitären Zugang zu allen Bedürftigen zu ermöglichen.

Die EU wiederholt mit größtem Nachdruck ihren Aufruf an alle Parteien, einen dauerhaften Waffenstillstand herbeizuführen, den Schutz der Zivilbevölkerung zu garantieren und ihre Zusagen im Rahmen des Memorandums von Sotschi vom 17. September 2018 vollständig umzusetzen. Die EU unterstützt eine glaubwürdige politische Lösung im Einklang mit der Resolution 2254 des VN-Sicherheitsrats und dem Genfer Kommuniqué.

Es ist von äußerster Bedeutung, dass die Rechenschaftspflicht für Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der internationalen Menschenrechtsnormen gewährleistet wird. Aus diesem Grund bekräftigt die EU ihre Forderung, den Internationalen Strafgerichtshof mit der Lage in Syrien zu befassen.

Die EU ist entschlossen, ihre humanitäre Hilfe für die äußerst schutzbedürftige Zivilbevölkerung in der Region Idlib zu verstärken."

Frage (zum Anschlag in Hanau): Ich habe noch ein paar offene Fragen von vorhin. Der Minister Horst Seehofer sprach unter anderem von einer Durchsuchung und Beschlagnahmung von Mengen von Sprengstoff, Handgranaten und Kalaschnikows. Das hat jetzt nichts mit Hanau, soweit ich weiß, zu tun. Könnten Sie das vielleicht etwas quantifizieren? Um welchen Fall handelt es sich dort? Um wie viele Mengen und welche Art von Sprengstoff handelt es sich da?

Kushnerovich: Ich kann Ihnen Informationen dazu nachliefern, eventuell schon im Laufe der RegPK. Wir kümmern uns gerade darum, dass die Details zusammengetragen werden.

Zusatzfrage: Zusätzlich würde mich interessieren, vielleicht vom Familienministerium: Nach dem Anschlag in Halle gab es ja auch Forderungen von Franziska Giffey, das sogenannte Demokratiefördergesetz auf den Weg zu bringen. Können Sie uns dazu eine aktuelle Einschätzung geben? Ist das jetzt, sozusagen durch diese Vorfälle, noch einmal Thema bei Ihnen im Haus? Wird das noch einmal politisch avisiert?

Kempe: Lassen Sie mich zunächst einmal sagen, dass auch wir, dass auch die Ministerin entsetzt und fassungslos über das ist, was in Hanau geschehen ist. Sie spricht den Angehörigen der Opfer ihre tiefe Anteilnahme aus und wünscht den Verletzten schnelle Genesung.

Wir denken natürlich auch an die vielen Menschen, die jetzt Angst haben, selbst Opfer von rechtem Terror zu werden, zum Beispiel wegen ihres Aussehens, ihrer Herkunft oder Religion. Unsere Botschaft muss sein: Wir stehen als Gesellschaft eng zusammen und weichen keinen Millimeter vor Extremisten und Terroristen zurück, die unsere Demokratie zerstören wollen.

Aus unserer Sicht gibt es nicht die Antwort auf die Frage, was gegen die Gefahr von rechts getan werden muss. Klar aber ist, dass wir neben dem entschlossenen Vorgehen der Sicherheitsbehörden auch die Prävention stärken und unsere vielfältige Demokratie aktiv verteidigen müssen.

Wir tragen dazu unseren Teil durch Demokratieförderung und Präventionsarbeit bei, vor allem im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben". Dieses Programm ist das umfangreichste und mit 150,5 Millionen Euro jährlich das finanzstärkste Programm auf diesem Gebiet und einzigartig in Europa.

Prävention und Demokratieförderung sind deswegen auch so wichtig. Es ist kein Projekt, sondern eine Daueraufgabe. Insofern müssen wir auch hier noch einmal sagen, dass wir es für erforderlich halten, dass wir ein Demokratiefördergesetz bekommen, das für stabile Strukturen sorgt und die Finanzierung garantiert. Wie Sie richtig sagen: Darauf hat die Ministerin mehrfach hingewiesen. Wir bleiben dran. Wir finden, dafür ist es höchste Zeit.

Frage: Nur eine kurze Nachfrage an das Innenministerium: Der Herr Innenminister hatte gesagt, dass er sehr bestürzt über die sehr große Menge an Handgranaten und Kalaschnikows gewesen sei. Er habe auch mit der Kanzlerin darüber gesprochen. Sie kennen diesen Vorgang noch nicht genau, verstehe ich. Können Sie schon sagen, ob das etwas mit den Durchsuchungen bei den zwölf mutmaßlichen Rechtsterroristen zu tun hat? Hat das etwas mit diesem Fall zu tun, oder ist das wieder ein ganz anderer Fall?

Kushnerovich: Wir kennen den Vorgang natürlich. Wie gesagt: Ich kann Ihnen das bestätigen, was der Minister gesagt hat. Die Ausführungen dazu haben Sie ja gehört. Weitere Details dazu kann ich Ihnen gegebenenfalls nachliefern.

Frage: Gleicher Themenkomplex: Der "Spiegel" hat zum Thema "Gruppe S." berichtet, dass der eine terrorverdächtige Polizeimitarbeiter vor einigen Jahren an der Vergabe von Waffenscheinen beteiligt gewesen sein soll. Er soll unter anderem kontrolliert haben, wer einen Waffenschein bekommt. Können Sie erklären, wie das möglich ist und wie man das in Zukunft vermeiden kann?

Kushnerovich: Auch dieser Aspekt ist uns natürlich bekannt. Aber an dieser Stelle kann ich zu den laufenden Ermittlungen nichts ausführen. Ganz grundsätzlich wäre in diesem Zusammenhang - zu dem zweiten Teil Ihrer Frage bezüglich dessen, was wir vorhaben oder was dagegen zu tun ist - auf die Einrichtung eines Referats im Bundesverfassungsschutz hinzuweisen, das sich genau mit solchen Fragestellungen, nämlich mit rechten Umtrieben im öffentlichen Dienst, befassen soll. Die Gründung dieser Einheit hat ja bereits 2019 stattgefunden. Damit begegnen wir dieser Problemstellung und werden da in Zukunft sehr aktiv werden.

Frage: Ich war gestern in Hanau. Da waren sehr viele Menschen aus Deutschland - Bürger, Politiker, der Bundespräsident. Aber es gab auch sehr viel internationale Aufmerksamkeit. Ich glaube, aus der gesamten Welt sind Kollegen dahin gereist. Dieser Komplex, was passiert ist, ist nicht ganz neu. Das sieht man schon einige Jahre. Viele Leute haben sofort an Mölln und Solingen gedacht und auch an andere Attentate, die es gegeben hat.

Meine Frage ist: Sorgt sich die Bundeskanzlerin in Anbetracht dieses Komplexes auch um das internationale Image von Deutschland, wenn jetzt diese Attentate in immer kürzeren Distanzen stattfinden und wenn Ausländer in Deutschland einfach abgeknallt werden? In diesem Fall muss man das so sagen.

SRS'in Demmer: Die Bundeskanzlerin hat ja gestern deutliche Worte gefunden. Ich kann hier nur noch einmal wiederholen: Die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin stellen sich klar und entschieden gegen jede Form von Hass und Fremdenfeindlichkeit. Es ist unsere Aufgabe, sich dem entgegenzustellen und für die Werte einzustehen, die uns wichtig sind.

Es ist also innenpolitisch ein wichtiges Thema. Sie haben hier die Pressekonferenz des Bundesinnenministers und der Justizministerin verfolgt. Ich glaube, Sie waren sogar da. Grundsätzlich geht es darum, diese Probleme hier zu lösen.

Zusatzfrage: Ich verstehe das sehr gut. Ich habe gut zugehört, und ich denke auch, dass Sie alles Mögliche machen. Nur wenn diese Dinge stattfinden, dann stelle ich mir die Frage - deshalb noch einmal die Wiederholung der Frage -, ob Sie besorgt sind, dass das internationale Image von Deutschland Schaden nehmen könnte, wenn Menschen aus anderen Ländern, die hierhin kommen, die hier arbeiten und wohnen, getötet werden. Das ist ja auch ein Bild von Deutschland, das in diesen Tagen um die Welt geht.

SRS'in Demmer: Ich würde gern - ich merke schon, der Kollege möchte gern sprechen - noch einmal betonen, dass es für die Bundesregierung zuvorderst wichtig ist, durch konkrete Politik und konkrete Entscheidungen dafür zu sorgen, dass der Zusammenhalt hier in Deutschland größer und nicht Kleiner wird und dass der Zusammenhalt aller, die dauerhaft in Deutschland leben, egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund, hier funktioniert, und zwar angstfrei. Das ist uns wichtig. Das ist zuvorderst wichtig.

Breul: Ich kann vielleicht nur kurz ergänzen: Ich denke, der Bundespräsident hat in Yad Vashem eine sehr bewegende Rede gehalten, die diesen Aspekt noch einmal betont. Er hat auch erwähnt, dass wir uns natürlich bewusst sind, dass wir international unter Beobachtung stehen und gerade solche Vorfälle im Ausland besonders aufmerksam verfolgt werden. Das ist selbstverständlich.

Frau Demmer hat gerade richtig gesagt: Das nehmen wir ernst, das nehmen wir wahr. Wir brauchen das aber nicht um zu erkennen, wie ernst dieses Problem ist. Wir bekämpfen den Rechtsextremismus in Deutschland nicht aus der Überzeugung heraus, dass wir glauben, er schade unserem Bild im Ausland. Diesen Punkt würde ich gern unterstreichen.

Ich möchte hinzufügen: Wir möchten uns - das hat der Außenminister gestern auch schon getan - ausdrücklich für die vielen Botschaften aus aller Welt der Anteilnahme und Solidarität im Kampf gegen solche Taten bedanken. Davon gab es gestern und heute noch einmal sehr viele. Dafür sind wir unendlich dankbar.

Frage: Das BMEL hat eben bekanntgegeben, dass die Düngeverordnung heute fristgerecht nach Brüssel, an die Länder, gegangen ist, nachdem man sich offenbar auch mit der EU hatte einigen können. Das Thema kam ja am letzten Mittwoch hier schon zur Sprache. Was hat sich nun geändert? Was wurde an den Entwürfen geändert, sodass die Kommission nun einverstanden ist und das fristgerecht herausgehen konnte?

Frischemeyer: Davon können Sie sich in wenigen Minuten selbst ein Bild machen. Wir werden den Referentenentwurf online stellen, sodass Sie die Möglichkeit haben, das zu vergleichen. Wir haben ja immer gesagt, dass wir den laufenden Prozess nicht dokumentieren und auch nicht kommentieren möchten. Daran würde ich mich jetzt halten. Er ist also gleich online gestellt; das heißt, Sie können einen Blick hineinwerfen.

Zusatzfrage: Aber Sie könnten mir die Arbeit deutlich erleichtern, wenn Sie mir sagen würden, worauf ich achten soll.

Frischemeyer: Die Binnendifferenzierung war ein großes Thema. Das wird auch nach wie vor so sein. Die Herbstdüngung und die Aussparung des Düngers auf gefrorenem Boden waren wichtige Themen; schauen Sie da einmal hinein. Ansonsten schauen Sie sich den Referentenentwurf an.

Zusatzfrage: Das BMU war ja auch an der Sache beteiligt. Vielleicht können Sie es ein bisschen schärfer eingrenzen.

Haufe: Ja, ich kann Ihnen die wirksamsten Änderungen nennen. Es geht ja hier vor allen Dingen um den Gewässerschutz und den Grundwasserschutz. Dementsprechend sind die Gewässerabstände zwischen den Ackerflächen, auf denen gedüngt wird, und den jeweiligen Gewässern, die in der Nähe sind, deutlich erweitert worden. Es sind dann diese Areale, in denen nicht gedüngt werden darf.

Dann haben wir noch die Sperrfristen verschärft, also Zeiträume festgelegt, in denen bestimmte Dünger nicht ausgetragen werden dürfen. Auch sie sind ausgeweitet worden. Außerdem ist die Ausbringung bestimmter Düngemittel in bestimmten Zeiträumen untersagt. Ganz entscheidend ist natürlich, dass in den sogenannten roten Gebieten, also dort, wo besonders hohe Nitratbelastungen im Grundwasser auftreten, die Düngemenge, die ein Landwirtschaftsbetrieb ausbringen darf, deutlich reduziert werden soll, nämlich um 20 Prozent.

Aber ganz wichtig dabei ist folgender Hinweis für die Landwirte: Jeder Betrieb entscheidet für sich selbst, wie er das umsetzt. Er kann also je nach Feldsituation, je nach Ackersituation entscheiden, wo er mehr düngt und wo er weniger düngt. Er muss eben in der Gesamtbilanz in diesen bestimmten Gebieten insgesamt auf eine Verringerung um 20 Prozent kommen.

Die Kollegin hat die Binnendifferenzierung schon angesprochen. Das ist ein Fachbegriff, der in diesem Zusammenhang immer wieder auftaucht. Dabei geht es einfach darum, dass sich in bestimmten Gebieten mit hoher Nitratbelastung auch Areale befinden, in denen die Grundwasserbelastung nicht so stark ausfällt und der Grenzwert eingehalten wird. Hierzu bestand gerade von Seiten der Bauern und der Landwirtschaft der Wunsch, doch nicht alle quasi - in Anführungszeichen - in Haftung zu nehmen, sondern dort, wo sich Landwirte gewässerschonend verhalten, von diesen Regelungen eine Ausnahme zu machen.

Generell gelten in den roten Gebieten immer Ausnahmen für Betriebe, die heute schon gewässerschonend Landwirtschaft betreiben und die in einer Form besonders umweltschonend arbeiten. Diese Betriebe sind von diesen Regelungen weitgehend ausgenommen.

Vielleicht so viel zum Inhalt der Düngeverordnung.

Nun noch zum Verfahren: Wir haben jetzt seitens der Bundesregierung die Düngeverordnung an die Länder, also an den Bundesrat, überwiesen. Dort muss jetzt über sie beraten werden. Dann soll sie am 3. April beschlossen werden. Das ist erst einmal der formale Schritt.

Ich würde gern auch noch einmal klarstellen wollen, dass es um einen Entwurf geht, den die Bundesregierung ressortabgestimmt beschlossen hat. Denn ich habe gesehen, dass in den Medien teilweise berichtet wird, die Bundesregierung hätte sich nicht in Gänze hinter diese Verordnung gestellt. Wir haben eine Ministerverordnung gemacht. Diese geht an den Bundesrat. Damit gibt es einen klaren Beschluss seitens der Bundesregierung, und dieser ist, wie gesagt, mit allen Ressorts inhaltlich abgestimmt.

Frage: Können Sie schon sagen, wann der Entwurf online gestellt wird?

Können Sie sagen, inwieweit die Inhalte für die Länder noch verhandelbar sind, da der Entwurf ressortabgestimmt ist? Sehen Sie noch einen Verhandlungsspielraum und Nachbesserungsmöglichkeiten für die Länder, oder steht dieser Entwurf eigentlich schon endgültig fest?

Frischemeyer: Ich kann beide Fragen beantworten. Der Entwurf wird zeitnah online gestellt. Mir hat man gesagt, das werde mittags geschehen.

Zum Verhandlungsspielraum für die Länder: Ich kann natürlich nicht für den Bundesrat sprechen. Aber natürlich können Änderungsanträge zu dieser Düngeverordnung gestellt werden. Theoretisch wäre es auch möglich, die gesamte Düngeverordnung noch einmal umzupflügen. Das ist aber ganz klar weder unser Interesse noch unser Ziel. Sprich, es gibt diese Möglichkeit theoretisch, aber damit rechnen wir nicht. Wir gehen davon aus, dass die Düngeverordnung die Länderkammer im Großen und Ganzen so passiert. Sehr viel Spielraum, um auf Ihre Frage zurückzukommen, haben wir dabei nicht.

Haufe: Die Kollegin hat es angedeutet. Ich will noch einmal auf die Rahmenbedingungen hinweisen. Wir befinden uns in einem Vertragsverletzungsverfahren, das sich im allerletzten Stadium befindet. Das passiert zum Glück nicht so oft. Aber das heißt, dass wir vor einer Zwangsgeldzahlung stehen. Die EU-Kommission selbst hat uns im Verfahren immer wieder deutlich gemacht, dass es jetzt wirklich auf ein Maßnahmenprogramm ankommt, das den Grundwasserzustand in Deutschland verbessert, und dass es jetzt endlich dazu kommt, dass die EU-Nitratrichtlinie eingehalten wird, die wir seit mittlerweile über acht Jahren nicht einhalten. 2012 ist das Verfahren angestrengt worden. Die Grenzwerte halten wir noch längere Zeit nicht ein, nämlich seit fast 15 Jahren.

Die Kollegin hat es gerade gesagt. Der Bundesrat könnte die Düngeverordnung in dieser Form beschließen. Wenn er sie in dieser Form beschließt, dann sind wir zuversichtlich, dass die Europäische Kommission das Verfahren, wie es jetzt ist, nicht weiterführt. Aber von uns hier kann niemand für die Europäische Kommission sprechen. Es ist und bleibt die Entscheidung der EU-Kommission, am Ende darüber zu richten.

Zusatzfrage: Was wird Ihrer Meinung nach geschehen, wenn der Bundesrat sie nicht beschließt? Wer müsste aus Ihrer Sicht das Zwangsgeld bezahlen?

Haufe: Über die Zahlung des Zwangsgeldes würden wir dann in der Bundesregierung noch einmal im Detail sprechen müssen. Die Bundesregierung würde es aus ihrem Etat zahlen müssen. Ich hoffe, dass es nicht so weit kommt. Ich hoffe, dass wir uns mit dieser Frage nie beschäftigen müssen. Das hält die Bundesumweltministerin auch allen Beteiligten noch einmal sehr klar vor Augen.

Wir sind darum bemüht, kein Zwangsgeld zahlen zu müssen, kein Steuergeld für diese Strafe, die uns dann drohen würde, bereitstellen zu müssen. Das sagt die Bundesumweltministerin auch in Richtung aller Beteiligten, die jetzt am Zug sind. Wir haben unsere Arbeit als Bundesregierung an der Stelle erst einmal erledigt; jetzt ist der Bundesrat dran.

Vorsitzender Mayntz: Richtete sich die Frage, wie es mit diesen Zahlungen laufen würde, auch an das Finanzministerium?

Kuhn: Wie bei allen Vertragsverletzungsverfahren gibt es den Grundsatz, dass erst einmal die Ressorts zuständig sind, in deren Bereich es fällt. Wenn es den Bund betrifft, muss es der Bund leisten. Es gibt auch eine Regelung zwischen Bund und Ländern, dass es, wenn die Zuständigkeit und die Verursachung bei den Ländern liegen, entweder über die Länder läuft oder eine Aufteilung stattfindet.

Frage: Meine Frage geht an das Bundeslandwirtschaftsministerium und an das Bundesinnenministerium, das Bauministerium.

Die Düngeverordnung sieht ja vor, dass die Bauern ihre Viehbestände teilweise stark reduzieren beziehungsweise Baumaßnahmen anstrengen, um die Gülle zwischenzulagern. Das Bauministerium hat dahingehend gesetzliche Veränderungen bei Stallbauten auf den Weg gebracht. Können Sie dazu Näheres sagen? Oder sind diese Zusammenhänge konstruiert, und wird das mit der Düngeverordnung so gar nicht passieren?

Kushnerovich: Die von Ihnen angesprochenen Änderungen, die den Bau von Ställen angehen, finden sich in der BauGB-Novelle wieder. Das hat mit der Düngemittelverordnung meines Wissens nichts zu tun. Das ist ein anderer Zusammenhang.

Haufe: Vielleicht meinen Sie die Sperrfristen. Die Tatsache, dass längere Zeiträume bestehen, in denen zum Beispiel keine Gülle auf das Feld ausgebracht werden darf, führt natürlich dazu, dass Landwirte sie lagern wollen, wenn sie über die Jahre hinweg weiterhin die gleiche Menge an Gülle haben werden.

Es gibt ja die Ankündigung der Bundesregierung, dass Gelder für die technische Unterstützung zur Umsetzung der Düngemittelverordnung bereitgestellt werden. Diese könnten dann bei genau solchen Investitionen, die bestimmte Landwirte tätigen müssten, helfen.

Frischemeyer: Meines Erachtens wird das im jetzigen Entwurf der Düngeverordnung berücksichtigt. Es gibt eine Fristverlängerung für die Landwirte, die lagern müssen.

Haufe: Richtig. Das ist auch ein guter Hinweis. Es gibt auch eine Ausnahmeregelung für bestimmte Fälle.

Frage: Auch wenn Sie sagen, das sei ressortabgestimmt, fällt mir auf, dass das BMU eher sprühend vorträgt und das BMEL eher reserviert ist. Kann man das so deuten, dass sich doch Umweltgesetzpunkte gegenüber dem Blick der Landwirte durchgesetzt haben?

Frischemeyer: Das kann ich nicht bestätigen. Ich habe tatsächlich vorhin die Frage in die Richtung falsch verstanden, dass ich dachte, der Kollege berufe sich auf Dissonanzen. Deswegen hat Kollege Haufe dann übernommen. Das hatte aber keine tiefere Begründung. Die beiden Ressorts sind das durchgegangen und haben das sehr gut miteinander über die Bühne gebracht.

Zusatzfrage: Aber ich habe das schon richtig verstanden, dass Herr Haufe eher Verschärfungen vorgetragen hat?

Frischemeyer: Na ja, ich glaube, dass sich diese Dinge systemimmanent immer gegenüberstehen. Es ist ja nicht nur hier so, sondern es passiert auch in vielen Debatten, die gerade laufen, dass die Interessen der Landwirtschaft sehr häufig konterkariert werden beziehungsweise dass es da andere Erwartungen von der Gesellschaft und auch mit Blick auf den Umweltschutz gibt. Das muss man eben in Einklang bringen, und das haben wir jetzt, glaube ich, in dieser Form sehr gut gemacht.

Haufe: Die Düngeverordnung kann ja nur strengere Vorschriften vorsehen, wenn wir sie jetzt den EU-Regeln entsprechend verabschieden wollen. Ich denke, da gab es überhaupt keinen Zweifel zwischen Bundeslandwirtschafts- und Bundesumweltministerium. Ansonsten könnten wir den Grundwasserschutz in Deutschland nicht gewährleisten.

Frage: Ich möchte gern noch zu einem anderen Aspekt nachfragen: Die Kritik der Landwirte und der Verbände zielt ja auch darauf, dass die Messwerte bezweifelt wurden, dass das Messsystem zu grobmaschig wäre, die Werte zu alt seien usw. Inwiefern wird denn darauf eingegangen, auch unabhängig von der konkreten Düngeverordnung?

Frischemeyer: Das ist ein wichtiges Thema. Die Messstellensituation - hier wurde ja schon häufig darüber gesprochen - wird auch von unserer Ministerin kritisiert. Sie hat die Länder aufgefordert, da nachzuwirken, und dieser Forderung trägt die Novellierung der Düngeverordnung auch Rechnung, indem wir jetzt die Binnendifferenzierung festschreiben, sodass, wenn der Verordnungsentwurf in Kraft tritt, die Länder die Messstellen einheitlich und transparent setzen. Darauf zielt, glaube ich, Ihre Frage ab; genau das soll damit dann nicht mehr passieren.

Haufe: Mit Blick auf die Messstellen sind natürlich einige Nebelkerzen und auch Missverständnisse im Umlauf. Das Messnetz selbst ist 2016 deutlich erweitert worden. Es gibt zwei große Messnetze: ein Messnetz, das vor allen Dingen die Landwirtschaft betrifft, damit man eben überprüfen kann, dass die EU-Nitratrichtlinie eingehalten wird und man sehen kann, dass die Düngeregeln wirken, sodass den Landwirten dann schnell dokumentiert werden kann, dass ihre Maßnahmen Erfolg haben. Darüber hinaus gibt es ein zweites großes Messnetz, das auch Siedlungsgebiete, Wälder, Seen und Flüsse im ganzen Bundesgebiet umfasst. Daraus berichten wir in bestimmen Zeiträumen an die Europäische Umweltagentur, und in beiden Messnetzen - die sich auch teilweise überschneiden - sehen wir, dass vor allem der Stickstoffdünger aus der Landwirtschaft zu höheren Werten beiträgt; da widersprechen sich die Messnetze nicht. Es gibt auch weitere, andere Untersuchungen, die das ebenfalls bestätigen, zum Beispiel die Untersuchung der Wasserwirtschaft in Deutschland. Die haben dann ja auch damit zu kämpfen, wenn sie das Trinkwasser aufbereiten müssen und vor Problemen stehen, wenn zu viel Nitrat im Wasser ist. Die Europäische Kommission hat sich immer wieder neue Daten gezogen, hat sich immer wieder neue Daten dokumentieren lassen, um zu sehen: Gibt es Fortschritte?

Die Zuständigkeit für die Messstellen liegt bei den Ländern, und die Länder selbst haben sich einheitlich Regeln gegeben, wie sie mit diesen Messstellen für das Grundwasser umgehen. Diese Regeln sind auch veröffentlicht; es gibt eine eigene Arbeitsgemeinschaft dafür und es gibt auch eine Webseite dazu. Außerdem haben bereits mehrere Länder Überprüfungen vorgenommen, Rheinland-Pfalz zum Beispiel - dazu gibt es auch einen Bericht. Auch andere Bundesländer haben angekündigt, ihre Messstellen noch einmal zu überprüfen und vielleicht Erweiterungen vorzunehmen. Da passiert also eine Menge. Für die neue Düngeverordnung ist vorgesehen, dass die Umweltbehörden und die Landwirtschaftsbehörden gemeinsam ein Monitoring darüber machen werden, wie sich die Grundwasserqualität verändert.

Das heißt, wir erfassen auf der einen Seite: Wo wird in der Landwirtschaft Stickstoffdünger ausgebracht, wo wird insgesamt Dünger ausgebracht, wo wird im Grundwasser dann das Nitrat gebildet und wie verteilt sich das Nitrat dann? Das ist bisher in dieser Gemeinsamkeit nicht passiert. Insofern ist es wirklich ein Fortschritt, dass das mittlerweile möglich ist, denn häufig war es nicht möglich, die Daten der Landwirtschaftsbehörden mit den Daten der Umweltbehörden zu verschneiden. Das wird jetzt deutlich besser laufen, damit wir dann eben auch schnell sehen können: Wirkt die Düngeverordnung? Denn das ist das wichtigste; die Maßnahmen müssen jetzt wirklich wirken. Das will natürlich auch jeder Landwirt schnell wissen.

Zusatzfrage: Können Sie mir als blutigem Laien einmal erklären, was "Messnetz" heißt? Sind das bisher 1000 oder 5000 Messstellen, und in Zukunft dann eben mehr?

Haufe: Wir haben insgesamt über 1200 Messstellen für das Nitrat im Grundwasser in Deutschland. Für das Messnetz, das vor allen Dingen rund um Ackerflächen, Landwirtschaftsflächen - also auch Grünland für die Landwirtschaft - gespannt ist, sind es etwa 600 bis 700 Messstellen.

Frage: Heißt das, zu dem Kompromiss gehört, dass die Verordnung erst umgesetzt wird, wenn das Messstellennetz entsprechend modifiziert wurde?

Haufe: Das Messstellennetz spielt für das Verfahren überhaupt keine Rolle; auch das ist ein Missverständnis. Die EU-Kommission hat niemals in dem ganzen Vertragsverletzungsverfahren Deutschland nach seinen Messstellen gefragt. Der Gegenstand des Vertragsverletzungsverfahrens sind die andauernden Nitratbelastungen im Grundwasser und die ebenfalls hohen Phosphatbelastungen an der Nord- und Ostseeküste. Wir haben in den Gewässern, die in der Nähe der Küste sind, oder eben in den landnahen Bereichen der Nord- und Ostseeküste hohe Phosphatbelastungen, weil die Dünger über die Gewässer von den Feldern in die Meere gespült werden. Dort haben wir teilweise sogar sogenannte Totzonenbereiche, das heißt, da wächst gar nichts mehr, weil alles völlig überdüngt ist. Dass da über die Jahre zu wenig passiert ist, hat die Kommission auch besonders kritisiert, und diese beiden Punkte sind für das Vertragsverletzungsverfahren entscheidend gewesen.

Der dritte Grund, den die EU immer wieder vorgebracht hat, ist, dass sie sieht, dass sich andere Länder stärker bemüht haben, ihren Grundwasserzustand zu verbessern, und dass sie das im Fall der Bundesrepublik nicht so richtig sah. Deswegen hat die EU an dem Verfahren auch festgehalten.

Frischemeyer: Wenn ich das kurz ergänzen darf: Die Düngeverordnung tritt in Kraft, wenn sie im Bundesgesetzblatt steht, und dann haben wir mit der Verwaltungsverordnung zur Ausweisung der belasteten Gebiete sechs Monate Zeit, wovon die Länder natürlich auch profitieren müssen. Das heißt, wir gehen davon aus, dass wir im Bundesbereich zwei, drei Monate benötigen werden, um den Ländern dann auch noch einmal ein bisschen Zeit zu geben, das Ganze auch in Landesrecht zu fassen.

Frage: An das BMF: Herr Kuhn, wir haben ja gestern in Kontakt gestanden wegen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Sie waren ja auch in den Prozess der Antwort der Generalzolldirektion involviert. Dazu habe ich noch einmal eine Nachfrage. Die GZD hat uns auf unsere Nachfrage zur Feststellung des Bundesrechnungshofes geantwortet, dass die Zahlen, die der Bundesrechnungshof in seinem internen Bericht erhoben hat, nicht mehr aktuell seien und dass die Schlussversion des Berichtes deutlich positiver ausfallen werde. Sehen Sie das ähnlich, würden Sie dieser Bewertung folgen?

An das BMAS: Die FKS ist ja auch zuständig für die Einhaltung und die Kontrolle der Mindestlöhne, zum Beispiel auf den Baustellen. Sind Sie in dieses Verfahren und was die Feststellungen des Bundesrechnungshofes angeht involviert gewesen? Wie bewerten Sie, dass der Bundesrechnungshof zu dem Schluss kommt, dass diese Kontrollen zum Beispiel auf Baustellen oft Alibiprüfungen gleichen würden?

Kuhn: Zunächst einmal weisen Sie richtigerweise darauf hin, dass das ein laufendes Verfahren ist. Wie üblich bei diesen Prüfverfahren des Bundesrechnungshofs gibt es zunächst einmal einen Bericht des Bundesrechnungshofs an die geprüfte Stelle, in dem vorläufige Feststellungen und vorläufige Ausführungen enthalten sind. Die geprüfte Stelle hat dann noch Möglichkeit, Stellung zu nehmen und Dinge richtigzustellen beziehungsweise in den richtigen Kontext zu stellen, damit dann auch die Empfehlungen auf den richtigen Tatsachengrundlagen basieren.

Wie Sie richtig sagen, haben wir einige Dinge, die der Bundesrechnungshof in seinen vorläufigen Feststellungen angemerkt hat, richtiggestellt, und manche sind auch überholt. Vor diesem Hintergrund gehen wir davon aus, dass der Bundesrechnungshof seinen endgültigen Bericht deutlich anpassen wird und dann entsprechend auch seine Empfehlungen anpassen wird, sodass das Fazit dann deutlich positiver sein wird.

Zu den angeblichen Alibiprüfungen: Wenn man sich die Statistik anschaut, sieht man, dass die Zahl der Ermittlungsverfahren deutlich gestiegen ist. 2016 hatten wir 104 000 Ermittlungsverfahren, die aus diesen Prüfungen resultierten, und 2018 waren es 111 000. Daran sieht man, dass der risikoorientierte Ansatz, den die FKS dabei ansetzt, erfolgreich ist und auch konkrete Ergebnisse bringt; denn nur wenn man ausreichende Hinweise hat, kann man auch ein Ermittlungsverfahren einleiten, und genau das erfolgt ja in einer großen und auch steigenden Zahl von Fällen. Deswegen ist es der Ansatz der FKS, risikoorientiert vorzugehen und insbesondere die Branchen zielgenau zu erfassen, in denen Schwarzarbeit, illegale Beschäftigung und Mindestlohnverstöße besonders stark ausgeprägt sind, und dort dann intensiver nachzuschauen und zu prüfen. Die Ergebnisse bei den Ermittlungsverfahren zeigen - das wiederhole ich noch einmal -, dass diese Arbeit erfolgreich ist und die Ergebnisse auch gut sind.

Stoltenberg: Sie haben auch das BMAS gefragt. Wie gesagt, die Finanzkontrolle Schwarzarbeit obliegt dem BMF, insofern sehe ich da eigentlich keinen Zusammenhang. Ob wir jetzt beteiligt waren, müsste ich Ihnen nachreichen. Ich gehe aber davon aus, dass das nicht der Fall war, da die Zuständigkeit in diesem Fall recht klar ist.

Vorsitzender Mayntz: Das Innenministerium hat mir signalisiert, dass zu der Waffenfrage eine Nachlieferung zu erwarten ist.

Freitag, 21. Februar 2020

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 21. Februar 2020
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/regierungspressekonferenz-vom-21-februar-2020-1724394
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2020

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