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PRESSEKONFERENZ/1739: Regierungspressekonferenz vom 29. August 2018 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 29. August 2018
Regierungspressekonferenz vom 29. August 2018

Themen: Kabinettssitzung (Gesetzentwurf zur Verbesserung und Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung, Bericht der Bundesregierung zur Lage im Irak und zum deutschen Irak-Engagement, Gründung einer Agentur für Innovation in der Cybersicherheit, Gründung einer Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen), mögliche Finanzhilfen für die Türkei, Sperrklausel bei der Europawahl, 40. Jahrestag des Weltraumflugs von Sigmund Jähn, Ereignisse in Chemnitz, möglicher Gebietsaustausch zwischen Serbien und dem Kosovo, Presseberichte über mangelnde Zusammenarbeit zwischen der italienischen Leitstelle für Seenotrettung mit Schiffen der Operation Sophia, geplante Rodungen im Hambacher Forst, Handelsabkommen zwischen den USA und Mexiko, Haft von Nadja Sawtschenko, Lage in Syrien, angebliche Beschaffung einer Nowitschok-Probe durch den BND in den 90er-Jahren

Sprecher: SRSin Demmer, Fehling (BMF), Burger (AA), Neumann (BMVg), Petermann (BMI), Wagner (BMWi), Kall (BMJV), Fichtner (BMU)


Vorsitzender Feldhoff eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRSin Demmer sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRSin Demmer: Das Kabinett hat heute den Gesetzentwurf zur Verbesserung und Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung beschlossen. Mit diesem Rentenpaket wird die gesetzliche Rentenversicherung auch für die Zukunft tragfähig und verlässlich ausgestaltet. Die Rente ist ein Eckpfeiler unseres Sozialstaates. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich auf eine angemessene Alterssicherung verlassen können. Bundesminister Heil hat Sie ja bereits über die Einzelheiten des Rentenpakets informiert. Deswegen hier nur die wesentlichen Elemente, die eben Sicherheit und Gerechtigkeit für alle Generationen gewährleisten:

Es wird eine sogenannte doppelte Haltelinie eingeführt. Damit wird das Rentenniveau bis zum Jahr 2025 bei mindestens 48 Prozent stabil gehalten. Ebenso wird dafür gesorgt, dass der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung bis 2025 20 Prozent nicht übersteigt.

Menschen, die wegen Krankheit nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten können, werden künftig besser abgesichert. Sie werden bei der Rente so gestellt, als ob sie deutlich länger weitergearbeitet hätten. Im Jahr 2019 wird die Zurechnungszeit für den Renteneintritt in einem Schritt auf 65 Jahre und acht Monate angehoben. Anschließend wird sie schrittweise auf das vollendete 67. Lebensjahr verlängert.

Mütter und Väter, die vor 1992 geborene Kinder erzogen haben, bekommen ab 2019 je Kind ein halbes Erziehungsjahr zusätzlich gutgeschrieben. Pro Kind werden damit insgesamt zweieinhalb Jahre Erziehungszeit für die Rente angerechnet. Bisher waren es nur zwei Jahre.

Nicht zuletzt werden Geringverdienter bei den Sozialabgaben noch stärker entlastet. Künftig sind bei einem Entgelt von mehr als 450 Euro bis 1300 Euro geringere Sozialbeiträge zu zahlen. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass die geringeren Rentenbeiträge nicht zu niedrigeren Rentenansprüchen führen.

Dann hat das Bundeskabinett heute den Bericht der Bundesregierung zur Lage im Irak und zum deutschen Irak-Engagement zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages beschlossen. Es wird dem Deutschen Bundestag im Vorfeld und im Zusammenhang mit dem Antrag der Bundesregierung zum Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur nachhaltigen Bekämpfung des IS-Terrors und zur umfassenden Stabilisierung des Iraks vorgelegt werden.

Irak stand in den letzten Jahrzehnten im Zentrum der großen Konfliktlinien im Nahen und Mittleren Osten. Seit 2014 zielte das deutsche und das internationale Engagement darauf ab, gemeinsam mit dem Irak die Terrorherrschaft des sogenannten Islamischen Staates zu beenden. Dank des entschlossenen Einsatzes der irakischen Streitkräfte und eines zwischen dem Irak und der internationalen Gemeinschaft eng abgestimmten und umfassend angelegten Vorgehens konnte die territoriale Herrschaft des IS im Irak im Dezember 2017 überwunden werden, auch wenn der IS weiterhin eine Gefahr für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit darstellt. Das Engagement im Krisenkontext Irak hat entscheidend dazu beigetragen, dass bereits zwei Drittel der Binnenvertriebenen, etwa 4 Millionen Menschen, nach der Befreiung ihrer Heimat vom IS nach Hause zurückkehren konnten.

Der Irak steht jetzt am Beginn einer neuen Etappe. Die Voraussetzungen für einen positiven Trend sind gegeben. Die Parlamentswahlen im Mai dieses Jahres und eine Nachauszählung verliefen friedlich, eine Regierungsbildung steht aber nach wie vor aus. Die Bevölkerung erwartet jetzt natürlich dringend die rasche Verbesserung ihrer Lebensbedingungen.

Mit diesem politischen Bericht stellt die Bundesregierung dar, wie sie sich das Engagement für und im Irak vorstellt. Der Beitrag der Bundesregierung richtet sich dabei auf folgende Punkte:

Militärische Erfolge im Kampf gegen den IS und nachfolgende Stabilisierungen sollen dauerhaft abgesichert werden. Das Wiedererstarken des Islamischen Staates soll verhindert werden, dem internationalen Terrorismus soll nachhaltig die Grundlage entzogen und die Stabilität in der Region soll gefördert werden.

Auch geht es darum, Ursachen von Flucht und irregulärer Migration zu bekämpfen, Bleibeperspektiven vor Ort und Möglichkeiten zur freiwilligen und sicheren Rückkehr zu verbessern.

Die Fragilität der Staatlichkeit muss überwunden und das Gewaltmonopol der Regierung muss gestärkt werden. Es geht darum, Hilfe bei der Überwindung innenpolitischer Konflikte, etwa im Verhältnis zwischen der Zentralregierung und der Regierung von Kurdistan im Irak, zu leisten.

Es geht um die Förderung einer friedlichen und inklusiven Entwicklung im Sinne der UN-Nachhaltigkeitsagenda, die allen Bevölkerungsgruppen im Land langfristige Lebens- und Zukunftsperspektiven bietet.

Unterstützt werden soll der Irak bei Wirtschaftsreformen, bei der Bekämpfung von Korruption und bei der Sicherung des kulturellen Erbes. Natürlich geht es darum, den gesellschaftlichen Zusammenhalt insgesamt zu stärken.

Bei der Unterstützung des Iraks hat Deutschland weiterhin eine herausgehobene Stellung. Die Bundesregierung arbeitet hierbei mit einem umfassenden Politikansatz, der die Beiträge der Ressorts in einer gemeinsamen politischen Strategie bündelt. Sie bringt die sicherheitspolitischen und die militärischen Maßnahmen abgestimmt mit außen- und entwicklungspolitischen Instrumenten gemeinsam zur Anwendung. Deutschland wird also weiter Verantwortung übernehmen und die Chancen für die Entwicklung des Iraks zu einem stabilen, geeinten, pluralistischen und demokratischen Staat erhöhen.

Außerdem hat die Bundesregierung heute die Gründung einer Agentur für Innovation in der Cybersicherheit beschlossen. Dazu haben sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Innenminister Horst Seehofer heute schon ausführlich geäußert. Ich will mich deshalb hier kurzfassen.

Die Agentur wird Aufgaben erfüllen, die den Bedarf des Staates im Bereich der inneren und äußeren Cybersicherheit decken. Das Verteidigungs- und das Innenministerium werden dazu eine Ressortvereinbarung abschließen.

Mit der Gründung einer solchen Agentur wird ein fest vereinbarter Bestandteil des Koalitionsvertrags umgesetzt. Die Agentur soll als Inhouse-Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH noch in diesem Jahr arbeitsfähig werden. Aufgaben der Agentur sind die Finanzierung und Förderung von ambitionierten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben mit hohem Innovationspotenzial auf dem Gebiet der Cybersicherheit. Dazu gehört auch, dass Schlüsseltechnologien der inneren und äußeren Sicherheit einen nachhaltigen Beitrag zur Sicherung der Zukunft Deutschlands leisten können.

Die Agentur soll in gänzlich neu aufkommenden Technologien der Cybersicherheit investieren und Ideenträgerinnen und Ideenträger zeitlich befristet fördern.

Dann gibt es eine weitere Agentur. Das Bundesforschungs- und das Bundeswirtschaftsministerium haben die Gründung einer Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen im Kabinett vorgebracht. Auch hierzu haben die Minister jeweils schon informiert.

Wie Sie wissen, steht die Marke "Made in Germany" weltweit für qualitativ hochwertige und innovative Produkte und Dienstleistungen. In Deutschland werden durch Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen regelmäßig Erfindungen und Ideen mit hohem Potenzial für Sprunginnovationen generiert. Diese Potenziale werden aber noch nicht in ausreichendem Maße und in der im internationalen Wettbewerb notwendigen Dynamik ausgeschöpft. Erfolgreiche Produkte von heute sind einfach keine Garantie für den Markterfolg von morgen. Mit der Gründung einer Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen wird die Bundesregierung deshalb ein für Deutschland einmaliges Förderinstrument einführen. Die Kernidee ist dabei, eine grundsätzlich themen-, disziplin- und technologieoffene Förderung einzuführen, da Sprunginnovationen häufig an den Schnittstellen zwischen den etablierten Themenfeldern und Disziplinen scheitern.

Die Agentur soll aus einer konsequenten Anwendungsperspektive heraus hoch innovative Ideen zu neuen Produkten und Dienstleistungen mit marktveränderndem Potenzial entwickeln. Durch Sprunginnovationen ergeben sich für die deutsche Industrie große Chancen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum, die Schaffung neuer, hochwertiger Arbeitsplätze und die signifikante Verbesserung der Lebensqualität.

Frage: Ich möchte vom Finanzministerium wissen, ob und welchen Korrekturbedarf es für den ja schon vorgestellten Haushaltsentwurf 2019 aus dem Rentenpaket heraus gibt.

Fehling: Dazu kann ich Ihnen derzeit keine Angaben machen.

Frage: Frau Demmer, in dem Bericht zum Irak heißt es, Sicherheit könne es dort nur geben, wenn die irakischen Sicherheitskräfte selbst in der Lage seien, dies zu gewährleisten. Dem dient die Ausbildung. Nun sagt die irakische Regierung, dafür bräuchte sie auch moderne Waffen. Die aber will Deutschland nicht liefern. Sagen Sie hier nicht auf der einen Seite, dass Sie unterstützen, aber das, was zum Erreichen des Ziels notwendig wäre, wird verweigert?

SRSin Demmer: Die Mission im Irak dient der Ausbildung der Soldaten im Irak. Zu den Details können sich vielleicht die zuständigen Ressorts noch äußern.

Burger: Ich würde sagen, wir haben in den letzten Jahren in ganz erheblichem Umfang Unterstützung für den Irak geleistet, auch im Sicherheitsbereich. Wir haben das nicht allein getan, sondern wir haben das im Rahmen der internationalen Koalition gegen ISIS mit abgestimmten Beiträgen von verschiedenen Partnern getan. Unser Beitrag lag schwerpunktmäßig im Bereich der Ausstattung und der Ausbildung der Peschmerga im Nordirak. Andere Partner haben andere Schwerpunkte gesetzt. Aber ich glaube, man kann schon sagen, dass Irak ein in sich abgestimmtes und schlüssiges Unterstützungspaket vonseiten der Koalition bekommen hat.

Neumann: Ich kann vielleicht noch ergänzen, dass sich die materielle Unterstützung immer an dem Auftrag gemessen hat, je nachdem, was dort gerade im Fokus stand. Wie Sie wissen, ist jetzt in dem neuen Mandat in einer neuen Qualität ein ausbalanciertes und bedarfsorientiertes Engagement weiterhin unser Ziel. Hierbei stehen der Aufbau von Ausbildungsstrukturen, Beratung, Logistik und Sanität im Fokus.

Zusatzfrage: Das heißt also, der Wunsch, den Bagdad ja hat, und zwar mit Hinweis darauf, dass die Peschmerga auch mit modernen deutschen Waffen ausgestattet worden sind, wird von Deutschland nicht erfüllt werden?

Burger: Ich weiß nicht, auf welchen konkreten Wunsch Sie sich jetzt beziehen. Wir leisten, wie gesagt, die Unterstützung, die wir leisten. In diesem Bericht geht es ja in erster Linie um die Unterstützung, die wir bisher, in der Phase, in der es in erster Linie um den Kampf gegen den IS und das Zurückdrängen des IS ging - das ja auch erfolgreich stattgefunden hat -, geleistet haben. Ich glaube, es macht wenig Sinn, sich isoliert anzuschauen, was Deutschland tut. Wir haben es vielmehr im Rahmen der Koalition getan. Das war insofern abgestimmt.

Frage: Ich habe eine Frage an Sie, Frau Demmer. Ihr Kollege Seibert hat vor einigen Tagen, hier zu möglichen Finanzhilfen für die Türkei gefragt, gesagt, diese Frage stelle sich für die Bundesregierung aktuell nicht. Nun gab es gestern eine internationale Berichterstattung, die einen etwas anderen Eindruck erweckte. Gilt diese Versicherung, aktuell stelle sich die Frage nicht, weiterhin?

SRSin Demmer: Ich habe keinen neuen Stand.

Frage: Ich möchte, Bezug nehmend auf die Berichterstattung gestern und auch auf die Äußerung von Herrn Seibert, Frau Demmer und möglicherweise auch Herrn Fehling fragen: Herr Seibert hat damals gesagt, aktuell gebe es keine diesbezüglichen Überlegungen. Das lässt zumindest Raum dafür, dass es vielleicht doch irgendwann vor diesem Treffen am 20. September oder vor dem Besuch des Präsidenten noch die Möglichkeit gäbe, irgendwelche Hilfen auf den Weg zu bringen.

Meine Frage lautet: Wie bereitet man sich eigentlich auf dieses Treffen vor? Gibt es also derzeit Überlegungen, wie man der Türkei helfen kann, oder sagt man erst einmal: Die Türkei muss sich, wenn sie sich helfen lassen will, an den IWF wenden?

SRSin Demmer: Wenn ich mich recht entsinne, hat Herr Seibert sogar Interpretationshilfe für das Wort "aktuell" hier geliefert. Von meiner Seite gibt es keinen neuen Stand. Sie kennen die Vorbereitungen. Es gibt auch im Vorfeld des Besuchs des Präsidenten hier Treffen des Finanzministers und des Wirtschaftsministers mit ihren Counterparts. Darüber hinaus gibt es einfach keinen neuen Stand.

Fehling: Ich kann auch nichts Weiteres ergänzen.

Zusatzfrage: Aber, Herr Fehling, worüber will Herr Scholz eigentlich mit seinem türkischen Counterpart diskutieren?

Fehling: Das Treffen dient der Vorbereitung des anschließenden Gipfeltreffens auf Ebene der Staats- und Regierungschefs mit den dann anstehenden Themen.

Zusatzfrage: Thematisch geht es dabei schon um die Wirtschaftskrise in der Türkei, nehme ich an, wenn die Finanzminister und die Wirtschaftsminister miteinander sprechen. Richtig?

Fehling: Das Treffen ist ja noch ein bisschen hin. Ich bitte um Verständnis, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt noch keine näheren Angaben machen.

SRSin Demmer: Wir können doch dem Treffen jetzt hier nicht vorgreifen.

Frage : Frau Demmer, dann hätte ich gern allgemein gewusst, ob der Zustand, in dem sich die Türkei gerade befindet - dass in dem Lande zumindest wirtschafts- und finanzpolitisch gerade die Kurve nach unten geht -, einer ist, den die Bundesregierung so hinnehmen kann.

SRSin Demmer: Die Bundesregierung verfolgt die Entwicklung in der Türkei sehr genau. Unser Interesse ist, dass die Türkei ein stabiles, prosperierendes und demokratisches Land ist. Dazu tragen wirtschaftliche Beziehungen bei, und daran arbeiten wir wie gewohnt.

Zusatzfrage: Ist die Türkei denn gerade ein stabiles Land?

SRSin Demmer: Wir werden jetzt von hier aus keine Bewertung anderer Staaten vornehmen. Ich habe alles gesagt, was ich zu diesem Thema zu sagen habe.

Zusatzfrage: Aber die Bewertung gibt ja die Bundesregierung vor, indem sie sagt, sie hat ein Interesse an einer stabilen Türkei.

SRSin Demmer: Das ist keine Bewertung, sondern das ist das, was wir uns von unseren Partnern wünschen.

Frage: Ich habe eine Frage zur Sperrklausel bei der Europawahl, weiß aber nicht, welches Ministerium hierfür zuständig ist, Innen, Justiz oder vielleicht auch das Kanzleramt.

Der Bundestag will in der kommenden Sitzungswoche oder jedenfalls noch im September diese Sperrklausel beschließen. Zum Verfahren hätte ich gern gewusst, ob das eigentlich auch noch durch das Kabinett muss - denn dabei geht es auch um die Ratifizierung dessen, was dazu in Brüssel beschlossen worden ist - und wie Sie dazu stehen, dass es wieder 3 Prozent sein sollen, wo doch das Bundesverfassungsgericht diese Regelung 2013 schon einmal gekippt hatte.

Vorsitzender Feldhoff: Ich glaube, für Wahlen ist das BMI zuständig.

Petermann: Ja, unter verfassungsrechtlicher Sicht schon. Soweit ich weiß, sind Wahlangelegenheiten immer Angelegenheiten des Deutschen Bundestages. Das ist bei uns traditionell so. Deswegen finden Sie mich insoweit etwas uninformiert. Ich werde aber noch einmal nachfragen. Nur, ich glaube, wir sind da nicht der richtige Ansprechpartner.

Frage: Am 26. August 1980 flog Sigmund Jähn als erster Deutscher ins Weltall. Am Sonntag war der 40. Jahrestag. Vonseiten der Bundesregierung erfolgte kein Glückwunsch, keine Würdigung dieser historischen Leistung.

Was waren die konkreten Gründe der Bundesregierung, auf jegliche Würdigung der Leistung von Sigmund Jähn zum 40. Jahrestag zu verzichten?

Wagner: Wir haben uns geäußert. Der Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt, Herr Jarzombek, hat sich geäußert. Er hat das Ereignis gewürdigt, hat Herrn Jähn gewürdigt und hat gesagt, dass er ein Pionier der Raumfahrt war, der erste Deutsche im All. Das können Sie auf seinem Twitter-Account nachlesen.

Zusatzfrage: Dürfte ich zum einen wissen, in welcher konkreten Form er das gewürdigt hat?

Und zum anderen an die Regierungssprecherin die Frage - es ist ja kein Kleines historisches Ereignis -, ob aus dem Kanzleramt dazu gar nichts kam und ob dazu auch nichts gekommen wäre, wenn Herr Jähn kein DDR-Kosmonaut, sondern ein westdeutscher Astronaut gewesen und mit einer NASA-Rakete als erster Deutsche ins Weltall geflogen wäre.

Wagner: Er hat über Twitter einen Tweet dazu abgesetzt. Dieser hatte eine große Reichweite. Die Raumfahrt ist ja eine sehr innovative Branche. Insoweit kann man auch ein innovatives Kommunikationsmittel wählen.

Zusatzfrage: Aber es gab keine persönlichen Glückwünsche? Das war ja auch Teil meiner Frage.

Wagner: Das ist mir jetzt nicht bekannt.

SRSin Demmer: Ich möchte mir Ihre Analyse gar nicht zu Eigen machen.

Zusatz: Es war eine Frage.

SRSin Demmer: Nun ja, Sie haben Ihrer Frage schon eine Interpretation beigegeben. - Ihr Sachstand stimmt nicht. Auch Herr Seibert hat dazu getwittert.

Frage: Ich möchte noch einmal an das Kabinett anknüpfen. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte hat die Politiker, auch die deutschen, aufgefordert, noch deutlicher als bisher zu den Ereignissen in Chemnitz Stellung zu nehmen. War das eigentlich ein Thema heute im Kabinett, Frau Demmer? Wurde darüber gesprochen, und wäre es nicht auch, wenn sich die Kanzlerin und andere schon individuell geäußert haben, ein Anlass, dass das Kabinett insgesamt Position bezieht?

SRSin Demmer: Sie haben völlig recht. Das ist ein großes und wichtiges Thema, und auch wenn sich schon zahlreiche Mitglieder der Bundesregierung dazu geäußert haben, war es auch dem Kabinett in seiner Sitzung ein Anliegen, darüber zu sprechen. Es wurde darüber debattiert. Über die genauen Inhalte und Details kann ich hier wie immer keine Auskunft geben. Aber ich kann Ihnen sagen, dass zum Beispiel die Familienministerin nach Chemnitz reisen wird. Die Bundeskanzlerin selbst hat gestern mit der Oberbürgermeisterin und dem Ministerpräsidenten telefoniert. Sie können sicher sein, dass sich die gesamte Bundesregierung der Ernsthaftigkeit dieses Themas bewusst ist und das auch immer wieder zum Ausdruck bringen wird.

Zusatzfrage: Aber es ist nicht in Planung, dass es - wie soll man sagen? - vonseiten der Bundesregierung so etwas wie eine konzertierte, eine koordinierte Aktionsplanung gibt? Chemnitz hat ja denn doch eine symbolische und auch internationale Dimension erreicht, die anders ist als das, was man bislang kannte.

SRSin Demmer: Die Bundeskanzlerin hat sich ja schon sehr deutlich geäußert, dass es auf keinem Platz und keiner Straße zu solchen Ausschreitungen kommen darf und Hetzjagden und Zusammenrottungen, wie sie in Chemnitz zu sehen waren, mit unserem Rechtsstaat nichts zu tun haben. Ich glaube, dass es einer Kraftanstrengung der gesamten Gesellschaft - nicht nur für den Moment, sondern langfristig - bedarf, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Frage: Frau Petermann, ich habe zwei Fragen an das Bundesinnenministerium.

Erste Frage: Warum hat eigentlich der Bundesinnenminister fast zwei Tage gebraucht, um sich zu Chemnitz zu äußern? War die Lage so verworren? Ist sie jetzt endlich klar für ihn?

Zweite Frage: Er hat angeboten, dort Bundespolizisten einzusetzen. Liegen Anfragen aus Sachsen für den Einsatz von Bundespolizisten vor?

Petermann: Der Bundesinnenminister hat das erklärt. Er möchte nicht irgendwelche Bewertungen aus der Hüfte heraus vornehmen.

Ich habe schon am Montag Stellung bezogen und gesagt, dass das BMI mit seinen Sicherheitsbehörden Bundeskriminalamt und BfV im Rahmen der Zentralstellenfunktion die sächsischen Behörden unterstützt. Aber auch wir konnten am Montag noch keine Bewertung vornehmen und sind dann eher zurückhaltend.

Der Bundesinnenminister hat heute Morgen noch einmal, aber auch gestern erklärt, dass er erst einmal Informationen sowohl vom sächsischen Innenminister als auch vom Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums einholen wollte. Er wollte also erst einen fundierten sachlichen Hintergrund haben, bevor er dazu Stellung bezieht. Das hat er gestern Vormittag ja dann auch getan.

Zu Ihrer zweiten Frage: Es ist üblich, dass ein einzelnes Bundesland, wenn es selbst es für erforderlich hält, Hilfe bei den Nachbarländern oder anderen Bundesländern oder auch von der Bundespolizei einholt. Diese Hilfe wird dann in der Regel, wenn die Kapazitäten vorliegen, gewährt. Bisher gab es, soweit mir bekannt, noch keine Anfrage durch den Freistaat Sachsen.

Frage: Kann das BMI Berichte bestätigen, dass der sächsische Verfassungsschutz am Montagmittag gewarnt habe, dass er mit einer mittleren vierstelligen Teilnehmerzahl rechne, die Chemnitzer Polizeiführung das aber nicht berücksichtigt habe?

Petermann: Das kann ich nicht bestätigen. Das weiß ich nicht.

Frage: Wie wird im Bundesjustizministerium beurteilt wird, dass offenbar ein Haftbefehl im Internet offen sichtbar gemacht wurde? Gibt es Vorläufer zu diesem Fall? Was sieht das Gesetz für solche Amtsverfehlungen vor?

Kall: Mir ist ein solcher Fall nicht bekannt. Wir halten das Vorgehen, einen Haftbefehl zu veröffentlichen, für völlig inakzeptabel. Ich kann von hier aus schlecht eine rechtliche Bewertung vornehmen. Das ist auch nicht meine Aufgabe, sondern die Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden. Natürlich geht es dann auch um Dienstgeheimnisse und Ähnliches, wenn Sie darauf anspielen, dass Haftbefehle möglicherweise aus Behörden herausgegeben worden sind. Aber all das kann ich von hier aus nicht beurteilen. Das müssen die Strafverfolgungsbehörden in Sachsen tun. Aber natürlich halten wir dieses Vorgehen für vollkommen inakzeptabel.

Frage: Frau Petermann, könnten Sie vielleicht nachprüfen und gegebenenfalls bestätigen, ob es doch zutrifft, dass der Präsident des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz heute öffentlich erklärt hat, man habe die Polizei vor dem Umfang der zu erwartenden Demonstrationen gewarnt, und diese Warnung habe sich, was den Umfang betreffe, tatsächlich bestätigt?

Gab es auch vonseiten der Bundessicherheitsbehörden entsprechende Erkenntnisse, und wurden sie an die Polizei in Chemnitz weitergeleitet?

Petermann: Ich bitte ganz herzlich um Verständnis dafür, dass ich zu Erkenntnissen aus dem Bereich des Freistaates Sachsen keine Auskunft geben kann. Ich bitte Sie ganz herzlich, das in Sachsen zu erfragen. Das entzieht sich meiner Kenntnis und unterfällt auch nicht unserer Kompetenz als Bundesministerium des Innern.

Zum Bereich des BfV weiß ich es nicht. Aber ich gehe davon aus, dass ich, selbst wenn ich es wüsste, zu solchen Vorgängen keine Auskunft erteilen könnte.

Zusatzfrage: Können Sie also nicht sagen, ob auch Bundessicherheitsbehörden sozusagen mit der Chemnitzer Polizei im Austausch über die real zu erwartende Situation waren?

Petermann: Dazu weiß ich nichts.

Frage: Meine Frage hat den Balkan zum Thema. Vor Kurzem gab es ein Telefonat zwischen der Kanzlerin und dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Wir haben in der letzten Zeit Äußerungen gehört, dass das Thema von Grenzverschiebungen kein Tabu mehr sei.

Frau Merkel hat gestern auf der Pressekonferenz mit dem kroatischen Premierminister Plenkovi´c etwas dazu gesagt. Aber ihre Aussage war nicht ganz eindeutig. Zumindest wurde sie in der balkanischen Presse so interpretiert, dass Grenzveränderungen auf dem Balkan für Deutschland keine rote Linie mehr darstellten. Können Sie uns hierüber ein bisschen Klarheit verschaffen?

SRSin Demmer: Die Bundeskanzlerin hat gestern auf der Pressekonferenz deutlich gesagt, dass sie natürlich alle Gespräche, die zu Zielen führen, unterstützt. Sie hat aber gleichzeitig gesagt, dass die territoriale Integrität, wie sie heute geschaffen wurde, eine wichtige Größe ist. Das hat sie auch bei den Besuchen der Premierminister aus Bosnien-Herzegowina und Montenegro deutlich gemacht.

Zusatzfrage: Aber wenn sich die Parteien einigen, zum Beispiel Thaçi und Vuci´c, die gerade Gespräche in Brüssel führen, und Brüssel das auch sozusagen absegnet, dass man zum Beispiel Gebiete zwischen Serbien und dem Kosovo austauscht, dann wäre das ja ein Gespräch, das zu einem Ziel führt. Würde Deutschland diesem Abkommen dann zustimmen? Ist das umsetzbar oder realistisch für Sie?

SRSin Demmer: Das ist sehr in die Zukunft gerichtet, und wir spekulieren hier nicht über zukünftige Ereignisse.

Ich kann einfach noch einmal betonen: Die territoriale Integrität ist eine zentrale Größe. Grundsätzlich ist alles willkommen, was es unterstützt, eine tragfähige Lösung zu finden.

Zusatzfrage: Eine verhandelbare Größe, auch zentral, ja. Aber kann man darüber verhandeln?

SRSin Demmer: Ich habe dem jetzt nichts hinzuzufügen.

Frage: Ich kann mich erinnern, dass bei einer früheren Pressekonferenz entweder Herr Seibert oder die Kanzlerin gesagt hat, das sei nicht verhandelbar. Das war, meine ich, der Ausdruck, der gewählt wurde. Jetzt heißt es nur noch, das sei eine feste Größe oder eine wichtige Größe. Es hat also schon eine gewisse Verschiebung stattgefunden. Wenn man sagt "nicht verhandelbar", dann heißt das, dass das nicht zu verhandeln ist. Über eine feste Größe könnte man ja schon verhandeln.

SRSin Demmer: Ich kann, wie gesagt, den Worten der Kanzlerin jetzt nichts hinzufügen.

Zusatzfrage: Die USA sehen das ja ein bisschen anders als die Bundesregierung. Gibt es ein Bestreben, vielleicht eine gemeinsame Position hinzubekommen? Darauf deuteten gestern die Sätze der Kanzlerin ein bisschen hin.

SRSin Demmer: Sie hat gestern gesagt, dass sie mit Trump über dieses Thema gesprochen hat. Auch dabei hat sie unterstrichen, wie wichtig ihr die territoriale Integrität ist. Darüber hinaus kann ich Ihnen hier nichts Weiteres sagen.

Frage: Herr Neumann, es gibt Presseberichte, denen zufolge hochrangige deutsche Marineoffiziere sich in Bezug auf die Operation Sophia so geäußert hätten, dass die italienische Seenotrettungsleitstelle seit Monaten die Rettungsarbeit dadurch behindere, dass sie Daten von Seenotrettungsschiffen gar nicht mehr an Sophia-Schiffe weiterleite, sodass diese niemanden mehr aus dem Wasser retten könnten.

Können Sie das, da es offensichtlich aus deutschen Marinekreisen kommt, inhaltlich bestätigen?

Neumann: Ich kann Ihnen höchsten noch einmal wiederholen - das war aber schon sehr oft Thema hier in der Pressekonferenz -, dass das Ziel der Mission Sophia die Bekämpfung der Schleuserkriminalität, die Ausbildung der libyschen Küstenwache und natürlich die Unterbindung illegalen Waffenschmuggels ist. Das ist das Ziel der Mission Sophia.

Wie Sie auch wissen, ist es die seemännische Verpflichtung eines jeden Seefahrers, Menschen in Not, in diesem Falle in Seenot, praktisch wie im Straßenverkehr die Erste Hilfe, zu unterstützen und an Bord zu nehmen.

Für unsere Kräfte - das wissen Sie wahrscheinlich auch, wenn Sie in den letzten Wochen hier anwesend waren - ist bis auf eine Änderung, die wir in den nächsten Wochen und Monaten erwarten, der derzeitige Operationsplan weiterhin gültig.

Zum Einsatz der Kräfte müssen Sie bitte beim zuständigen italienischen Hauptquartier nachfragen. Denn dort führt man die Kräfte, die seegehenden Einheiten vor Ort.

Zusatz: Das ist bekannt. Wir haben auch die Aufgabensetzung von Sophia hier diskutiert. Dennoch ist eine Feststellung deutscher Offiziere, die sagen, die Rettungsleitstelle für Seenotrettung verhindere Seenotrettung dadurch, dass sie die Daten von Rettungsschiffen gar nicht mehr weitergebe, doch ein substanziell neuer Vorgang. Wenn deutsche Offiziere das sagen, wüsste ich gern, ob das Ihrem Erkenntnisstand entspricht.

Neumann: Über die Weitergabe von Notsignalen kann ich hier nichts sagen. Ich habe bereits ausgeführt, dass der Einsatz der seegehenden Einheiten durch die italienische Einsatzführung bestimmt wird. Aber zu den Seenotmeldungen kann ich hier keine Auskunft geben.

Frage: Ich habe eine Frage zum Thema Kohlekommission und Hambacher Forst an das Umweltministerium und an das Wirtschaftsministerium. Es gibt wohl Befürchtungen - vielleicht ist es auch schon passiert; die Nachrichtenlage dazu ist unklar -, dass RWE trotz der laufenden Arbeit der Kommission schon die Kettensägen angeschmissen hat und im Hambacher Forst abgeholzt wird.

Ich wüsste gern, ob die Ministerin oder der Minister Kontakt mit RWE aufgenommen und vielleicht darum gebeten haben, dass das Ganze unterlassen wird, weil das die Arbeit der Kommission insgesamt gefährden könnte.

Mir ist klar, dass die Kommission gerade tagt, aber die Frage geht ja ein bisschen darüber hinaus. Vielleicht können Sie dazu etwas sagen. - Danke.

Wagner: Zu den konkreten Vorfällen, die Sie gerade schildern, kann ich nichts sagen. Das ist mir nicht bekannt.

Fichtner: Ich kann das wiederholen, was die Ministerin schon vergangenen Freitag gesagt hat. Wir wollen einen gesellschaftlichen Konsens organisieren. Mit der Strukturwandelkommission haben wir jetzt die historische Chance dazu. Diese schwierige Konsenssuche darf nicht durch Störfeuer während der Gespräche gefährdet werden. Das gilt für alle, aber eben auch für RWE und die möglichen Rodungen.

Aber uns ist natürlich auch klar, dass das Bundesumweltministerium in dieser Frage keine direkte Handhabe hat. Genehmigungen für Rodungsarbeiten sind Ländersache.

Das ist unsere Haltung.

Frage: Ich möchte das Wirtschaftsministerium und vielleicht auch Sie, Frau Demmer, fragen. Die USA haben jetzt eine Handelsvereinbarung mit Mexiko erzielt. Womöglich wird Kanada beitreten. Was sagt uns das in Hinblick auf die anstehende Aufnahme der Gespräche zwischen der EU und den USA? Ist das ein Hinweis, dass sich die Aussichten dafür, dass man zwischen Europa und den USA zu einem Konsens kommt, verbessert haben?

Wagner: Zunächst einmal gilt, dass das Abkommen, dass die USA und Mexiko geschlossen haben eine bilaterale Handelsvereinbarung zwischen diesen beiden Staaten ist und natürlich erst einmal keine Auswirkungen auf die EU hat. Wir sind daran nicht beteiligt. Ich würde das deshalb auch nicht weiter kommentieren wollen.

Grundsätzlich gilt, und das wissen Sie, die Haltung des Wirtschaftsministers und der Bundesregierung sowie der Europäischen Union, dass wir für offene Märkte sind und Zölle senken, aber nicht anheben wollen. Das Gleiche gilt für weitere Handelshemmnisse. Deshalb begrüßen wir es sehr, dass sich Kommissionspräsident Juncker und Präsident Trump Ende Juli darauf verständigt haben, konkrete Verhandlungen aufnehmen zu wollen. Diese Verhandlungen werden demnächst beginnen. Die Verhandlungen führt die Kommission. Insoweit können wir das vonseiten des Wirtschaftsministeriums nicht weiter kommentieren.

Frage: Das Auswärtige Amt verkündete 2016, ihm liege das humanitäre Schicksal von Nadja Sawtschenko sehr am Herzen. Damals war sie angeklagt wegen der Tötung russischer Journalisten in Russland. Mittlerweile sitzt Nadja Sawtschenko in der Ukraine im Gefängnis, und zwar seit März 2018. Seit zwei Monaten befindet sie sich im Hungerstreik. Ihre parlamentarische Immunität wurde unter fragwürdigen Umständen aufgehoben. Wieso liegt der Bundesregierung, wieso liegt dem Auswärtigen Amt mittlerweile das humanitäre Schicksal von Nadja Sawtschenko nicht mehr so am Herzen?

Burger: Dazu müsste ich Ihnen die Antwort nachreichen, ich kenne den aktuellen Stand nicht.

Frage: An das Justizministerium noch einmal in Bezug auf Chemnitz: Da sind jetzt ja offenbar Ablichtungen oder die Dokumente eines Haftbefehls im Internet aufgetaucht. Die Polizei hat wohl inzwischen die Authentizität bestätigt. Das bedeutet ja zum Einen, dass irgendjemand, der - -

Vorsitzender Feldhoff: Die Frage hatten wir doch eben schon. Oder kommen Sie jetzt auf eine andere Frage?

Frage: Ich komme auf die Frage: Welcher Straftatbestand liegt vor, wenn solche Dokumente veröffentlicht werden?

Kall: Auf eine wirklich ganz ähnliche Frage habe ich ja vorhin schon geantwortet. Ich kann von hier aus keine strafrechtlichen Beurteilungen vornehmen, weil ich erstens die Einzelfallumstände nicht alle kenne, und weil es zweitens - Stichwort Gewaltenteilung - Aufgabe der Justiz ist, Strafbarkeit zu beurteilen. Ich habe vorhin ein Stichwort, nämlich das Stichwort des Dienstgeheimnisses in den Raum geworfen. Natürlich ist es auch unter verschiedenen Aspekten - Datenschutz, Persönlichkeitsschutz, Unschuldsvermutung usw. - hochproblematisch, wenn ein Haftbefehl öffentlich wird. Ich habe gesagt: Das ist aus unserer Sicht völlig inakzeptabel. Ich kann von hier aus aber keine abschließende strafrechtliche Bewertung vornehmen; das wird die Staatsanwaltschaft und das werden irgendwann Gerichte tun müssen.

Zusatz: Dann bitte ich um Entschuldigung, wenn dies vorhin an mir zumindest teilweise vorbeigegangen ist.

Frage: Ich möchte, wenn es möglich ist, noch einmal zurück zum Thema Cybersicherheitsagentur kommen. An Frau Demmer: Inwiefern ist die Gründung einer solchen Agentur mit dem Thema wachsender Hackeraktivitäten aus Russland verbunden?

SRSin Demmer: Es geht dabei ja um Innovationen im Bereich der Cybersicherheit. Zu den Details würde ich die zuständigen Ressorts um eine Antwort bitten.

Petermann: Ich kann gerne beginnen. Aus der Innenperspektive kann man feststellen: Cyberangriffe auf die kritischen Infrastrukturen finden ja ganz generell in hoher Anzahl statt. Dabei würde ich es auch belassen.

Neumann: Ziel dieser Agentur ist ja, Innovationen und technischen Fortschritt zu finden, die zu fördern und dann auf den Weg zu bringen. Insofern ist das also nicht zielgerichtet auf irgendeine bestimmte Bedrohung, sondern für jedwede Bedrohung aus dem Cyberraum in dieser Thematik relevant.

Frage: Ich habe noch eine Frage an das Außenministerium: Unser EU-Partner Polen plant offenbar, in größerem Stile Wohnungsbauprojekte in Syrien für rückkehrwillige Flüchtlinge zu finanzieren, und zwar wohl auch mit Unterstützung der syrischen Regierung von Assad.

Erstens: Ist möglicherweise auch die Bundesregierung an einem solchen Projekt oder ähnlichen Projekten beteiligt?

Zweitens: Wäre es ein Ausschlusskriterium für die Bundesregierung, sich an einem solchen Projekt zu beteiligen, wenn gleichzeitig Assad mitwirken würde oder an einem solchen Vorhaben beteiligt wäre?

Burger: Das konkrete Vorhaben, das Sie hier ansprechen, ist mir nicht bekannt, da müsste ich mich noch einmal informieren.

Über die grundsätzliche Frage einer großflächigen Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien haben wir hier in den letzten Wochen ja ganz häufig gesprochen, darauf würde ich Sie verweisen. Aus unserer Sicht sind im Moment leider die Bedingungen, die Voraussetzungen dafür nicht gegeben, dass in größerer Zahl freiwillig Menschen nach Syrien zurückkehren würden. In den Nachbarstaaten leben ja teilweise Millionen syrischer Flüchtlinge unter sehr schwierigen Lebensumständen. Auch da stellen wir bisher nicht fest, dass es wirklich eine großflächige Rückkehrbewegung gibt. Insofern fehlen dafür aus unserer Sicht im Moment noch die Voraussetzungen.

Zusatzfrage: Ist es für die Bundesregierung ein Ausschlusskriterium, wenn an irgendwelchen Vorhaben in Syrien auch die Assad-Regierung beteiligt ist, zu der die Bundesregierung ja eine sehr deutliche Position hat?

Burger: Über mögliche Projekte will ich hier jetzt überhaupt nicht spekulieren - das scheint mir im Moment alles etwas zu sehr im hypothetischen Raum stattzufinden. Was wir gesagt haben, ist, dass die Voraussetzungen für eine großflächige Rückkehr im Moment nicht gegeben sind. Erst wenn auf der humanitären Ebene diese Voraussetzungen bestehen, sollte man über das Thema Rückkehr nachdenken.

Was das Thema Wiederaufbau angeht: Ich glaube, Voraussetzung dafür ist - das haben wir auch immer wieder festgestellt -, dass es zunächst einmal eine politische Lösung geben muss.

Frage: In den 90er-Jahren gelangte der BND im Zuge einer mehrere Völkerrechtsverträge brechenden Operation an das Nervengift Nowitschok. Meine Frage an die Bundesregierung wäre: Hat die Bundesregierung mittlerweile einen genauen Überblick, wer beim BND und bei der Bundeswehr im Besitz der Nowitschok-Formel ist?

Neumann: Ich kann gerne anfangen und verweise Sie auf drei Pressekonferenzen, in deren Protokollen Sie gerne nachschauen können, nämlich die Pressekonferenzen vom 16. März, vom 18. Mai und vom 6. Juni. Dort wurde Ihre Frage vollumfänglich mehrfach beantwortet.

Zusatzfrage: Die Frage habe ich in dieser Form noch nie gestellt.

Neumann: Dann schauen Sie mal bitte in das Protokoll.

Zusatzfrage: Das lese ich immer brav. - Ich hätte noch eine Nachfrage, die vermutlich ähnlich beantwortet wird, aber auch diese Frage habe ich bisher noch nicht gestellt - das kann ich Ihnen auch im Protokoll zeigen -: Ist der Bundesregierung bekannt, was aus dieser Nowitschok-Probe wurde, die, wie ich schon geschildert habe, in die Bundesrepublik und dann später nach Schweden gebracht wurde? Die Schweden sagen, sie wüssten nicht, was damit passiert ist. Da kann man ja nur hoffen, dass zumindest die Bundesregierung weiß, was aus dieser Nowitschok-Probe geworden ist.

Neumann: Ich verweise erneut auf die Protokolle.

Zusatzfrage: Und die Regierungssprecherin?

SRSin Demmer: Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Zusatz: Wie gesagt, diese Frage habe ich noch nie in dieser Form gestellt. Aber gut, wir versuchen es noch einmal.

Neumann: Dort sind Aussagen getätigt worden, die Ihre Frage beantworten - auch wenn Sie vielleicht nicht die Antwort hören wollen, die Sie dort lesen.

Mittwoch, 29. August 2018

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 29. August 2018
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2018/08/2018-08-29-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. August 2018

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