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PRESSEKONFERENZ/1943: Kanzlerin Merkel und der indische Premierminister Narendra Modi, 01.11.2019 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz in Neu Delhi - Freitag, 1. November 2019
Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und dem Premierminister der Republik Indien, Narendra Modi

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung.)


PM Modi: Frau Bundeskanzlerin Merkel, sehr verehrte Mitglieder der deutschen Presse, sehr verehrte Mitglieder der Delegation, sehr verehrte Mitglieder meines Kabinetts, sehr verehrte Freunde, guten Tag! Es ist mir eine große Freude, Bundeskanzlerin Frau Merkel und ihre Delegation hier in Indien willkommen heißen zu dürfen. Frau Merkel ist nicht nur in Europa, sondern auch insgesamt in der Welt eine der Führungspersönlichkeiten, die am längsten im Amt sind. Ich freue mich, auch sagen zu können, dass sie eine Freundin Indiens und auch eine persönliche Freundin für mich ist. In den letzten eineinhalb Jahrzehnten hat sie einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Beziehungen zwischen Indien und Deutschland geleistet, und ich möchte ihr bei dieser Gelegenheit sehr herzlich dafür danken.

Wir hatten heute das fünfte Treffen, die fünften Regierungskonsultationen zwischen unseren beiden Ländern, und ich freue mich sehr, dass ich Gelegenheit hatte, an drei dieser jeweils zweijährlichen Treffen mit der Bundeskanzlerin teilzunehmen. Dank dieses einzigartigen Mechanismus, dieser einzigartigen Institution, ist es uns gelungen, in so gut wie allen Feldern unsere Zusammenarbeit zu verbessern. Die Dokumente, die wir hier heute gemeinsam unterzeichnen konnten, zeigen das sehr deutlich, und ich freue mich sehr, dass es zwischen Indien und der Bundesrepublik Deutschland solche weitreichende strategische Zusammenarbeit gibt und dass diese in allen Bereichen Fortschritte gemacht hat, und zwar vor allen Dingen im Bereich der Hochtechnologie.

Verehrte Freunde, im Jahre 2022 wird Indien das 75. Jahr seiner Unabhängigkeit feiern. Wir haben bis dahin unser Ziel erreicht, ein neues Indien zu bauen. Wir haben, denke ich, die Aufgabe erfüllen können, eine solche Wirtschaftsmacht, eine solche technische Kraft wie Deutschland als Partner zu haben, und wir wollen uns darauf konzentrieren, unsere Zusammenarbeit in diesem Bereich zu verbessern - gerade im Bereich der Hochtechnologie, der künstlichen Intelligenz, der Förderung von Fähigkeiten, der beruflichen Bildung, im Bereich der Cybersicherheit, im Bereich der Elektromobilität, der Brennstoffzellen, der Smart Cities, der Binnenwasserstraßen, des Küstenmanagements, der Reinigung unserer Flüsse und auch des Umweltschutzes. All dies sind Bereiche, in denen sich für uns neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit erschließen, und unser Beschluss ist, dass wir die Zusammenarbeit in all diesen Bereichen weiter vorantreiben wollen. Gerade im Bereich des Klimaschutzes und der Bekämpfung des Klimawandels werden wir, denke ich, weiter Fortschritte erzielen können.

Handel und Investitionen sind weitere Bereiche, auf die wir uns konzentrieren wollen und in denen wir vor allen Dingen auch den privaten Sektor mit einbinden und fördern wollen. Die Bundeskanzlerin und ich werden auch mit einigen der führenden Vertreter unserer jeweiligen Wirtschaft sprechen. Wir möchten, dass Deutschland die Chancen, die sich hier eröffnen - zum Beispiel in Uttar Pradesh, aber auch in Tamil Nadu, gerade auch im Verteidigungsbereich -, auch tatsächlich ergreifen kann.

Liebe Freunde, Deutschland und wir teilen Werte wie zum Beispiel die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit. Deswegen und aufgrund dieser Tatsache sind wir uns in einigen der schwerwiegendsten Herausforderungen, denen sich die Welt heute gegenübersieht, einig. Wir werden die Gespräche zu diesen Themen später und auch heute Abend noch vertiefen können, gerade was den Extremismus, was den Terrorismus angeht. Wir versuchen, gerade in diesem Bereich unsere bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit zu stärken, auch was Exportkontrollregime angeht, aber auch unsere Zusammenarbeit in großen internationalen Organisationen, zu denen wir beide gehören. Was diese Frage angeht, so hoffen wir, dass die Bundesregierung uns sowohl in den Vereinten Nationen als auch in anderen internationalen Organisationen unterstützen kann, damit wir die Reformen weiterführen können, die gerade auch in diesen internationalen Organisationen notwendig sind. Wir werden das auch weiter vorantreiben.

Exzellenz, die Zukunft der Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern ist eine gute Zukunft, und deswegen möchte Ihnen noch einmal sehr herzlich dafür danken, dass Sie sich in der Führung Ihres Landes und auch in unserer Zusammenarbeit als solch eine fähige Politikerin erwiesen haben. Ich darf Ihnen herzlich danken!

BK'in Merkel: Sehr geehrter Premierminister, lieber Narendra Modi, ich freue mich, heute wieder einmal in Indien zu den 5. Regierungskonsultationen zu sein. Ich möchte mich auch in Namen aller Regierungsvertreter ganz herzlich bei den indischen Kollegen und bei Ihnen persönlich für die freundliche und freundschaftliche Aufnahme bedanken.

Unsere beiden Länder verbinden strategische und, wie ich sagen darf, auch freundschaftliche Beziehungen. Ich habe bei unseren Treffen sehr, sehr viel über Indien gelernt und erfahren, wenngleich man gar nicht genug lernen kann, weil Indien ja so etwas wie ein Kontinent mit so vielen verschiedenen Kulturen und Traditionen ist. Unser Besuch ist ja angesichts der Weite des Landes sozusagen nur eine Stippvisite.

Aber die unterzeichneten Memoranden zeigen doch, in welcher Breite wir zusammenarbeiten. Die Abschlusserklärung, die wir verabschiedet haben, zeigt das noch einmal auf. Dort sind die Bereiche erwähnt, in denen wir zusammenarbeiten wollen. Das sind die Bereiche künstliche Intelligenz und digitale Transformation. Indien hat ein großes Potenzial gerade im Bereich der Digitalisierung. Aber die Entwicklung geht ja sehr schnell auch hin zu den 5G-Anwendungen. Die künstliche Intelligenz fordert uns heraus. Wenn wir dort miteinander zusammenarbeiten können, wäre das sehr gut.

Dann geht es natürlich um Investitionen, Handel, Innovationen und Wissen. Hier kann man sagen, dass unsere Wirtschaftsbeziehungen durchaus zugenommen haben, aber sie könnten noch intensiver sein. Ich möchte ausdrücklich loben, dass wir dadurch, dass wir bei Ihnen eine Ansprechstelle haben, auch Wirtschaftsinvestitionsfälle haben sehr schnell lösen können, wo wir Schwierigkeiten hatten. Wir konnten schon in vielen konkreten Fällen helfen. Denn Ihr Anspruch, Indien zu einer modernen Industrienation zu entwickeln - "Make in India" ist ja eine Sache, die wir seitdem Indien Gastland bei der Hannover Messe war, genau verstanden haben--, wird von Ihnen auch mit großer Macht und mit großem Nachdruck durchgesetzt.

Es gibt Fragen der Bildung und der Forschungszusammenarbeit. Hier blicken wir auf eine lange Tradition zurück. Immerhin studieren 20 000 Inder in Deutschland. Es könnten gerne mehr werden. Wir wollen gerade auch im Bereich der beruflichen Bildung einen Lehreraustausch vornehmen, damit wir dann auch die richtigen Bildungsmethoden ansetzen. Das ist jedenfalls ein großer Bereich unserer Zusammenarbeit.

Wir wollen gerne an Ihren großen Infrastrukturprojekten beteiligt sein, die Sie ja im Auge haben, um Indien weiter zu entwickeln.

Wir wollen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung und des Klimaschutzes eng zusammenarbeiten. Da gibt es viele, viele Bereiche sowohl im Umweltbereich ganz allgemein, was Abfallmanagement anbelangt, was reines Wasser anbelangt, als auch was die Klimafragen anbelangt. Indien hat ja einen vergleichsweise geringen CO2-Ausstoß, aber die zukünftige industrielle Entwicklung muss natürlich möglichst nachhaltig erfolgen. Dass Sie in Indien inzwischen schon 74 Gigawatt erneuerbare Energien haben, ist auch etwas, was Sie immer wieder auch nach vorne gebracht haben. Ich kann Sie dazu nur beglückwünschen.

Wir wollen Menschen zusammenbringen. Ich habe mich heute früh mit Vertreterinnen von Frauenorganisationen, die in ganz unterschiedlichen Bereichen arbeiten, getroffen. Ich denke, gerade im Bereich der Gleichberechtigung kann noch einiges getan werden. Was Frauen und Erwerbstätigkeit, Kinderbetreuung, Frauen und Karrieren im Bereich der Wissenschaft angeht, können wir auch noch in Zukunft eng zusammenarbeiten.

Wir werden auch die Möglichkeit haben, in verschiedenen Bereichen - der Fußball ist hier eben erwähnt worden, aber auch der Bereich des Austauschs von Kulturgütern -, Menschen und ihre jeweilige Kultur besser kennenlernen zu können. Dabei kann Deutschland noch viel lernen, denn die indische Kultur ist nicht so gut bekannt, wie sie das sein sollte.

Ein großer Bereich ist die Landwirtschaftskooperation, auch mit den Mitteln der Digitalisierung. Es gibt viele indische Bauern. Ein großer Teil der Menschen arbeitet in der Landwirtschaft. Ich habe gehört, dass es fast 50 Prozent sind. Wenn man überlegt, dass es in Deutschland 1 bis 2 Prozent der Beschäftigten sind, dann sieht man, welchen Unterschied in der Technisierung wir noch haben. Gerade wenn es um Verluste von landwirtschaftlichen Produkten geht, können wir, glaube ich, mit unseren Erfahrungen einen guten Beitrag leisten.

Wir haben eine Wirtschaftsdelegation mitgebracht, die dieses Mal vorrangig aus Mittelständlern besteht, die sich in Indien engagieren wollen. Das heißt, es gibt den festen Willen, in Indien in einem wachsenden Markt mit dabei zu sein und dabei auch Unterstützung zu gewährleisten, aber eben auch daraus Win-win-Situationen zu machen. Denn wir wollen ja gerade im wirtschaftlichen Bereich voneinander profitieren und in den staatlichen Bereichen voneinander lernen - ob das Verteidigungsindustrie, innere Sicherheit, Cyberabwehrkämpfe usw. sind, also das gesamte breite Spektrum. Danke allen, die daran mitgewirkt haben, dass wir heute so eine gute Abschlusserklärung haben können.

Danke für Ihre Gastfreundschaft! Wir werden heute noch einige Gelegenheiten haben, uns zu treffen. Ich möchte daran erinnern: Mahatma Gandhi ist vor 150 Jahren geboren. Ich habe heute schon einen Kranz niederlegen können und freue mich, heute Nachmittag noch sein Wohnhaus besuchen zu können. Mit seiner friedlichen Revolution hat er viele Menschen auf der Welt inspiriert. Dass ich heute hier stehen kann, hat damit zu tun, dass vor 30 Jahren am 9. November in Berlin eine Mauer gefallen oder besser gesagt: aufgegangen ist. Das konnte auch auf friedlichem Wege hergestellt werden. Insofern sind das Traditionen, auf die wir beide - Indien und Deutschland - stolz sein können.

Freitag, 1. November 2019

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Quelle:
Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und dem Premierminister
der Republik Indien, Narendra Modi, in Neu Delhi am 1. November 2019
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/pressestatements-von-bundeskanzlerin-merkel-und-dem-premierminister-der-republik-indien-narendra-modi-1687746
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2019

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