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PRESSEKONFERENZ/1738: Kanzlerin Merkel und der senegalesische Präsident Macky Sall, 29.08.2018 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz in Dakar - Mittwoch, 29. August 2018
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Präsidenten der Republik Senegal, Macky Sall

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)


P Sall: Guten Tag, meine Damen und Herren, sehr verehrte Journalisten! Ich hatte soeben ein Gespräch mit der Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich ihres offiziellen Besuchs hier bei uns im Senegal.

Es ist ein ganz besonderer Ehrengast, den wir heute empfangen. Die Bundeskanzlerin ist bekannt und anerkannt für ihr langes politisches Engagement, für ihre Führungsrolle in Deutschland, in Europa und in der Welt. Ich selbst konnte mich von ihren Qualitäten bei meinem offiziellen Besuch in Deutschland im Jahr 2014 und bei unseren Gesprächen am Rande internationaler Begegnungen wie dem G7- und dem G20-Gipfel überzeugen. Ich möchte der Bundeskanzlerin meine Hochachtung aussprechen und möchte sie für ihr großes Verantwortungsbewusstsein und die führende Rolle würdigen, die dazu beiträgt, dass Deutschland Stabilitätspol für Europa und eine Stimme ist, die weltweit Gehör findet. Frau Bundeskanzlerin, es ist uns eine Ehre, Sie hier im Senegal empfangen zu können. Im Namen meiner Landsleute und in meinem eigenen bedanke ich mich herzlich für Ihren Besuch. Ich möchte Sie und die umfangreiche und wichtige Delegation, die Sie begleitet, einmal mehr willkommen heißen!

Wir haben mit der Bundeskanzlerin über Themen gemeinsamen Interesses gesprochen, auch über die bilaterale Kooperation zwischen unseren Ländern, über die Situation in Afrika und auch über das internationale Tagesgeschehen. Die deutsche-senegalesische Zusammenarbeit läuft gut. Sie geht auf das Jahr 1960 zurück, das Jahr unserer Unabhängigkeit. Sie hat viele Investitionsprojekte hervorgebracht, und das in verschiedenen Sektoren. Heute konzentriert sie sich auf die Energie, vor allem natürlich auf die Energieeffizienz, den Zugang zur Energie für Haushalte und auch die Ausbildung im Bereich der Solarenergie.

Ich habe der Bundeskanzlerin gegenüber zum Ausdruck gebracht, wie sehr wir mit der Qualität unserer Zusammenarbeit in einem so wichtigen Sektor wie dem Energiesektor zufrieden sind, in dem wir trotz unserer umfangreichen Fortschritte nach wie vor Bedarf haben, den wir zu befriedigen haben, vor allem im ländlichen Bereich. Mit der Unterstützung durch die deutsche Zusammenarbeit konnten wir ein großes Projekt zur Elektrifizierung von 300 Dörfern mit Solarenergie organisieren. Ich bedanke mich dafür, dass das möglich war, ganz herzlich bei Ihnen, Frau Bundeskanzlerin. Derzeit unterzeichnet der Premierminister mit den deutschen Unternehmen dieses Abkommen zur Elektrifizierung von 300 Dörfern.

Ich würdige diese Partnerschaft, in die auch die Privatsektoren beider Länder involviert sind. Daher weiß ich es auch zu schätzen, dass die Bundeskanzlerin diese Reise in Begleitung einer hochrangigen Unternehmerdelegation aus Deutschland durchführt, die gekommen sind, um sich die Geschäfts- und Partnerschaftsmöglichkeiten hier im Senegal anzuschauen. Wir sind ein Land, das offen für ausländische Investitionen ist und in dem die Kooperation auch diversifiziert ist. Wir sind hier offen für Wirtschaftsvertreter aus Deutschland. Auch gibt es schon viele deutsche Wirtschaftsvertreter, die hier bereits aktiv sind. Das ist also ein ganz klares Zeichen unseres gemeinsamen Willens, über dieses Geber-Empfänger-Verhältnis hinauszugehen, um wirklich eine partnerschaftliche Beziehung zum Nutzen beider durch Austausch und Investitionen zu schaffen, durch die auch Beschäftigungschancen und andere Aktivitäten, die ein Einkommen ermöglichen, entstehen.

Das ist auch der Sinn der Initiative "Compact with Africa", die Frau Merkel selbst vor etwas mehr als einem Jahr im Rahmen ihrer G20-Präsidentschaft ins Leben gerufen hat. Diese Initiative, die ich einmal mehr würdige, zielt darauf ab, die privaten Investitionen und das Wachstum in Afrika zu fördern. Das scheint uns fundamental wichtig zu sein. Ein Beispiel dafür, was wir mit dem "Compact with Africa" tun können, ist zum Beispiel dieses Projekt zur Elektrifizierung, ein konkretes Projekt, das wirklich Auswirkungen auf unsere Entwicklung hat, das auch unserem Ziel der nachhaltigen Entwicklung entspricht und das auch zur Stärkung der Zusammenarbeit beiträgt. Ich denke, wir haben hier einen Weg, den wir gemeinsam im Rahmen des "Compact with Africa" zurücklegen können, auch hinsichtlich der Förderung der Zusammenarbeit mit Deutschland.

Wir haben natürlich auch über die Situation in Westafrika gesprochen. Ich habe der Frau Bundeskanzlerin auch zur Wahl der Bundesrepublik Deutschland in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gratuliert. Ich habe mich für den deutschen Beitrag zur Gewährleistung der Sicherheit im Sahelgebiet bedankt, vor allem in Mali, wo Deutschland eine ganz wichtige Rolle spielt.

Vielleicht belasse ich es dabei; denn ich habe bereits viel gesprochen, Frau Bundeskanzlerin. Aus Höflichkeit sollte man auch dem Gast erst einmal die Möglichkeit geben, etwas zu sagen, und ich möchte das hiermit tun. - Bitte schön!

BK'in Merkel: Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Macky Sall, ich möchte mich für den herzlichen Empfang hier in Dakar im Senegal bedanken. Ich habe oft davon gesprochen, dass ich Ihr Land einmal kennenlernen möchte, nachdem wir uns schon so oft getroffen haben und auch seit einer ganzen Zeit zusammenarbeiten.

Ich glaube, dass Senegal ein Beispiel für ein Land ist, in dem es eine große Offenheit gibt, das sich zum Multilateralismus bekennt, das seine Rolle bezüglich der regionalen Verantwortung spielt und das vor allen Dingen auch einen neuen Abschnitt in der eigenen Entwicklung eingeschlagen hat. Das sieht man ja hier auch an allen Ecken und Enden daran, wie überall gebaut wird.

Wir wollen natürlich, dass dies auch eine gleichmäßige Entwicklung wird, das heißt, nicht nur in den Städten, sondern eben auch in den ländlichen Bereichen. Deshalb glaube ich in der Tat, dass das Projekt, über das wir sehr oft gesprochen haben, das nun heute unterzeichnet werden kann und durch das 300 Dörfer mit Elektrizität, mit Solarenergie versorgt werden können, ein gutes Symbol auch für diesen Besuch ist, ein Anfang.

Wir als Bundesrepublik Deutschland mussten und müssen noch weiter einiges lernen, wenn wir im Investitionswettbewerb - Senegal ist völlig offen, was die Angebote anbelangt - auch erfolgreich sein wollen. Deshalb haben wir angesichts Ihrer Mitwirkung bei dem "Compact with Africa" die Finanzierungsbedingungen für unsere Unternehmen auch verbessert, um ein Zeichen dafür zu setzen, dass Investitionen gewünscht sind. In der Wirtschaftsdelegation, die mitreist, gibt es ja vonseiten großer Unternehmen wie Siemens bis hin zu Mittelständlern viele interessante Ansatzpunkte für eine weitere Zusammenarbeit.

Senegal und Deutschland pflegen seit der Unabhängigkeit Senegals auch eine Zusammenarbeit in der Entwicklung. Wir müssen jetzt lernen, die Entwicklungszusammenarbeit auch in vernünftiger Weise mit den privaten Investitionen zu kombinieren, um dann Schritt für Schritt zu einem selbsttragenden Aufschwung überzugehen. Wir wissen: In Ihrem Land - es ist ein junges Land - kommen jedes Jahr 300 000 junge Menschen auf den Arbeitsmarkt und suchen ihre Chancen. Deshalb ist es in unserem gemeinsamen Interesse, dass es eine erfolgreiche Entwicklung in Ihrem Land gibt.

Senegal spielt eine sehr aktive Rolle im Bereich von ECOWAS, der Vereinigung westafrikanischer Länder, und in der gesamten Sahel-Initiative. Deshalb haben wir uns ein wenig über Ihre Nachbarschaft ausgetauscht. Es hat die Wahlen in Mali gegeben, und die sind ja glücklicherweise auch einigermaßen friedlich abgelaufen.

Senegal macht mit beim "Compact with Africa". Wir haben hier über die Erwartungen gesprochen. Ich freue mich, dass Sie diese Initiative als positiv ansehen und auch bereit sind, im Oktober nach Deutschland zu reisen, wo wir jetzt nach unserer G20-Präsidentschaft mit der Weltbank und dem Internationalem Währungsfonds versuchen wollen, diesen Compact dann auch zum Erfolg zu führen. Das heißt, und das ist im Gespräch auch klar geworden, immer wieder: Investitionen, Investitionen, Investitionen!

Deutschland und Senegal arbeiten im Bereich der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz zusammen. Ich glaube, wir können auch bei der Wasserversorgung noch vieles tun, auch mit privaten Investitionen. Es gibt auch eine ganze Zahl von Bildungsprojekten und Ausbildungsprojekten, und hierbei will Deutschland auch in Zukunft und weiterhin ein guter Partner sein. Deshalb, glaube ich, liegt noch ein ganzes Stück Zukunft vor uns. Es gab bis jetzt nicht so viele deutsche Besuche im Senegal.

Ich möchte Ihnen auch für Ihre Mitwirkung danken, als es um die Demokratisierung von Gambia ging. Dabei hat Senegal auch eine sehr positive Rolle gespielt.

Insgesamt werden wir unsere Zusammenarbeit mit Afrika und der Afrikanischen Union vonseiten der Europäischen Union auch Schritt für Schritt erneuern und sozusagen im 21 Jahrhundert ankommen. Ich glaube, dass es sehr, sehr wichtig war, dass die Afrikanische Union die Agenda 2063 entworfen hat, dann 100 Jahre nach der Selbstständigkeit. In der verbleibenden Zeit gilt es, viel zu tun. Wir werden unsere Politik so durchführen, und darüber haben wir heute eben auch gesprochen, dass wir auf Sie hören, darauf, welche Projekte Ihnen wichtig sind, und nicht sozusagen das zu Ihnen bringen, was uns wichtig ist; denn so kann man Entwicklung nicht gestalten. Wir wollen eine eigenständige, selbstbewusste Entwicklung auch Ihres Landes. Herzlichen Dank für den freundschaftlichen Empfang!

Frage: Sehr geehrter Präsident, meine Frage befasst sich mit dem Thema der illegalen Migration. Haben Sie darüber gesprochen? Was ist Ihre persönliche Einschätzung der Situation, die sich ja in letzter Zeit noch einmal sehr deutlich gezeigt hat? Wer hat dafür die direkte Verantwortung? Gibt es da eine direkte Verantwortung Ihrer Seite aufgrund Ihrer Politik? Was sind Ihrer Meinung nach die Maßnahmen, die notwendig sind?

Es gibt ja auch Senegalesen, die in Deutschland Asyl beantragt haben, und Ihre Regierung hat gesagt, dass es nicht unbedingt angemessen sei, es anzunehmen. Ging es also auch um das Thema der Rückkehr?

P Sall: Ich danke Ihnen für die Frage. - Illegale Migration und die Verantwortung dafür - das ist eine schwierige Frage. Ich glaube sehr deutlich, dass Senegal genauso wie die meisten afrikanischen Länder, wenn nicht sogar alle afrikanischen Länder, aktuell sehr großes Leid ertragen muss, wenn es um das Thema der illegalen Migration geht. Es gibt immer mehr, die sich auf den Weg der Migration machen, die die Sahara durchqueren, die das Mittelmeer überqueren. Das ist etwas, das nur sehr schwer zu ertragen ist.

Was uns als Afrikaner betrifft, ist es jetzt so, dass wir der afrikanischen Jugend alternative Lösungsmöglichkeiten bieten müssen. Es geht nämlich nicht darum, dass sie im Mittelmeer sterben oder in Europa illegal leben, sondern das ist eine Frage, bei der es um die Würde Afrikas geht. Das ist auch nicht die Perspektive, die wir wollen. Das ist für uns nicht akzeptabel. Was wir wollen, ist, dass wir Lösungen finden und dass wir der Jugend auf unserem Kontinent, auf dem afrikanischen Kontinent, Chancen bieten.

Natürlich gibt es auch im Senegal einige Jugendliche, die sich auf den Weg in dieses Abenteuer machen. Erst vor einer Woche ist hier eine Piroge an den Stränden von Dakar aufgelaufen, und wir haben die Schleuser, die dafür verantwortlich waren, dann auch entsprechend verhaftet.

Wir wollen gegen illegale Migration kämpfen. Gleichzeitig müssen wir mit Europa zusammenarbeiten, um mehr Freiheit im Personenverkehr und bei der Vergabe von Visa zu schaffen, damit es eine normalisierte, legale Migration gibt und damit es einen Zugang für jene gibt, die eben nach Europa reisen müssen, ob nun für Handel oder Studium, weil sie Künstler sind, weil sie Kulturschaffende sind oder weil sie Hochschulvertreter und Schulvertreter sind. Das ist etwas, bei dem wir auf partnerschaftlicher Basis mit Europa zusammenarbeiten. Aber wir kämpfen auch gegen diese Schleuserbanden, die Menschen ausbeuten und diesen Menschenhandel eben weiter befördern, und müssen gegen sie kämpfen. Damit kämpfen wir gemeinsam mit all jenen, die gegen diese Schleusernetzwerke kämpfen. Das sind kriminelle Netzwerke, und man darf dabei nicht Komplize dieser Schleuser für diese Form von Migration sein. Das sind wir nicht, und das werden wir auch nicht sein.

Natürlich gibt es in Deutschland einige Senegalesen. Es sind ungefähr 6300 Senegalesen, die in Deutschland leben. Davon haben ungefähr 1000 aktuell einen illegalen Aufenthaltsstatus. Wir arbeiten mit der Bundeskanzlerin eng zusammen. Unsere beiden Regierungen arbeiten sehr eng und verantwortungsbewusst zusammen, um sie zu identifizieren. Wenn sie identifiziert worden sind, wenn Deutschland einen Aufenthaltsrahmen bieten kann - - - Es geht hierbei nicht um Asyl, denn um Asyl bieten zu können, muss es eine Diktatur geben, muss es Krieg geben, müssen die Menschen in ihrem Heimatland verfolgt werden. Aber das ist im Senegal nicht der Fall; davon kann man ja nicht sprechen. Es gibt ja keine Bedrohung dieser Art. Aber das hängt natürlich auch von der deutschen Regierung ab, davon, dass man einmal betrachtet, wie man vielleicht einem Teil dieser Personen auch einen Aufenthaltsrahmen bieten kann, davon, ob es dafür eine Möglichkeit gibt und ob es Möglichkeiten gibt, die auch die Würde dieser Migranten berücksichtigen, und das Ganze eben unter Bedingungen, die würdig sind. Aber das ist eine Angelegenheit, die sich eben mit diesen Leuten befasst, die sich in dieser Situation befinden.

Die Bundeskanzlerin und ich haben beschlossen, dass unsere beiden Regierungen in dieser Frage eng zusammenarbeiten, dass wir dabei unserem Verantwortungsbewusstsein gerecht werden und dass wir das Ganze auch von der menschlichen Seite aus betrachten. Das möchten wir jetzt eben auch mit der Delegation tun. Wir möchten gerade die Beschäftigung von Jugendlichen fördern, und es gibt hier zwei Programme, das PUDC, also das Investitionsprogramm für den ländlichen Raum, sowie das DACC, mit dem wir im ländlichen Raum Arbeitsplätze für Jugendliche und für junge Menschen schaffen. Wenn es dort Wasser und Elektrizität gibt, wenn es dort Chancen gibt, wenn es dort gute Lebensbedingungen gibt, dann gehen die Menschen nicht.

Das heißt, die wirkliche Antwort ist, dass Afrika Lösungen findet, und Europa hat ein Interesse daran, uns auf diesem Weg zu begleiten. Es geht jetzt darum, zu handeln. Das heißt, Europa arbeitet mit uns zusammen an den Lösungen für Inklusion auf nationaler Ebene vor Ort. Das ist eben die Finanzierung dieser Beschäftigungsmöglichkeiten für Jugendliche. Ich glaube, das sind einige Ansätze, die wir jetzt auch beide verfolgen werden.

BK'in Merkel: Ich kann bestätigen, dass wir das Thema Migration natürlich auch besprochen haben. Erfreulicherweise hat der Präsident ja auch gesagt, dass wir nicht Komplizen der Schlepper und Schleuser sein dürfen und vor allem auch nicht zuschauen dürfen, wie Menschen in Gefahr geraten. Wir haben das immer wieder in Libyen gesehen. Wir haben das im Mittelmeer gesehen. Das ist eine schwierige Situation.

Wir sind jetzt sehr detailliert dabei, zu arbeiten. Aber von deutscher Seite aus will ich sagen: Ich habe sehr großes Verständnis dafür, dass wir die Situation einerseits so machen müssen, dass wir die Illegalität bekämpfen, aber auf der anderen Seite auch legale Möglichkeiten schaffen, und zwar für Visa - der Präsident sprach es an -, aber eben auch Möglichkeiten für Beschäftigung und Arbeit hier vor Ort. Deshalb ist es für mich bei diesem Besuch auch so wichtig, dass wir mit einer Wirtschaftsdelegation gekommen sind. Deshalb ist es für mich wichtig, dass wir, wenn wir uns im Oktober im Rahmen des "Compact with Africa" treffen werden, dem eine Investitionskonferenz vorschalten, weil wir von unserer Seite aus zeigen müssen, dass wir Zukunft geben wollen und bei der Zukunft helfen wollen. Meine Überzeugung ist: Je besser wir das machen, umso mehr wird es auch die Bereitschaft geben, in diesen Fragen der illegalen Migration sehr eng zusammenarbeiten.

Frage: Meine erste Frage richtet sich an den senegalesischen Präsidenten. Sie hatten nun in kurzer Abfolge die Staatschefs aus China, Frankreich und der Türkei zu Gast. Jetzt ist die deutsche Bundeskanzlerin hier. Welches dieser Länder ist Ihnen der wichtigste Partner? Warum?

Frau Bundeskanzlerin, Deutschland und Senegal haben Anfang des Jahres hier vor Ort ein Informationszentrum zum Thema Migration eröffnet. Würden Sie sich wünschen, dass das als Projekt ein Vorbild für alle Länder in Afrika ist?

P Sall: Vielen Dank. Meine Antwort wird natürlich sein, dass sie alle für uns und für den Senegal wichtig sind, seien es Deutschland, Frankreich, die Türkei, China oder auch die USA. Wir haben traditionelle Freundschaften, die dazu führen, dass wir einem Land wie Frankreich, das ja hier Kolonialmacht war - - - Zum Glück haben wir uns gütlich getrennt. Deswegen ist die Freundschaft zwischen Frankreich und Senegal bestehen geblieben.

Aber ich möchte es hier ganz deutlich sagen: Senegal ist offen für jegliche Form der Zusammenarbeit. Da, wo wir ein Interesse haben, werden wir uns wirklich sehr engagieren. Deutschland ist sehr willkommen; Frau Bundeskanzlerin, ich habe Ihnen das bereits gesagt. Auch China, die USA, Frankreich sowie die Türkei sind hier willkommen. Sobald wir eine Möglichkeit dafür finden, dass die Finanzierung funktioniert und dass es Zugang für junge Menschen zu Arbeitsplätzen gibt, werden wir das machen. Dann werden wir unseren jungen Menschen diese Chancen ja nicht verschließen. Wenn wir Perspektiven für Arbeitsmöglichkeiten für die jungen Menschen haben, dann werden wir das natürlich tun.

Ich glaube, Ihr Land hat hier sehr gute und wichtige Argumente, nämlich den guten Ruf, die Qualität der deutschen Produkte, die Gewissenhaftigkeit. All das ist sehr wichtig, zum Beispiel in den Bereichen Bau, Maschinenbau und Fabriken. Senegal braucht Industrialisierung, und natürlich ist Deutschland auch die größte Volkswirtschaft in Europa. Sie haben natürlich auch umfangreiche finanzielle Mittel. Jetzt muss man natürlich nur herausfinden, welches die richtigen Formeln und Möglichkeiten sind, um dabei zusammenzukommen und sich so an der Finanzierung unserer Entwicklung zu beteiligen. Man muss einfach schauen, wie die Gleichung funktionieren kann - das Angebot Deutschlands, das Angebot Senegals, wie wir da zusammenkommen, oder auch von anderen Ländern -, und zwar so, dass es für beide Seiten von Vorteil ist. Das heißt, wir können alle nur gewinnen.

Afrika hat jetzt 1 Milliarde Einwohner und ist in ständigem, exponentiellem Wachstum begriffen, was natürlich auch eine Herausforderung ist, auch wenn es inzwischen 400 Millionen bis 500 Millionen Menschen gibt, die in der Mittelschicht angekommen sind und die Kaufkraft haben. Das heißt, das ist ein riesiges Gebiet, wo noch viel zu bauen ist: Straßen, Schienen und auch Wasserversorgung. Darüber haben wir mit der Bundeskanzlerin auch gesprochen: Wie können wir unser Wasserversorgungsnetz noch verbessern? - Es ist noch so viel zu tun. Die Chancen sind da, und wir sind offen.

Es gibt Rechtssicherheit, auch eine funktionierende Justiz - ein weiterer Garant für Investoren - und Rechtsstaatlichkeit. All das trägt dazu bei, private Investitionstätigkeit zu entwickeln. Auch nach meinem Besuch im Oktober werden wir sicherlich noch weiter in Richtung Partnerschaft gehen können.

BK'in Merkel: Wir wollen im Rahmen des "Compact with Africa" auch sowieso noch eine Entwicklungspartnerschaft mit Senegal aufbauen.

Was das Zentrum für Migration anbelangt: Uns geht es vor allen Dingen darum, eine sachliche Aufklärung zu betreiben und auch auf Projekte der Entwicklung hinzuweisen. Wir wissen nämlich, dass viele junge Menschen mit völlig falschen Darstellungen konfrontiert werden, in denen von Schleppern, Schleusern und deren Kumpanen der Eindruck erweckt wird, dass sozusagen eine tolle Welt auf diese jungen Menschen wartet. Oft ist der Weg in diese Welt schon ein tödlicher oder ein sehr gefährlicher, und die Zukunft ist eben auch keine gute. Da wir wollen, dass die Jugend Senegals eine gute Zukunft hat, wollen wir von unserer Seite aus etwas für die Aufklärung tun. Das gilt auch für die Angebote, die wir machen können. Ich denke, was die Angebote angeht, müssen wir noch mehr schaffen. Deshalb arbeiten wir ja auch sehr intensiv daran. Aber wenn man hört, was manchen jungen Menschen darüber erzählt wird, was sie in Deutschland erwartet, dann kann ich und will ich diese Gelegenheit eigentlich auch nutzen, dazu wirklich zu sagen: Das hat leider mit der Realität oft nichts zu tun. Deshalb ist uns wichtig, dass wir von staatlicher Stelle auch die richtigen, fairen und realen Informationen geben.

P Sall: Nur ein Kommentar, Frau Bundeskanzlerin, zum Thema "Identifizierung und verlässliche Daten", was senegalesische Migranten angeht: Unser Land hat sich dazu verpflichtet, und der gesamte ECOWAS-Raum hat einen biometrischen Personalausweis eingeführt. Der ist absolut verlässlich. Deswegen kann man heute zumindest für den Senegal sagen, dass die Identifizierung kein Problem mehr darstellt, denn wir haben jetzt auch die biometrischen Daten in unseren Personenstandsregistern. Das betrifft dann eben auch entsprechend die Personalausweise und Pässe.

Diese Anziehungsfähigkeit des Westens und Europas für Jugendliche ist auch etwas, das dadurch entsteht, dass man einen Kontinent zeigt, auf dem es keine Probleme gibt. Immer wieder wird in den Medien gezeigt, dass dort alles perfekt ist, dass es die ideale Welt ist. Es ist sozusagen das Eldorado. Das heißt, zwangsläufig gibt es diese Anziehungskraft Richtung Europa. Denn das ist wie mit Insekten: Die fliegen auch zum Licht. Sie fliegen einfach zum Licht hin, und genau so entsteht diese Migration.

Das heißt, wir haben auch die Aufgabe, ein Gegenbild von Afrika zu zeichnen. Denn es gibt ein Afrika, das sich auf den Weg gemacht hat, das Fortschritte macht, ein Afrika, in dem man Perspektiven finden kann. Das ist etwas, das wir vermitteln möchten. Wir möchten diesen Diskurs über Afrika neu schaffen. Wir möchten selbst unsere Geschichte erzählen, um eben zu zeigen, dass es auf unserem Kontinent Chancen gibt. Es gibt Arbeit, die auf unserem Kontinent geleistet wird und geleistet werden kann. Ich weiß, dass es gute Perspektiven gibt. Das möchten wir gemeinsam mit Ihrer Unterstützung noch einfacher und besser ermöglichen.

Frage: Ich aber eine Frage an die deutsche Bundeskanzlerin. Ihr Land engagiert sich ja bezüglich der bewaffneten Konflikte in Afrika. Welche Verbindungen haben Sie zwischen den Migrationsbewegungen und den Unsicherheiten im Sahelgebiet identifiziert?

BK'in Merkel: Ich glaube, man muss unterscheiden. Ich rede jetzt gar nicht über das Sahelgebiet, sondern ich rede vielleicht über eine Entwicklung in Afrika, die ja im Moment sehr positiv läuft, nämlich die Öffnung Eritreas und die Kooperation mit Äthiopien. Aber Eritrea war zum Beispiel über viele Jahre hinweg ein Land, aus dem ja viele junge Leute geflohen sind. Die Anerkennungsquoten in Deutschland waren dann zum Beispiel auch höher als in Bezug auf das Beispiel Senegal. Sie müssen wissen: Wenn jemand aus Senegal um Asyl bittet, beträgt die Anerkennungsquote 3 Prozent. Das heißt, das ist sozusagen Ausdruck des deutschen Rechtsstaats dafür, dass im Senegal die Bedingungen für ein freies Leben im allergrößten Sinne gegeben sind. Das ist natürlich in Bürgerkriegsregionen etwas anderes.

Aber wir haben auch die Situation, dass es gerade dann, wenn der Weg in die Mittelschicht vielleicht manchen sozusagen nicht schnell genug geht, besonders die Länder sind, aus denen dann auch Migration stattfindet, Wirtschaftsmigration. Wir haben ja schon darüber gesprochen, dass wir kein solches Bild von Europa zeichnen dürfen, dass Menschen dann ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen. Wir glauben aber, dass Sicherheit und Entwicklung zusammengehören. Es wird keine Entwicklung ohne Sicherheit geben und keine Sicherheit, ohne dass es Entwicklung gibt. Denn wir wissen ja auch, dass viele Kämpfe zum Beispiel durch den Klimawandel oder durch zu wenig Land stattfinden. Dadurch entstehen dann auch wieder Situationen, in denen Menschen in die Flucht gedrängt werden.

Deshalb unterstützen wir erstens MINUSMA, weil wir zum Beispiel ein sicheres Mali wollen. Senegal ist in MINUSMA auch sehr engagiert. Deshalb bilden wir auch malische Truppen aus, weil wir sagen: Wir müssen Mali selbst in die Lage versetzen, dass es mit eigenen Soldaten auch seine Verantwortung wahrnehmen kann. Außerdem haben wir von den Sahel-5 die Aufgabe angenommen, zu sagen: Wir müssen diese G5-Sahel-Truppen unterstützen, die sich ergänzend zu MINUSMA vorgenommen haben, auch mit eigenen Kräften gegen den Terrorismus vorzugehen. Hierzu gab es auch schon eine Vielzahl von Konferenzen, und Deutschland ist auch ganz aktiv mit dabei, diesen Ländern - Senegal ist nicht dabei, aber Niger, Tschad, Mauretanien, Burkina Faso und Mali sind es - dabei zu helfen, diese eigenen Kräfte zu stärken.

Das heißt: Wir haben verstanden - Sicherheit und Entwicklung gehören zusammen. Das ist nicht ein Entweder-oder, sondern wir müssen in beiden Teilen versuchen, unseren Beitrag zu leisten.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich habe eine Frage und komme noch einmal auf die Wirtschaft zurück. Sie haben die Bedeutung von Investitionen betont. Wenn man mit der deutschen Wirtschaft spricht, dann sagt die: Die Bundesregierung könnte sehr viel mehr dafür tun, damit mehr investiert wird, nämlich eine sehr viel größere Absicherung gegen Risiken. - Sind Sie dazu bereit? Plant die Bundesregierung, das bis zum Oktober massiv auszubauen? Vielleicht können Sie uns sagen, wie da der Stand ist.

Herr Präsident, erlauben Sie eine Nachfrage zu Ihrer Bemerkung von eben, was das idealisierte Bild von Europa angeht? Mich würde interessieren, ob die Probleme, mit denen Europa und auch Deutschland teilweise zu kämpfen hat, nämlich Fremdenfeindlichkeit, hier in Ihrem Land kein Thema sind.

BK'in Merkel: Wir sind ja Lernende. Ich meine, jedes wirtschaftliche Engagement - - - Bei uns investiert nicht der Staat, sondern bei uns investieren private Unternehmen. Die treffen eine Entscheidung. Wir können dabei helfen, dass sie getroffen wird, aber wir können nicht 100 Prozent jedes Risikos übernehmen.

Der Präsident hat mir in unserem Gespräch gesagt: Vielleicht ist auch die Perzeption von afrikanischen Ländern noch viel zu schlecht. Er hat ja eben darauf hingewiesen, welche Entwicklungschancen es hier gibt. Wenn man immer nur die Risiken sieht und wenn man immer nur darauf schaut, welches Risiko man eingeht, dann traut man Afrika vielleicht auch zu wenig zu. Genau so, wie manchmal ein ideales Bild von Europa gemalt wird, wird vielleicht auch ein etwas düsteres Bild von Afrika gemalt. Das ist nicht mehr die Situation von vor 20 oder 30 Jahren. Gerade ein Land wie Senegal hat doch auch, was die Verlässlichkeit und die Rechtssicherheit anbelangt, einen weiten Weg zurückgelegt, und dafür müssen wir auch werben.

Deutschland ist schon in vielen Ländern mit Exporten dabei, aber Afrika ist noch ein bisschen unentdecktes Terrain. Deshalb ist das vielleicht auch ein Lerneffekt. Denn wir haben schon bei Ludwig Erhard, dem Vater der sozialen Marktwirtschaft, gelernt: Wirtschaft ist auch 50 Prozent Psychologie. - Deshalb können wir noch überlegen und werden auch weiter überlegen, wie wir etwas tun. Man kann natürlich auch durch die Risikobewertung innerhalb der Hermes-Kredite ein Zeichen setzen. Deshalb setzen wir die KfW mit der DEG als einen Zweig ein.

Aber wir brauchen auch Vertrauen von Unternehmen in afrikanische Länder. Ich meine, Afrika hat mehr als 50 Länder. Die kann man nicht alle über einen Kamm scheren. Da gibt es ganz unterschiedliche Bedingungen. Aber Sie sehen hier am Beispiel von Senegal, dass man sich auch wirklich eine ehrgeizige Agenda gegeben hat.

Es ist also eine Mischung aus Vertrauen unserer Investoren und der Hilfe, die wir geben. Wir werden Sie dann rechtzeitig vor dem 30. Oktober noch einmal darüber informieren, welche zusätzlichen Schritte wir gegangen sein werden.

P Sall: Vielen Dank. - Ich denke, was wir von der Bundeskanzlerin und der deutschen Regierung erwarten, ist das, was wir bereits in Berlin bei der G20-Konferenz in Hamburg gesagt haben, und zwar, dass die Regierung die deutschen Unternehmen, die in unserem Land investieren, begleitet. Das ist der Unterschied. Wenn dahinter eine Garantie oder eine Bürgschaft steht und man darauf im Notfall zurückgreifen kann, dann ist das eine Sicherheit. Aber auch wir als afrikanische Staaten geben eine Garantie ab. Gemeinsam sind wir alle in der Weltbank und beim Internationalen Währungsfond im Begriff, die Risiken zu minimieren und zu mindern. Aber dafür bedarf es eben auch der Regierung, die das Ganze begleitet, wie die Bundeskanzlerin es bereits formuliert hat, damit die Unternehmen eben auch Angebote machen können, die dann angenommen werden.

Nun zu dem Thema, was sich in Europa aktuell verändert: Natürlich verfolgen wir das. Die Welt ist ein Dorf. Was weit entfernt in Deutschland passiert, was in Polen passiert oder was auch immer in einem anderen Gebiet der Welt passiert, wird natürlich von der Welt ganz eng verfolgt - durch das Fernsehen, durch die Medien. Wir haben natürlich auch die Position der Bundeskanzlerin begrüßt. Ich glaube, Europa sollte keine Angst vor Migranten haben. Ja, natürlich, man muss diese großen Wellen beherrschen; denn Europa ist nicht darauf vorbereitet, innerhalb so kurzer Zeit eine so große Zahl von Migranten aufzunehmen. Aber die Angst vor anderen ist oft etwas, das eine Abwesenheit von Erfahrung ist, von Wissen über den anderen. Wenn man den anderen kennt, dann hat man auch keine Angst mehr. Das heißt, ich glaube, was man in Europa machen muss, ist, sich noch mehr mit anderen Kulturen und Zivilisationen zu befassen. Europa braucht die Welt, Europa muss sich öffnen, und die Welt braucht Europa.

Ich glaube nicht, dass sich Europa weiterhin abschotten kann. Da ist der Weg jetzt bereits gezeigt worden, nämlich durch diese Großzügigkeit, auch wenn es vielleicht erst einmal im Inneren eine andere Reaktion gibt. Aber der Weg dafür ist bereits geebnet. Wir haben gemeinsame Kulturen. Wir teilen Werte wie die Achtung der Menschenrechte, Demokratie, Offenheit und Humanismus. Deutschland vertritt diese Werte, und die Bundeskanzlerin auch. Ich möchte Sie noch einmal dazu beglückwünschen und ihr danken.

Mittwoch, 29. August 2018

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Quelle:
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem
Präsidenten der Republik Senegal, Macky Sall, am 29. August 2018
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2018/08/2018-08-30-pk-merkel-sall-in-dakar.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. August 2018

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