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PRESSEKONFERENZ/1894: Regierungspressekonferenz vom 24. Juli 2019 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 24. Juli 2019 Regierungspressekonferenz vom 24. Juli 2019

Themen: Personalie, Mord an der russischen Aktivistin Jelena Grigorjewa, Ausgaben der Bundesregierung für externe Berater, Nuklearabkommen mit dem Iran, Schüsse auf einen Eritreer in Wächtersbach, Frage nach einer Vermittlungsinitiative vonseiten Deutschlands im Gasstreit zwischen der Türkei und Zypern

Sprecher: SRS'in Demmer, Friedrich (BMVI), Burger (AA), Alter (BMI), Kall (BMJV), Sting (BMFSFJ)


Vorsitzende Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'in Demmer sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Vorsitzende Welty: Wir starten mit dem, was wir eigentlich am wenigsten gerne tun: Wir müssen uns verabschieden von Frau Friedrich.

Friedrich: Das stimmt. Heute ist meine letzte Regierungspressekonferenz. Ich werde zum 1. September an die Deutsche Botschaft London wechseln. Ich kann eines sagen: Ich habe mich immer sehr gefreut, hier für das BMVI sprechen zu dürfen. Ich bedanke mich bei allen Kollegen für die gute und vor allem kollegiale Zusammenarbeit.

Vorsitzende Welty: Vielen Dank und viel Erfolg mit der neuen Aufgabe! Das werden sicherlich spannende Zeiten werden.

Burger: Ich habe Ihnen eine Erklärung vorzutragen: Die Bundesregierung verurteilt den Mord an der russischen Aktivistin Jelena Grigorjewa. Wir sind sehr besorgt hinsichtlich der Umstände ihres Todes. Als Fürsprecherin für LGBTI-Rechte war Frau Grigorjewa besonderen Anfeindungen und Drohungen ausgesetzt. Wir erwarten eine transparente, lückenlose und rechtsstaatlichen Standards entsprechende Aufklärung der Todesumstände. Russland muss sicherstellen, dass unvoreingenommen in alle Richtungen ermittelt wird. Wir erwarten insbesondere eine Klärung, ob der Mord an Frau Grigorjewa im Zusammenhang mit ihrem Einsatz für LGBTI-Rechte stand.

Frage: Ich habe eine Frage zu den Ausgaben für externe Berater. Es gab jetzt ja neue Zahlen für das erste Halbjahr. Da das Innenministerium und das Verkehrsministerium die höchsten Ausgaben gemeldet haben, würde ich gerne diese Ministerien erst einmal fragen: Für welche Leistungen nehmen Sie denn externe Berater in Anspruch, die nicht in Ihrem Haus selbst geleistet werden können? Können Sie auch beispielhaft Firmen nennen, die Sie hauptsächlich oder in starkem Maß beauftragen?

Alter: Ich will diese Frage gerne beantworten. Externe Berater werden in der Verwaltung im Wesentlichen in zwei Aufgabenbereichen eingesetzt: erstens für die temporäre Einbeziehung sachkundiger Expertise und zur Vorbereitung zu treffender Entscheidungen und zweitens für den Einsatz von Fachexperten in vorwiegend fachspezifischen, technischen oder man könnte auch sagen IT-technischen Bereichen, und hier vor allem im Zusammenhang mit der Durchführung von IT-Projekten. Gerade bei IT-Projekten ist der Einsatz von externen Beratern nicht nur sinnvoll, sondern in vielen Fällen schlicht unumgänglich, da es sich oft um in der Regel zeitlich befristete Aufgaben handelt, die hochspezialisierte Kenntnisse erfordern und zumeist sehr technikorientierte Bereiche betreffen. Es ist für die öffentliche Verwaltung schwer oder gar nicht möglich, solche Spezialisten zunächst zu gewinnen und dann auch auf Dauer zu halten.

Dort, wo der Einsatz externer Experten erforderlich und unumgänglich ist, wird besonderes Augenmerk darauf gelegt, dass die Verwaltung in der Lage ist, diese externen Experten zielgenau einzusetzen und fachkundig zu steuern. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das BMI derzeit auch neue Stellen geschaffen hat, um eigenes Wissen zur Durchführung von Projekten dauerhaft anzusiedeln, insbesondere für die Projektsteuerung.

Ich will bei dieser Gelegenheit auch noch einmal hervorheben, dass alle Projekte in der Verantwortung des Bundesbeauftragten für die Informationstechnik im Haushalt des BMI veranschlagt sind und dass das BMI auch Projekte für alle Ressorts in der Bundesregierung - etwa die IT-Konsolidierung der Netze des Bundes - beziehungsweise im Rahmen der Bund-Länder-Zusammenarbeit - beispielsweise die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes - durchführt.

Listen einzelner Firmen habe ich hier nicht präsent; das müsste ich im Zweifel nachliefern. - Vielleicht soweit an dieser Stelle.

Friedrich: Für das BMVI kann ich ergänzen, dass es immer anlassbezogen spezifische Beratungs- und Unterstützungsleistungen in Anspruch nimmt. Das ist der Fall für die Umsetzung von technisch und juristisch hochkomplexen Projekten. Solche Projekte sind zum Beispiel die größte Reform der Autobahnverwaltung mit der Gründung der Autobahn GmbH mit über 15 000 Mitarbeitern, die Nutzerfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur - damit ist die Lkw-Maut gemeint - oder die Einführung und Umsetzung von öffentlichen privaten Partnerschaften im Bereich der Bundesfernstraßen.

Ich kann jetzt leider auch keine einzelnen Firmen nennen. Eine Liste ist mir jetzt auch nicht präsent.

Zusatz: Dann würde ich da um eine Nachlieferung bitten, falls das möglich ist.

Frage: An das Auswärtige Amt zum Thema Iran: Es ist ein außerordentliches Treffen zum JCPOA am Sonntag anberaumt worden. Können Sie uns dazu mehr sagen? Dieses Treffen soll ja auf der Ebene der politischen Direktoren stattfinden, das nächste Treffen war aber eigentlich für die Ministerebene angekündigt. Bedeutet das, dass es bisher keine wirklichen Verhandlungsfortschritte gegeben hat?

Burger: Ich würde Ihnen da widersprechen: Meines Wissens ist kein Treffen auf Ministerebene angekündigt gewesen. Es gibt seit gestern die Ankündigung des Europäischen Auswärtigen Dienstes, der ja die Sekretariatsfunktion für das JCPOA ausübt, für das tatsächlich für Sonntag geplante Treffen der politischen Direktoren. Sie wissen, dass sich die E3-Partner für eine zeitnahe Sitzung der Joint Commission eingesetzt hatten. Insofern begrüßen wir es, dass die jetzt am 28. Juli in Wien zustande kommt. Für Deutschland wird der politische Direktor des Auswärtigen Amts teilnehmen.

Frage: Es gab ja auch ein Treffen des französischen und des britischen Außenministers, die wohl eine Initiative geplant haben, und da habe der französische Außenminister Le Drian gesagt, dass auch Deutschland eng in die Planung eingewoben sei. Vielleicht an Herrn Burger: Wie sieht diese Einbindung Deutschlands denn aus?

Burger: Sie beziehen sich auf die Entwicklungen vom Wochenende seit letztem Freitag. Dazu möchte ich vielleicht ein kleines bisschen ausholen.

Grundsatz unseres iranpolitischen Engagements in der gegenwärtigen Krise ist: Mit Frankreich und Großbritannien machen wir eine Politik der Deeskalation, damit es nicht zu einer hochgefährlichen Verschärfung der Lage im Mittleren Osten kommt. Deshalb führen wir einerseits als E3 unter Hochdruck diplomatische Gespräche mit Teheran und auch mit Washington.

Die Festsetzung des britischen Tankers "Stena Impero" am Freitagabend hat die Bundesregierung klar verurteilt, und sie hat Iran dazu aufgefordert, das Schiff und seine Besetzung unverzüglich freizugeben. Das iranische Vorgehen ist ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in die zivile Schifffahrt. Außenminister Maas befindet sich seither in kontinuierlichem und engem Austausch mit seinen britischen und französischen Amtskollegen zu der Frage, wie Europa zur Sicherheit am Persischen Golf beitragen kann. Dazu gehören neben dem britischen Vorschlag einer europäisch geführten Mission zur Lagebilderstellung auf See auch mögliche diplomatische und zivile Ansätze zur maritimen Sicherheit am Persischen Golf, die geeignet sind, auch die Staaten in der Region einzubinden. Wir sind uns einig, dass wir an unserem diplomatischen Ansatz gegenüber Iran festhalten wollen und uns nicht an der US-Politik des maximalen Drucks beteiligen.

Zusatzfrage: Heißt das, dass diese Beteiligung an Planungen von deutscher Seite explizit nur zivile und diplomatische Planungen beinhaltet, und keine Planungen, gegebenenfalls selbst Schiffe zu entsenden?

Burger: Vielleicht noch einmal zur Einordnung der Zeitlinie: Die Festsetzung der Tanker geschah am Freitagabend, also vor gerade einmal vier Tagen, und seit dem Wochenende stehen wir in ununterbrochenen intensiven Gesprächen mit den E3-Partnern. Sie wissen vielleicht, dass Frankreich und Großbritannien bereits eine traditionelle Marinepräsenz am Golf haben, auf die deren Überlegungen für eine europäisch geführte Mission am Golf jetzt aufbauen. An diesen Gesprächen beteiligen wir uns intensiv. Die konzeptionellen Überlegungen dazu stehen aber noch am Anfang, und es ist heute noch zu früh, über mögliche Formen einer deutschen Unterstützung oder Beteiligung zu sprechen. Forderungen nach deutschen militärischen Beiträgen waren bisher auch noch nicht Gegenstand dieser Gespräche.

Klar ist aber: Wir ziehen als E3 an einem Strang. Wir wollen unsere diplomatischen Kanäle als Europäer erhalten und weiter für eine Entschärfung des Konflikts nutzen und uns deshalb nicht an der US-Politik eines maximalen Drucks beteiligen.

Frage: Mich würde eine Bewertung der Bundesregierung zu der Tat in Wächtersbach interessieren, wo ein Eritreer niedergeschossen wurde. Frau Demmer, wie bewertet die Bundesregierung das?

Vielleicht ergänzend an das BMI: Haben Sie eigene Erkenntnisse? Stehen Sie mit den Behörden in Kontakt? Wie alarmiert sind Sie vielleicht angesichts der Spekulation, dass es sich um ein rechtsextremes Motiv handeln könnte?

SRS'in Demmer: Die Bundesregierung ist über diese Tat bestürzt und verurteilt sie auf das Schärfste. Hierbei handelt es sich um eine abscheuliche Tat, die nicht hingenommen werden darf. Die Bundesregierung wünscht dem Opfer bestmögliche Genesung, und ihm und seiner Familie gilt das aufrichtige Mitgefühl der Bundesregierung.

Ich bin sicher, dass die Tat und die Hintergründe von den zuständigen Strafverfolgungsbehörden konsequent und mit allen Mitteln aufgeklärt werden. Die Sicherheitsbehörden arbeiten mit ganzer Kraft daran, dass alle Menschen in Deutschland in Sicherheit leben können, auch wenn man natürlich einzelne Taten nicht komplett und ganz wird verhindern können.

Die Bekämpfung rechtsextremistischer Straf- und Gewalttaten ist ein Kernanliegen der Bundesregierung, und wir nehmen diese Gefahr sehr ernst.

Alter: Die Bewertung hat die Regierungssprecherin gerade abgegeben. Das BMI sieht die Sache ganz genauso.

Zu den Hintergründen kann ich Ihnen sagen: Wir sollten, wie es in diesen Fällen üblich ist, abwarten, was die Ermittlungsbehörden hinsichtlich des Falls zu Tage tragen. Bisher ist die Informationslage noch nicht ausreichend, um eine abschließende Bewertung vornehmen zu können. Sie haben es selbst gesagt: Im Moment befinde sich vieles noch im spekulativen Bereich, und deshalb ist derzeit auch Zurückhaltung geboten. Die hessischen Behörden ermitteln in diesem Fall, und soweit es erforderlich, angemessen und geboten ist, stehen diese auch mit den Bundesbehörden in Kontakt und Verbindung.

Kall: Vielleicht darf ich für das Bundesjustizministerium und die Bundesjustizministerin Christine Lambrecht etwas ergänzen: Auch wir teilen natürlich die Bestürzung. Es macht uns fassungslos, dass es nun innerhalb kürzester Zeit erneut zu einer schweren, mutmaßlich rechtsextremistisch motivierten Gewalttat in Hessen gekommen ist. Uns macht auch fassungslos, dass das ausgerechnet am 22. Juli geschehen ist, also dem Jahrestag des Anschlags auf Utøya, bei dem damals so viele Menschen durch einen Rechtsextremisten ermordet worden sind.

Wir sehen - das hat die neue Justizministerin ja auch am Tag ihres Amtsantritts im Deutschen Bundestag in ihrer Rede gesagt - eine wachsende Gefahr schwerer rechtsextremistischer Taten. Sie hat gesagt: Wir müssen den Verfolgungsdruck erhöhen - bei allen Ermittlungsbehörden, in der Justiz und in den Sicherheitsbehörden.

In diesem Fall des Eritreers, der am Montag lebensgefährlich verletzt wurde, liegen die Ermittlungen in der Verantwortung von Hessen. Das sind keine Ermittlungen der Bundesanwaltschaft. Die Bundesanwaltschaft kommt immer dann ins Spiel, wenn es einen spezifischen Staatsschutzbezug gibt, also Angriffe auf den Staat als solchen, wie es im Mordfall Lübcke der Fall war, oder wenn es um Netzwerke geht. Dafür gibt es jetzt noch keine Anhaltspunkte. Deswegen schauen wir auf die Ermittlungen, die es in Hessen gibt.

Wir schauen aber auch auf das, was Täter mutmaßlich zu solchen Taten motiviert, wie aus Worten Taten werden können und wie man die Bekämpfung von Hasskriminalität gerade auch im Netz intensiviert. Wir arbeiten an einer Reform des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes - das haben wir auch gesagt - bis Ende dieses Jahres und daran, wie man die Justiz so ausstattet und sie auch weiterhin dafür sensibilisiert, dass sie Hasskriminalität so effektiv wie möglich verfolgen kann.

Frage: Gibt es denn den Eindruck innerhalb der Bundesregierung, dass die Hemmschwelle dafür, zu Waffen zu greifen, gerade auch im rechtsextremistischen Bereich sinkt? Welche Dinge präventiver Art werden eigentlich in diesem Bereich geplant? Könnten Sie - wer immer sich zuständig fühlen mag, das Familienministerium, das Innenministerium - dazu einmal etwas sagen?

Alter: Ich kann Ihnen zum ersten Teil Ihrer Frage sagen, dass wir mit höchster Sensibilität diese Vorgänge beobachten und sie nicht nur singulär betrachten, sondern auch versuchen, sozusagen inhaltlich vielleicht übergreifende Zusammenhänge sehr genau zu erkennen. Wir wissen auch, dass wir es bei dem rechtsextremistischen Spektrum auch mit Personen zu tun haben, die waffenaffin sind. Sie wissen, dass durch die zuständigen Behörden in den vergangenen Jahren auch mehrere hundert Waffenerlaubnisse entzogen worden sind.

Damit, ob die Tat, die wir jetzt sehen, sozusagen generell eine Veränderung einer Hemmschwelle belegt, wäre ich momentan noch vorsichtig. Aber richtig ist auch das, was der Kollege vom BMJV gerade gesagt hat: Man darf diese Sachverhalte, auch wenn sie noch nicht im letzten Detail ausermittelt sind, nicht unterschätzen, sondern man muss sie sehr ernst nehmen und sehr genau hinschauen, was man dagegen tun muss. Der Bundesinnenminister hat schon vor einigen Wochen nach dem Mordfall Lübcke an mehreren Stellen deutlich gesagt, dass er eine klare Erwartungshaltung hat, die er auch in den eigenen Bereich - in die Sicherheitsbehörden - transportiert hat, nämlich nachzuschauen oder zu prüfen, wie man den Rechtsextremismus noch besser, noch intensiver bekämpfen kann und an welcher Stelle es noch Entwicklungsbedarf gibt. Das gilt selbstverständlich auch jetzt.

Trotzdem weise ich an dieser Stelle noch einmal darauf hin, dass wir uns die Sachverhalte dann anschauen sollten, wenn relevante und auch belastbare Erkenntnisse vorliegen. Das ist jedenfalls derzeit noch nicht abschließend der Fall.

Kall: Auch wir beobachten mit großer Sorge, dass es eine große Nähe zu Waffen gibt und dass immer wieder viele Waffen bei Rechtsextremisten gefunden werden. Es gibt das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts hauptsächlich in Mecklenburg-Vorpommern hinsichtlich der mutmaßlich rechtsterroristischen Vereinigung Nordkreuz, bei der viel Munition und viele Waffen gefunden worden sind. Bei dem mutmaßlichen Mörder von Regierungspräsident Walter Lübcke sind etliche Waffen gefunden worden. Das ist Anlass zu großer Sorge.

Was eine etwaige Verschärfung des Waffenrechts angeht, ist das ein Thema des Bundesinnenministeriums und der Innenminister, aber wir sehen da wirklich - ich habe es gerade mit den Worten der Justizministerin gesagt - die Notwendigkeit, den Verfolgungsdruck zu erhöhen. Das gilt gerade auch in Bezug darauf, dass es ja offenbar viele auch durchaus schwer bewaffnete Rechtsextremisten gibt.

Frage: Herr Kall, Sie haben jetzt zweimal "Verfolgungsdruck erhöhen" gesagt. Können Sie das noch konkreter fassen? Sie haben "mehr Stellen bei der Justiz" und "Netzwerkdurchsetzungsgesetz nachbessern" gesagt. Aber wie erhöht man denn den Verfolgungsdruck?

Kall: In unserem Bereich, indem man die Justiz bestmöglich ausstattet. Im Rahmen des Pakts für den Rechtsstaat gibt es 2000 neue Stellen bei Gerichten und Staatsanwaltschaften. Das betrifft jetzt nicht allein die Bekämpfung von Rechtsextremismus, aber es geht darum, die Justiz bestmöglich auszustatten. Gerade was die Bekämpfung von Hasskriminalität, also auch den Nährboden für rechte Gewalttaten, den wir sehen, angeht, ist es auch besonders wichtig, zum Beispiel die digitalen Kompetenzen in der Justiz auszubauen. Da gibt es jetzt eine sehr beispielhafte Arbeit der Staatsanwaltschaft in Köln, was die Bekämpfung von Hasskriminalität angeht. Darüber ist ja jetzt vielfach berichtet worden, auch in den letzten Tagen. Das betrifft den Bereich der Justiz.

Den Verfolgungsdruck zu erhöhen, betrifft auch den gesamten Bereich der Polizei und der Sicherheitsbehörden. Insofern war das durchaus umfassend gemeint.

Alter: Ich würde das an dieser Stelle gerne noch ergänzen. Den Verfolgungsdruck kann man auf zwei Weisen erhöhen, erstens dadurch, dass man die Sicherheitsbehörden mit einer angemessenen Anzahl von Personal ausstattet. Der Bundesinnenminister hat auch erst vor Kurzem wieder deutlich gemacht, dass er für die Bundespolizei und für die Bundessicherheitsbehörden nochmals für einen massiven Personalaufwuchs eintritt. Für die Bundespolizei fordert er bis 2025 noch einmal 11 300 zusätzliche Stellen. Nur mit Personal kann man auch präsent sein und sich dieser Sachverhalte annehmen.

Der zweite Teil ist natürlich auch, dass man den Sicherheitsbehörden die Befugnisse einräumt, die sie brauchen, um in diesem Raum Kommunikationsinhalte zu erkennen, Erkenntnisse zu gewinnen und zu sammeln und dann zu Schlussfolgerungen zu kommen, mit denen Taten vielleicht auch verhindert werden können. Sie wissen, dass wir an verschiedenen Stellen - insbesondere in der digitalen Welt - neue Befugnisse anstreben, und das sind genau die Dinge, die wir benötigen, damit die Behörden in der Lage sind, etwa auch verschlüsselte Kommunikation zu erkennen und sich zu Nutze zu machen.

Frage: Zur Frage der Prävention wollte ich das Familienministerium durchaus befragen. Immer wenn man nach Prävention fragt, heißt es irgendwie "Ja, da gibt es so ein 100-Millionen-Projekt". Meine Frage wäre aber jetzt tatsächlich, wie man im Hinblick darauf, dass man merkt, dass die rechtsextremistische Szene gewaltbereiter wird und stark waffenaffin ist, eigentlich im Vorfeld daran herantritt, damit sich das nicht noch ausweitet, also wirklich speziell Prävention betreffend.

Sting: Vielen Dank für Ihre Frage! - Wir haben als Konsequenz aus dem NSU-Untersuchungsausschuss das Bundesprogramm "Demokratie leben!" verstetigt. Bundesfamilienministerin Giffey hat das Programm im vergangenen Jahr entfristet. Darin sind sehr viele verschiedene Präventionsprojekt unter dem Dach des Bundesprogramms zusammengefasst.

Ich zähle einmal einige Beispiele auf: Wir stärken Menschen in ihrem Engagement gegen Extremismus und gegen Menschenfeindlichkeit. Wir stärken diejenigen, die sich aktiv und zum Teil auch mit persönlichem Risiko für unsere Demokratie einsetzen. Wir gehen dahin, wo für Radikalisierung anfällige Menschen sind. Wir versuchen, sie zu erreichen, und wir versuchen, sie mit diesem Programm auch aus dieser Extremismusspirale herauszuholen. Wenn Sie genaue Informationen über Projekte haben wollen, würde ich Sie bitten, noch einmal persönlich anzufragen. Das zum einen.

Ein Schwerpunkt ist natürlich die Arbeit gegen Rechtsextremismus. Es ist so, dass in der wichtigen Arbeit gegen Rechtsextremismus die Förderung der Opferberatung, der mobilen Beratung und der Ausstiegsberatung ein zentraler Bestandteil dieses Bundesprogramms ist. Bereits heute fördert der Bund die Beratungsleistung in allen 16 Bundesländern in einer Höhe von insgesamt fast 11 Millionen Euro. Das Familienministerium wird die Förderung dieser Beratungsangebote fortsetzen und möchte diese ausbauen.

Frau Giffey hatte sich ja auch schon im Zusammenhang mit dem Mordfall Lübcke geäußert und gesagt, dass es sehr wichtig ist, die Verstetigung und Stärkung der Präventionsarbeit voranzutreiben. - So viel von mir.

Frage: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt. Herr Burger, laut Berichten aus der Türkei und Zypern soll bei einem Gespräch zwischen dem Außenminister der Türkei, Çavusoglu, und dem deutschen Außenminister darüber gesprochen worden sein, ob Deutschland eine Vermittlungsinitiative unternehmen soll. Die Frage ist nun: Gibt es eine solche Initiative? Gibt es solche Gedanken, solche Pläne vonseiten des deutschen Außenministers, in diesem Streit zwischen der Türkei und Zypern über die Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer zu vermitteln?

Burger: Ich kann bestätigen, dass es in den letzten Tagen ein Telefonat zwischen Außenminister Maas und seinem türkischen Amtskollegen Çavusoglu gegeben hat. Ich kann auch bestätigen, dass der Gasstreit bei dem Gespräch zur Sprache gekommen ist. Ich kann Ihnen mit Blick darauf, dass wir über Inhalte vertraulicher Gespräche hier grundsätzlich nicht en détail Auskunft geben, darüber hinaus aber nichts aus diesem Gespräch mitteilen. Ich kann Ihnen auch für heute keine Vermittlungsinitiative ankündigen.

Zusatzfrage: Ich beziehe mich auf Äußerungen des türkischen Außenministers und deswegen die Frage. Er hat darüber berichtet, dass Herr Maas so eine Initiative ergreifen will.

Wie steht eigentlich die Bundesregierung dazu? Die Europäische Union hat schon einige Maßnahmen ergriffen. Sieht die Bundesregierung sich als Vermittler in diesem Streit - ja oder nein?

Burger: Die Bundesregierung trägt natürlich in vollem Umfang die Beschlüsse der Europäischen Union mit. Ich hatte hier ja vergangene Woche vorgetragen, wie unsere Haltung ist. Wir appellieren an die Türkei, eine Eskalation zu vermeiden und von solchen unrechtmäßigen Bohrungen abzusehen. Wir rufen dazu auf, die Streitigkeiten durch Dialog und unter Beachtung des internationalen Rechts zu lösen.

Ferner gilt aus unserer Sicht, dass Fortschritte bei den Bemühungen um eine Lösung des Zypern-Konflikts auch positive Auswirkungen auf die Streitfrage zur Ressourcennutzung haben würden. Das ist unsere Haltung. Das ist auch das, was wir gegenüber der Türkei deutlich machen.

Mittwoch, 24. Juli 2019

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 24. Juli 2019
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/regierungspressekonferenz-vom-24-juli-2019-1651450
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2019

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