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PRESSEKONFERENZ/1893: Regierungspressekonferenz vom 22. Juli 2019 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 22. Juli 2019
Regierungspressekonferenz vom 22. Juli 2019

Themen: Seenotrettung im Mittelmeer, Rüstungsetat, Maßnahmen für den Klimaschutz, Parlamentswahlen in der Ukraine, EU-Sanktionen gegen Syrien, geplante Reform der Notfallversorgung, Rückkehr des deutschen Botschafters nach Caracas, Batteriezellforschung, Steinbruch des Baustoffkonzerns HeidelbergCement AG im besetzten WestJordanland

Sprecher: SRS'in Demmer, Ruwwe-Glösenkamp (BMI), Breul (AA), Wogatzki (BMF), Strater (BMVI), Gülde (BMG), Abt (BMBF), Kall (BMJV), Fähnrich (BMVg)


Vorsitzende Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'in Demmer sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: An das Außenministerium und das Innenministerium zum Thema Seenotrettung: Zum Ende des Monats sticht das Schiff von SOS Mediterranée in die See, für Anfang August hat Mission Lifeline wieder einen Seerettungseinsatz angekündigt. Werden Sie es bis dahin schaffen, zumindest den vorübergehenden kontrollierten Notfallmechanismus eingerichtet zu haben, sodass es nicht wieder eine solche Hängepartie gibt wie bei der "Sea-Watch 3"?

Ruwwe-Glösenkamp: Ich kann gerne anfangen. - Wir haben hier in der letzten Woche schon ausführlich zu den Ergebnissen des informellen Innenministertreffens in Helsinki berichtet. Heute treffen sich noch einmal die Innen- und Außenminister in Paris und sprechen unter anderem auch über das Thema Seenotrettung. Wir haben ja letzte Woche schon berichtet, dass nach den Gesprächen der Innenminister in Helsinki Anfang September auf Vorschlag des maltesischen Innenministers in Malta, also einem der hauptbetroffenen Außengrenzstaaten, eine Sonderkonferenz der Innenminister stattfinden soll, auf der dann nach unserer Vorstellung eine Koalition der Willigen aus solidarischen Mitgliedstaaten eine gemeinsame Vereinbarung zur Seenotrettung und zu einem solchen temporären Mechanismus unterzeichnet werden könnte.

Sie sehen an den heutigen Gesprächen in Paris auch, dass die Innenminister mit Unterstützung der Außenminister weiter an dem Ziel arbeiten, beim Seenotrettungsmechanismus eine neue Dynamik zu entfalten und auch zu Ergebnissen zu kommen. In Helsinki sind wir mit der Verständigung auf ein Vorgehen im Kreise einiger williger Mitgliedstaaten - mein Kollege hatte letzte Woche berichtet - und mit der Verständigung über gemeinsame Grundpositionen einen ganzen Schritt weitergekommen, auch wenn wir - das ist zweifellos auch richtig - noch nicht am Ziel sind, einen solchen temporären Mechanismus zu schaffen. Wir sind aber zuversichtlich, dass wir einen solchen Mechanismus hinbekommen, und Anfang September auf Malta soll es dann nach unserer Vorstellung dazu kommen.

Breul: Genau - ich kann alles, was der Kollege gesagt hat, unterstreichen. Herr Maas ist heute auch in Paris, um auch noch einmal das Signal zu setzen, wie wichtig uns dieses Thema ist; das hat Herr Seehofer in der letzten Woche ja auch unterstrichen. Da ziehen wir alle an einem Strang. Wir haben hier mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass wir das natürlich nicht alleine können, sondern dass wir das zusammen mit unseren europäischen Partnern auf die Beine stellen müssen. Da gibt es durchaus positive Entwicklungen, aber wir sind noch nicht am Ziel. Der Kollege hat es gerade gesagt: Wir hoffen auf einen Durchbruch Anfang September.

Aber natürlich gilt: In der Zwischenzeit - Sie haben es angesprochen - ist durchaus damit zu rechnen, dass genau der Fall wieder eintritt und aus Seenot Gerettete aufgeteilt werden müssen. Dann werden wir natürlich auch da im Vorgriff auf ein zukünftiges Verfahren sozusagen unseren Teil zu leisten bereit sein und gleichzeitig darauf drängen, dass sich andere europäische Partner ähnlich solidarisch beteiligen.

Zusatzfrage: Sie haben gesagt, es werde in der Zwischenzeit wahrscheinlich oder vielleicht auch wieder zu einem solchen Fall kommen wie bei der "Sea-Watch 3". Wären Sie denn mit den jetzigen Vereinbarungen oder Willensbekundungen in der Lage, eine schnellere Lösung in einem solchen Krisenfall zu finden?

Ruwwe-Glösenkamp: Wir haben diesen temporären Mechanismus ja noch nicht, aber in der Vergangenheit - das wissen Sie ja - ist es schon so gewesen, dass bei jedem dieser Seenotrettungsfälle eine Lösung gefunden worden ist. Selbstverständlich hoffen wir und gehen davon, dass wir, wenn in der Zwischenzeit solche Seenotrettungsfälle wieder auftreten sollten, gemeinsam mit Staaten, die dann aufnahmebereit sind, auch dann gemeinsame Lösungen für diese konkreten Fälle finden - genauso, wie wir das in der Vergangenheit auch geschafft haben.

Frage: Ich hätte eine Verständnisfrage an das Auswärtige Amt: Das Auswärtige Amt hatte am 20. Juli in sehr scharfen Worten die Festsetzung des unter britischer Flagge fahrenden Tankers "Sten Impero" und die sofortige Freisetzung sowohl von Schiff als auch Besatzung gefordert. Das Ganze hat natürlich den Vorläufer der Festsetzung eines Tankers mit iranischem Rohöl in der Straße von Gibraltar. Da würde mich interessieren: Aus welchen Beweggründen, aus welchen Überlegungen heraus hat sich die Bundesregierung entschieden, die Festsetzung des britischen Tankers in den entsprechenden Worten zu verurteilen, aber die vorherige, ebenfalls völkerrechtsbrüchige Festsetzung des Tankers mit iranischem Rohöl gar nicht beziehungsweise zumindest nicht kritisch zu kommentieren?

Breul: Zunächst möchte ich wieder beginnen mit dem Hinweis, dass ich mir die in Ihrer Frage gemachten Wertungen nicht zu eigen mache, insbesondere mit Blick auf das Völkerrecht. Dann möchte ich darauf hinweisen - darüber haben wir hier auch gesprochen -, dass es sich bei der Aktion vor Gibraltar um die Umsetzung von Sanktionsrecht gehandelt hat, und zwar in dem Fall Sanktionsrecht nicht gegen den Exporteur, sondern aufgrund des Zielhafens des Schiffes, das nämlich nach Syrien auslaufen sollte, sodass da dementsprechend die Syrien-Sanktionsgebung der EU einschlägig war.

Der Fall in der Straße von Hormus ist anders gelagert. Den Zusammenhang, den Sie zwischen Gibraltar und Hormus stellen, ist selbst von iranischer Seite so nicht geäußert worden, darum weiß ich nicht, woher Sie den nehmen. Für uns ist vollkommen klar, dass die Festsetzung zu verurteilen ist. Laut Aussage unserer britischen Partner und im Übrigen auch laut den Daten öffentlich zugänglicher Schiffstracker befand sich das Schiff zum fraglichen Zeitpunkt außerhalb iranischer Gewässer. Wir haben keinen Anlass, an diesen Aussagen der britischen Partner zu zweifeln. Das ist ganz entscheidend für die rechtliche Bewertung. Eine Festsetzung ist damit ganz klar ein Verstoß gegen internationales Recht.

Zusatzfrage: Nach geltendem Seerecht darf diese Art der Schiffsaufbringung, wie die Briten sie angewandt haben, nur dann angewandt werden, wenn es sich um von der internationalen Staatengemeinschaft legitimierte Sanktionen, das heißt, vom UN-Sicherheitsrat verhängte Sanktionen, handelt. Das ist ja nicht der Fall, vielmehr sind es einseitige EU-Sanktionen, die es zumindest nach allem, was ich gelesen habe - und auch nach allgemeiner Rechtsmeinung - , eben nicht ermöglichen, einfach so Schiffe aufzubringen. Sind aus Sicht des Auswärtigen Amtes Schiffsaufbringungen ohne UN-Mandat möglich?

Breul: Punkt eins: EU-Sanktionen sind natürlich nicht völkerrechtswidrig, ansonsten hätten wir sie nicht erlassen. Das ist natürlich völkerrechtskonform.

Zusatz: Das hat auch keiner behauptet.

Breul: Ihre Frage hatte ich gerade so verstanden. - Zu dem Vorfall hatten wir hier ja schon einmal Stellung genommen. Die Umsetzung der EU-Sanktionen obliegt jeweils den national zuständigen Behörden, und wir haben keinerlei Zweifel daran, dass die Behörden dort in Umsetzung der Sanktionen rechtsgemäß tätig geworden sind.

Frage: Ich habe eine Frage an Frau Demmer und auch an Frau Wogatzki: Die neue Verteidigungsministerin hat ja am Wochenende vorgeschlagen oder gefordert, den Rüstungsetat kurzfristig und mittelfristig zu erhöhen. Wie verträgt sich das mit dem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts? Die Bundeskanzlerin hat ja am vergangenen Freitag noch einmal betont, dass davon auf keinen Fall abgewichen wird. Wo soll dieses Geld also herkommen?

SRS'in Demmer: Wir haben dieses Thema hier ja schon vielfach besprochen, und ich kann hier nur sagen: Es gibt zu diesem Thema keinen neuen Stand. Ich kann mich da nur wiederholen: Die Bundesregierung steht fest zu den in Wales getroffenen Vereinbarungen und auch den innerhalb der Bundesregierung getroffenen Vereinbarungen zu diesem Thema. Es ist in unserem eigenen und nationalen Interesse, angemessene Fähigkeiten für unsere Sicherheit und Bündnisverteidigung vorzuhalten. Deutschland hat, so wie viele andere Nato-Partner auch, seine Verteidigungsausgaben zuletzt deutlich erhöht. Da gibt es keinen neuen Stand.

Wogatzki: Ich kann mich dem nur anschließen, und kann ergänzend sagen, dass am 26. Juni ein Haushaltsentwurf vorgelegt wurde. Dieser Entwurf wurde von allen Ministerinnen und Ministern des Kabinetts gebilligt und ist jetzt im parlamentarischen Verfahren.

Ergänzen könnte ich zudem noch, dass seit der Amtsübernahme durch Finanzminister Scholz der Verteidigungsetat erheblich gestiegen ist, um die Ausrüstung der Bundeswehr zu verbessern. Man kann also sagen: Es gibt eine Trendwende, und diese Trendwende wird auch fortgesetzt. Im Jahr 2020 werden 45 Milliarden Euro für den Verteidigungshaushalt bereitgestellt. Das ist gegenüber den Ist-Ausgaben im Jahr 2018 eine Steigerung um 6 Milliarden Euro. Das bedeutet auch, dass die Nato-Quote von 1,24 Prozent in 2018 auf dann 1,39 Prozent steigt. Anders ausgedrückt könnte man, wenn man es auf den Finanzplan bezieht, auch sagen: Im Finanzplan 2016 waren 39 Milliarden Euro für das Jahr 2020 vorgesehen, und jetzt sind, wie gesagt, 45 Milliarden Euro für 2020 vorgesehen. Das sind 15 Prozent mehr, als wir noch vor drei Jahren geplant haben.

Zusatzfrage: Ich glaube, 2021 fällt die Quote dann wieder, da geht es also wieder leicht runter. Besteht vonseiten des Finanzministeriums die Bereitschaft, das dann doch noch einmal aufwachsen zu lassen? Gibt es da noch Spielraum nach oben?

Noch einmal an Frau Demmer: War dieser Vorstoß eigentlich mit dem Kanzleramt abgesprochen? Denn er widerspricht ja durchaus den haushaltspolitischen Festlegungen.

SRS'in Demmer: Ich kann nur sagen: Es bleibt bei den Vereinbarungen, die diese Bundesregierung getroffen hat. Ich kann auch noch einmal den Eckwertebeschluss grundsätzlich erklären. Der stellt ja nur eine Etappe des Haushaltsaufstellungsverfahrens dar. Das Verfahren verläuft ja über völlig verschiedene Etappen bis zur parlamentarischen Beschlussfassung über das Haushaltsgesetz im Herbst. In der Vergangenheit haben sich die jeweiligen Haushaltszahlen über die verschiedenen Etappen im Laufe des Verfahrens noch verändert, insofern können wir hier jetzt keine abschließenden Zahlen nennen.

Wogatzki: Dem kann ich nichts hinzufügen.

Frage: Neue Frage an das Verkehrsministerium zum Thema Klimaschutz: Bekannt ist ja, dass 53 Maßnahmen für den Verkehrssektor vorgeschlagen wurden, um die Klimaziele zu erreichen. Können Sie einmal beziffern, was das denn für Kosten verursachen würde? Darunter sind ja auch Förderprogramme, Steuerermäßigungen usw. Das müssen Sie ja einmal durchgerechnet haben.

Strater: Ja, das ist alles etwas, das im Rahmen des Klimakabinetts besprochen wird, auch ressortintern oder innerhalb der Bundesregierung. Ich kann Ihnen hier jetzt kein Preisschild nennen. Natürlich ist klar, dass 53 Maßnahmen auch eine Menge Geld kosten, aber dieses Geld ist natürlich auch gut investiert, wenn es darum geht, diese Ziele zu erreichen. Alle Ressorts haben hierzu Vorschläge gemacht, und jetzt geht die Diskussion auch innerhalb der Bundesregierung zunächst weiter. Den Fahrplan des Klimakabinetts bis zur Beschlussfassung kennen Sie ja grob. Insofern kann ich hier jetzt nicht mit einer Zahl aufwarten.

Zusatzfrage: Das habe ich, ehrlich gesagt, nicht ganz verstanden. Die Bürger interessiert doch auch, was das dann kosten wird. Warum können Sie das nicht sagen, wenn es diese Zahl gibt?

Strater: Wir werden das dann zu gegebener Zeit auch tun, aber im Moment kann ich Ihnen keine Zahlen nennen. Es ist klar, dass Klimaschutz auch Geld kostet und dass wir für diese 53 Maßnahmen auch Investitionen brauchen - Investitionen in Innovationen, in neue Technologien, die uns nach vorne bringen und das Klima schützen. Aber eine Zahl habe ich jetzt an dieser Stelle heute und im Moment nicht für Sie.

Frage: Herr Strater, die Bundeskanzlerin hat hier am Freitag durchblicken lassen, dass sie für eine CO2-Bepreisung in allen Sektoren ist, also auch im Verkehr. Geht Ihr Minister da mit?

Strater: Auch da gilt, dass wir diese Diskussion jetzt innerhalb der Bundesregierung weiterführen. Auch hier gilt, dass Sie den weiteren Fahrplan für das Klimakabinett und bis zur Beschlussfassung kennen. Im Moment kann ich dazu nicht weiter Stellung nehmen.

Zusatzfrage: Es ist auch Folgendes offengeblieben: Die Bundesumweltministerin hat ja Kompensationen für den Transport- und Logistikbereich vage in den Raum gestellt. Denken Sie in Ihrem Hause darüber nach, wenn es zu einer CO2-Bepreisung oder einem Zertifikatehandel käme?

Strater: "Wenn", "käme" - alles Konjunktiv! Wir werden sehen, was am Ende entschieden werden wird. Auf dem Weg dahin haben wir noch viele Diskussionen zu führen. Im Moment ist der Stand so, wie Sie ihn nach der Sitzung des Klimakabinetts am Donnerstagabend mitgeteilt bekommen haben. Im Moment habe ich Ihnen dazu nichts Neues mitzuteilen.

Frage: Frau Demmer, Herr Breul, wie betrachtet die Bundesregierung den Verlauf und die ersten Ergebnisse der Parlamentswahlen in der Ukraine, die gestern stattgefunden haben?

SRS'in Demmer: Wie Sie wissen, hat die Zentrale Wahlkommission die Stimmauszählung ja noch nicht abgeschlossen. Die OSZE-Wahlbeobachtermission wird heute am frühen Nachmittag in Kiew ihre Erkenntnisse zum Verlauf der Wahlen bekannt geben. Ich kann deshalb jetzt hier nur so viel sagen: Die Bundesregierung setzt darauf, dass die neue Regierung bald ihre Geschäfte aufnehmen und die Reformagenda umsetzen kann, darunter unter anderem die Korruptionsbekämpfung. Deutschland wird die Ukraine auf diesem Weg natürlich weiterhin mit Rat und Tat unterstützen. Wichtig ist für uns neben der innerukrainischen Reformagenda die nachhaltige Lösung der militärischen Auseinandersetzung in der Ostukraine. Wir würdigen die jüngsten Fortschritte bei der Entflechtung im Gebiet von Luhansk und die Bekräftigung der Waffenruhe am Wahlsonntag, die zu einer Beruhigung der Lage beigetragen hat.

Zusatzfrage: Herr Breul, die Freisetzung der ukrainischen Seeleute war ein Thema des Gesprächs von Herrn Maas mit Herrn Lawrow. Gab es eine Reaktion darauf? Kann man vielleicht auf schnellere Fortschritte hoffen?

Breul: Wie immer gilt, dass wir über vertrauliche Gespräche in der Öffentlichkeit nicht en détail briefen können. Aber ich kann bestätigen, dass das Thema erneut auf der Tagesordnung stand. Der Minister hat sich auch dazu geäußert. Er hat noch einmal unmissverständlich klargemacht, dass wir fordern, die festgesetzten Seeleute unverzüglich und bedingungslos freizulassen. Mehr habe ich dazu heute leider nicht mitzuteilen.

Frage: Ich würde ganz gerne noch einmal auf die Aussagen von Herrn Breul zurückkommen. Verstehe ich das Auswärtige Amt richtig, dass das Auswärtige Amt der Überzeugung ist, dass einseitige EU-Sanktionen gegen den Iran die völkerrechtliche Basis bieten, die es ermöglicht, Schiffe in internationalen Gewässern aufzubringen, die unter fremder Flagge fahren?

Breul: Zunächst einmal - dieses Thema hatten wir, glaube ich, schon einmal - sind Sanktionen immer einseitig. Man einigt sich ja nicht mit einem anderen Land darauf, jetzt Sanktionen gegen das Land zu verhängen, sondern ein Land oder ein Staatenverbund verhängt Sanktionen gegen einen anderen. Das ist sozusagen eine Tautologie - - -

Zuruf: Das ist ein Völkerrechtsbegriff, weil Sanktionen vom UN-Sicherheitsrat ja nicht so - - -

Vorsitzende Welty: Vielleicht können wir erst einmal ausreden lassen. Das wäre sehr freundlich!

Breul: Ich habe mich nur an dem Begriff "einseitige Sanktionen" gestoßen. Das halte ich für tautologisch, weil Sanktionen per se immer einseitig sind.

Im Übrigen - ich glaube, das hatte ich eben auch schon getan - möchte ich darauf verweisen, dass die Aufbringung des Schiffes vor Gibraltar nicht Sanktionen gegen den Iran betreffen, sondern die sind Teil des Sanktionsregimes gegen Syrien.

Zusatzfrage: Dann hätte ich diesbezüglich noch eine Nachfrage. Ich habe mir jetzt gerade noch einmal die Verordnung bezüglich der EU-Sanktionen gegen Syrien durchgelesen. Darin steht, wenn ich kurz zitieren darf:

"Rohöl und Erdölerzeugnisse inkl. Flugturbinen, Kraftstoffe und Kraftstoffadditive: Die EU verbietet den Import, den Kauf, die Beförderung, die Finanzierung von Rohöl und Erdölerzeugnissen, die in Anhang IV [...] definiert werden, aus Syrien oder mit Ursprung in Syrien."

Das heißt, es ist zumindest in dem, was ich lesen konnte, in keiner Form davon die Rede, dass der Export nach Syrien durch diese EU-Sanktionen gegen Syrien verboten ist. Da wollte ich fragen, wie die Haltung oder die Interpretation des Auswärtigen Amt in Bezug zu diesem Text ist.

Breul: Das kann ich Ihnen gerne liefern. Wenn Sie im Detail interessiert sind, können wir uns gerne auch danach noch weiter unterhalten. Einschlägig sind hierbei die Normen in der Verordnung, die sich gegen Personen und Organisationen innerhalb Syriens richten, also quasi nicht das Land als Adressat haben, sondern Personen beziehungsweise in diesem Fall Organisationen. Davon sind einige Organisationen ausgeschlossen, und die sind in diesem Fall betroffen.

Frage: Es geht um die angekündigte Reform der Notfallversorgung. Vielleicht können Sie kurz sagen, welcher Zeitrahmen dem Minister dafür vorschwebt.

Gülde: Vielen Dank für diese Frage. Ich kann die Berichterstattung zur Reform der Notfallversorgung erst mal bestätigen. Fakt ist, dass wir jetzt einen Arbeitsentwurf an die Länder verschickt haben und diese um eine Stellungnahme gebeten haben. Zum weiteren Verfahren kann ich Ihnen jetzt erst einmal noch nichts sagen. Die Stellungnahme müssen wir dann abwarten, und dann werden wir wie üblich einen Referentenentwurf vorlegen und den dann auch dem Kabinett vorlegen.

Zusatz: Aber der Minister muss doch einen Zeitrahmen im Kopf haben und wissen, bis wann zumindest Teile davon umgesetzt werden könnten.

Gülde: Wie gesagt: Da bitte ich wirklich dann den Entwurf abzuwarten. Der muss ja dann entsprechend auch noch in das parlamentarische Verfahren gehen.

Frage: Das betrifft ja auch die Nummern, also die Notfallnummer 112, die 116 und die 117. Nun kann ich mich erinnern, dass ein ziemlicher Aufwand betrieben wurde, um die 116 und die 117 einzuführen. Können Sie noch einmal begründen, warum das jetzt - so ist die Berichterstattung - offenbar zusammengelegt werden soll?

Gülde: Ja. Im Kern geht es halt eben darum, dass durch diese Zusammenlegung die tatsächlichen Notfälle von den Fällen differenziert werden sollen, die möglicherweise auch noch an Bereitschaftsärzte beziehungsweise niedergelassene Ärzte weitergeleitet werden können, und möglicherweise dann auch Menschen, die sich dann an den bereitschaftsdienstlichen Dienst wenden, auch als Notfälle zu identifizieren.

Frage: Haben Sie eine Statistik darüber vorliegen, wie oft welche Nummer gewählt wurde?

Gülde: Das müsste ich gegebenenfalls nachreichen.

Frage: Ich hätte noch eine Frage an das Auswärtige Amt, aber wir wechseln den Kontinent. Mich würde der Status von Daniel Kriener interessieren, dem einstigen deutschen Botschafter in Caracas. Die venezolanische Regierung hat ja die Deklaration als Persona non grata zurückgenommen. Es gab ja auch ein Treffen vom Vizeaußenminister Gil mit Marian Schuegraf, der Verantwortlichen im AA. Da würde mich interessieren: Wie ist jetzt der Status? Ist geplant, ihn nach Caracas zurückzuschicken?

Wie wird der Status dieses Treffens zwischen Gil und Schuegraf bewertet? Es wurde ja immer gesagt, man habe keine politischen Kontakte mit der amtierenden venezolanischen Regierung.

Breul: Um mit dem letzten Teil anzufangen: Genau so ist es. Daran wird weiter festgehalten.

In der Tat gab es ein Treffen auf Bitten der venezolanischen Seite, um die Note zu übergeben, mit der die Erklärung von Venezuela zurückgenommen wurde. Ich kann Ihnen mitteilen, dass Herr Kriener am vergangenen Samstag von seinen Konsultationen in Berlin nach Caracas zurückgekehrt ist, nachdem das venezolanische Außenministerium die am 6. März erteilte Ausweisungsnote am 1. Juli zurückgenommen hat. Die Rücknahme - das möchte ich noch einmal betonen - erfolgte auf alleinige Initiative des venezolanischen Außenministeriums ohne irgendwelche Absprachen oder Vorbedingungen. Wir freuen uns, dass Botschafter Kriener seine Aufgaben als Botschafter in Venezuela und wieder vor Ort wahrnehmen kann.

Im Übrigen hat sich unsere Haltung hinsichtlich der Anerkennung von Juan Guaidó als Übergangspräsident Venezuelas im Einklang mit der venezolanischen Verfassung dadurch nicht geändert.

Zusatzfrage: Impliziert die Tatsache, dass Herr Kriener jetzt aufgrund der Rücknahme des Status als Persona non grata durch die amtierende venezolanische Regierung wieder in Caracas ist, nicht auch eine Anerkennung der amtierenden venezolanischen Regierung und ihres diplomatischen Kurses?

Breul: Nein. Herr Kriener ist zurückgekehrt, weil seine politischen Konsultationen hier in Berlin beendet waren. Ich möchte auch noch einmal daran erinnern, dass Herr Kriener auch auf ausdrückliche Bitte von Juan Guaidó zurückgekehrt ist. Er hat das in einem Schreiben an das Auswärtige Amt unterstrichen. Unsere politische Position in der Causa Venezuela ist unverändert.

Frage: Eine Frage an das Forschungsministerium zum Thema Batteriezellforschung. Die Opposition hat im Bundestag eine Sondersitzung beantragt. Ich weiß, ehrlich gesagt, gar nicht, wie diesbezüglich der Stand ist. Aber ich habe gelesen, dass die Ministerin in den USA ist und erst am Mittwoch wiederkommt. Könnte sie überhaupt vor einem Bundestagsausschuss referieren?

Abt: Vielen Dank für die Frage. - Die Ministerin ist in Berlin und wird dem Bundestag, so er dies verlangt, selbstverständlich und jederzeit gerne den Sachverhalt erläutern. Es ist ihr auch ein Anliegen, mögliche Missverständnisse und insbesondere Falschbehauptungen, denen wir ja bereits wiederholt widersprochen haben, entgegenzutreten.

Ob es nun zu einer Sondersitzung des Fachausschusses kommen wird, ist uns noch nicht bekannt. Aber die Ministerin ist hier und wird gerne dem Ausschuss Rede und Antwort stehen.

Zusatzfrage: Ich hatte das den Wochenterminen der Bundesregierung entnommen. War diese Reise geplant und hat sie sie deswegen abgesagt oder ist das einfach nur ein falscher Termin?

Abt: Die Ministerin hatte vor, in die USA zu reisen. Das ist richtig. Sie hat diese Reise aber auch mit Blick auf die Vereidigung der Bundesministerin der Verteidigung verschoben.

Frage: Ich habe noch eine Frage ebenfalls an das Auswärtige Amt. Die deutsche Firma HeidelbergCement betreibt in den besetzten Gebieten der Westbank einen Steinbruch und hat dieses Jahr erneut 10 Hektar zusätzlich von der IDF für den Abbau bekommen. Nach aktuellem Wissensstand gehen über 70 Prozent dieser abgebauten Primärressource nach Israel. Mich würde interessieren: Wie bewertet die Bundesregierung aus völkerrechtlicher Perspektive, eingedenk der Haager Landkriegsordnung, das Agieren von HeidelbergCement in den besetzten Gebieten des WestJordanlandes?

Breul: Ich habe im Prinzip nicht viel dazu zu sagen. Unsere völkerrechtliche Position, was den Nahost-Konflikt angeht, ist bekannt. Gleichzeitig ist es natürlich so, dass Firmen sich sowohl an lokal geltendes Recht als auch an international geltende Bestimmungen zu halten haben.

Was den konkreten Einzelfall angeht, müsste ich die Antwort gegebenenfalls nachreichen. Mir sind nicht alle Fakten bekannt.

Zusatzfrage: Es gibt zumindest einige Juristen, die der Ansicht sind, dass das deutsche Völkerstrafgesetzbuch - 9 Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte - hier Anwendung findet. Dort heißt es sinngemäß: Wer sich im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten völkerrechtswidrig Sachen aneignet, wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bestraft. Deshalb meine Frage an das Innenministerium: Sieht das Innenministerium hier tatsächlich auch Anwendungsbedarf durch 90 des Völkerstrafgesetzbuchs der Bundesrepublik Deutschland?

Ruwwe-Glösenkamp: Das sind strafrechtliche Fragen, sodass ich gerne an den Kollegen des BMJV verweisen würde. Ich habe dazu, ehrlich gesagt, im Moment nichts zu sagen.

Kall: Auch wir haben zu Einzelfällen generell nichts zu sagen. Insofern kann ich dem Sprecher des Auswärtigen Amtes nichts hinzufügen.

Vorsitzende Welty: Das Verteidigungsministerium hat noch eine Ergänzung.

Fähnrich: Ich habe eine Ergänzung hinsichtlich des Punktes zu machen, den der Kollege vorhin mit der Frage nach den zwei Prozent beziehungsweise der Erhöhung des Wehretats gestellt hat.

Ich möchte deutlich machen, dass es, wie der eine oder andere geäußert hat, in diesem Fall nicht um die Aufrüstung der Bundeswehr geht, sondern um die Ausrüstungen, und zwar vor allen Dingen im Hinblick auf die Modernisierung der Streitkräfte. Wir hatten hier schon oft das Thema, dass die Schiffe, die Fahrzeuge oder auch die Flugzeuge, die wir fliegen, in die Jahre gekommen sind. Es geht natürlich darum, diese Modernisierung fortzusetzen. Dafür ist eine langfristige Planung gerade bei uns notwendig, die natürlich der Tatsache geschuldet ist, dass wir langfristige Planungen brauchen, um entsprechende Ausschreibungen und Verfahren einzuleiten und bekanntzugeben.

Es kam so ein bisschen ein falscher Zungenschlag hinein. Ich weiß nicht, ob Sie das initiieren wollten. Aber zumindest kann ich nicht bestätigen, dass es irgendeine Art von Dissens zwischen dem gibt, was die Bundeskanzlerin beziehungsweise die Bundesregierung festgestellt hat, und dem, was die Ministerin in ihren Äußerungen am Sonntag in der Zeitung gemacht hat.

Frage: In welcher Größenordnung denkt die Ministerin eigentlich? Um wie viel muss der Rüstungsetat steigen?

Fähnrich: Da gibt es Abhängigkeiten. Wir haben uns mit der Konzeption der Bundeswehr, basierend auf dem Weißbuch, ein Fähigkeitsprofil gegeben, das natürlich auch an die Planung der Nato angelegt ist. Inwiefern sich diese Zahl in der Zukunft - in den nächsten Jahren - bewegt, ist von den Finanzen beziehungsweise von den Verträgen abhängig, die wir dabei erarbeiten können. Dass es aber ein stetiges Wachstum geben muss, ist, glaube ich, klar.

Montag, 22. Juli 2019

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 22. Juli 2019
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/regierungspressekonferenz-vom-22-juli-2019-1650382
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2019

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